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Politik

Fall Senzow: "Angela Merkel könnte helfen"

Zhanna Nemzowa | Markian Ostaptschuk
7. Juni 2018

Der in Russland inhaftierte ukrainische Regisseur Oleg Senzow ist im Hungerstreik. Seine Cousine ist über seinen Zustand besorgt. Der DW erklärt sie, warum sie auf Bundeskanzlerin Angela Merkel hofft.

Aktionen für ukrainischen Regisseuer Oleg Sentsov #FreeSentsov
Bild: picture-alliance/Zumapress/O. Marques

"Er isst nichts, er trinkt nur warmes Wasser. Ihm werden Glukose und Vitamin B als Erhaltungstherapie injiziert. Vier Jahre Lagerhaft haben seiner Gesundheit sehr geschadet." Das sagte Natalia Kaplan, Journalistin und Cousine von Oleg Senzow, dem russischen DW-Videoformat "Nemtsova.Interview".

Der ukrainische Regisseur war am 14. Mai in einen unbefristeten Hungerstreik getreten. Er fordert die Freilassung aller ukrainischen politischen Gefangenen aus russischer Haft und will nach eigenen Angaben "bis zum siegreichen Ende" durchhalten. "Für mich war das eine völlige Überraschung. Offenbar hat er keinen anderen Ausweg gesehen", so Kaplan.

Ihr zufolge befindet sich Senzow derzeit am Polarkreis in der russischen Arktis - in einer Strafkolonie in der Stadt Labytnangi. Das dortige Klima könne Oleg, der von der Schwarzmeer-Halbinsel Krim stamme, nur schwer ertragen. Noch vor dem Hungerstreik habe er ihr in einem Brief geschrieben, seine Haare fielen aus und seine Zähne zerbröselten. Zudem habe Oleg, so seine Cousine, seit seiner Kindheit Probleme mit dem Herzen und den Gelenken.

Warum gerade Oleg Senzow?

Senzow hatte an friedlichen Demonstrationen gegen die Annexion der ukrainischen  Halbinsel Krim durch Russland im Jahr 2014 teilgenommen. Ein russisches Militärgericht hatte ihn 2015 schuldig gesprochen, an einer "terroristischen Verschwörung" auf der Krim beteiligt gewesen zu sein. Es verurteilte ihn zu 20 Jahren Haft.

Natalia Kaplan ist über den Gesundheitszustand von Oleg Senzow sehr besorgtBild: DW

Amnesty International, Human Rights Watch und zahlreiche Intellektuelle wie die Literaturnobelpreisträgerinnen Herta Müller und Swetlana Alexijewitsch machen auf sein Schicksal aufmerksam. Auch die bekannteste russische Menschenrechtsorganisation Memorial betrachtet Senzow als politischen Gefangenen und fordert seine Freilassung.

Aber warum nahmen die russischen Geheimdienste gerade Oleg Senzow ins Visier? Oleg habe den ukrainischen Militärs geholfen, die von russischen Soldaten umzingelten Militärkasernen auf der Krim zu verlassen, als endlich ein Korridor gewährt worden sei. "Er fand einen Bus und organisierte den Transport", sagte Kaplan im Gespräch mit DW-Reporterin Zhanna Nemzowa. Als im April 2014 die russischen Behörden mit "Terrorismusbekämpfung" auf der Krim begonnen hätten, hätten schnell Ergebnisse geliefert werden müssen, erinnert sich Kaplan. Schon im Mai sei eine "terroristische Gruppierung" aufgedeckt worden. "Oleg wurde zum Organisator erklärt, weil er Führungsqualitäten und Organisationstalent hat. Auch als er gefoltert wurde, weigerte er sich, gegen sich selbst und andere auszusagen."

"Wir hoffen auf Deutschland"

Seit über vier Jahren kämpft Kaplan für die Freilassung ihres Cousins. Nun hofft sie auf die Unterstützung von Politikern. Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron "hat sich bereits eingesetzt, aber das hat leider nichts gebracht", so Kaplan. Ihr zufolge wäre auch ein Anruf von US-Präsident Donald Trump bei Putin gut.

Oleg Senzow nach seiner Verhaftung auf der Krim Ende 2014Bild: picture-alliance/dpa/M. Pochuyev

Doch in erster Linie setzt Senzows Cousine auf die deutsche Bundeskanzlerin. "Wir hoffen auf Deutschland, insbesondere auf Angela Merkel. Sie hat zu Putin Zugang und könnte zu der wichtigen Unterhändlerin werden, die helfen könnte, die Sache vom toten Punkt weg zu bewegen", unterstrich Kaplan.

Auf die Frage, ob der russische Präsident Wladimir Putin eine persönliche Abneigung gegen Senzow habe, sagte Kaplan, Oleg sei der einzige politische Gefangene, der noch im Gerichtssaal Putin persönlich angegriffen habe. "Ich kann mich nicht erinnern, dass Putin jemals so offen in Anwesenheit so vieler Medien von jemandem 'blutiger Zwerg' genannt wurde", so Kaplan. "Ja, vielleicht ist das persönliche Abneigung, denn wozu braucht ihn Russland jetzt noch?" Der Kreml habe ihren Cousin ganz am Anfang gebraucht, um die Annexion der Krim zu rechtfertigen, und um zu zeigen, dass es dort eine "terroristische Gruppierung" gebe.

Doch was würde Natalia Kaplan dem russischen Präsidenten sagen, wenn sie ihm gegenüber sitzen würde? "Ich würde ihm sagen: 'Denken Sie logisch nach. Oleg kann sterben. Zu was wird das führen? Das gibt eine neue Welle von Sanktionen. Glauben Sie mir! Es wird einen Sturm der Entrüstung geben. Möglicherweise wird das zum Stopp der Fußball-Weltmeisterschaft führen. Zumindest werden wir alles tun, um andere Sport- und Unterhaltungsveranstaltungen in Russland zu verhindern'", sagte sie der DW.

Kaplan meint, die Entscheidung liege bei Putin: "Entweder die Gefangenen freilassen und sich von einer menschlichen Seite zeigen oder sich selbst Schaden zufügen."

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