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Politik

Konferenz macht Ghanas LGBT-Community Angst

Silja Fröhlich
29. Oktober 2019

Der "World Congress of Families" tagt ab diesem Donnerstag in Ghana. Offizielles Thema: Afrikas Familien stärken. Menschenrechtsaktivisten aber sind alarmiert: Sie sehen die Rechte von Frauen und Homosexuellen in Gefahr.

Kenia Gericht entscheidet über Verbot von Homosexualität
Bild: picture-alliance/dpa/K. Senosi

Mitte Oktober traf es 16 Männer in Ugandas Hauptstadt Kampala: Die Polizei nahm sie wegen homosexuellen Verhaltens fest. Laut "Human Rights Watch" hatte ein wütender Mob die Männer zuvor beleidigt und gedroht, sie anzugreifen. Auch an Afrikas Westküste müssen Homosexuelle mit Verfolgung rechnen - manchmal sogar durch die eigenen Familie: So wurde eine angebliche Lesbe mit einer Machete aus ihrem Haus vertrieben – und musste ihr zweijähriges Kind zurück lassen.

In 35 Ländern Afrikas ist Homosexualität illegal, darunter Mauretanien, Sudan, Nord-Nigeria und im Süden Somalias, wo auf homosexuelle Handlungen die Todesstrafe steht. Ein weiteres Thema, das afrikanische Gesellschaften spaltet, ist Abtreibung. Die ist in sieben Ländern in Afrika verboten und in zehn weiteren nur erlaubt, wenn die Mutter in Lebensgefahr schwebt.

Gerade fundamentalistische Gruppen nutzen solche Kontroversen, um ihre Agenda in Afrika zu verbreiten: Keine Homosexualität, keine Abtreibungen, keine Verhütung. 

Gegen Homosexualität und Abtreibung

Eine davon ist der "World Congress of Families (WCF)", der ab dem 31.10. eine zweitägige Regionalkonferenz in Ghanas Haupstadt Accra veranstaltet. Thema: "Die afrikanische Familie und nachhaltige Entwicklung. Starke Familien, starke Nation." Die bisher größte Konferenz dieser Art auf dem Kontinent soll nach eigener Darstellung "Afrika als aktiveren Anwalt innerhalb der globalen Pro-Familienbewegung positionieren".

Homosexualität ist in 35 Ländern Afrikas weiterhin illegalBild: TONY KARUMBA/AFP/Getty Images

Das internationale Netzwerk fördert konservative Ideologien des sogenannten "Naturrechts" und der "natürlichen Familie" nach dem Mutter-Vater-Kind-Prinzip. Ihr Ziel ist es, Homosexualität, Verhütung und Abtreibung zu kriminalisieren.

Panik und Angst

"Seit die Teilnehmer hier sind, herrscht Panik und Angst in der LGBT-Gemeinschaft. WCF arbeitet mit Gesetzgebern im Land zusammen und wir fürchten, dass sie ein Gesetz einführen wollen, dass Homosexuelle noch weiter diskriminiert", sagt dagegen Davis Mac-Iyalla im DW-Interview. Der schwule katholische Aktivist aus Nigeria arbeitet für das "Interfaith Diversity Network of West Africa". Das Netzwerk setzt sich für die Rechte der LGBT-Community (Homo-, Bi- und Transsexuelle) ein. 

"Staatschefs aus Ungarn, Polen und Italien haben bei ihren Konferenzen gesprochen. Diese Organisation ist alles andere als unbedeutend", meint auch Jessica Stern, Geschäftsführerin von OutRight Action International, einer gloaben Organisation für LGBT-Rechte. "Sie bieten denen, die sich anschließen, Macht, Geld und das globale Scheinwerferlicht. Das tun sie auf Kosten von Homosexuellen, Frauen und Kindern. Sie sind äußerst machtvoll - und äußerst gefährlich."

In Accra hält die WCF dieses Jahr ihre Afrika-Regionalkonferenz ab Bild: picture-alliance/dpa/S. Gätke

WCF veranstaltet jedes Jahr eine Regionalkonferenz in Afrika. 2017 fand das Treffen in Malawi, 2018 in Uganda und 2019 in Kenia statt. "WCF hat Ghana für dieses schreckliche, hasserfüllte Treffen ausgesucht, weil sie erkannt haben, dass in Ghana die Akzeptanz für die LGBT-Gemeinschaft wächst", so Stern im DW-Interview. So hätten 62 Prozent der Ghanaer 2017 in einer Studie angegeben, dass Homosexuelle und Transpersonen die gleichen Rechte wie Heterosexuelle haben sollten. Die Polizei würde verstärkt gegen die zahlreichen Gewaltakte vorgehen, die sich gegen Homosexuelle richten. "Und das wollen sie bekämpfen."

Mac-Iyalla ärgert das. "Wir haben hier in Westafrika unsere eigenen Probleme, bis hin zum täglichen Überleben, und brauchen sicher keine westliche Organisation, die hier auftaucht, um uns noch weitere Probleme zu machen."

Imperialismus des Westens?

Der Weltkongress behauptet dagegen, dass er es sei, der gegen einen imperialistischen Export westlicher Werte kämpfe. Homosexualität gehört aus seiner Sicht dazu. Die Ironie dabei: WCF ist ein Projekt der in den USA ansässigen "Internationalen Organisation für die Familie", finanziert mit Geldern aus Russland und evangelikalen Gruppen aus den USA.

Menschenrechtsaktivisten wirft der WCF vor, dass sie versuchen, Afrika westliche Geschlechterideen und Geschlechterpolitik aufzwingen. Theresa Okafor, die afrikanische Regionaldirektorin der WCF, behauptet beispielsweise, dass dies Teil einer "unheilvollen Agenda zur Verkleinerung, Entvölkerung und Kontrolle Afrikas" sei. Westliche Länder versuchten, gläubige Christen durch eine Kooperation mit Boko Haram "zum Schweigen zu bringen". Interviewanfragen der DW an den WCF blieben unbeantwortet.

Verhütung ist eines der Themen, die der WCF ablehntBild: Getty Images/AFP/S. Maina

"Homophobie und Abtreibungsgegner gibt es überall in Afrika, das ist nichts neues", sagt Neela Ghoshal von der Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" (HRW). "Jeder, der heute in Afrika geboren wird, wächst mit den sozialen Normen auf, die afrikanischen Gesellschaften durch die Kolonialisierung aufgezwungen wurden und die sie angenommen haben."

Denn viele Gesetze, die die Homosexualität verbieten, stammen noch von den Kolonialmächten. Aktivisten wie Davis Mac-Iyalla sagen, dass gleichgeschlechtliche Liebe vor der Kolonial-Ära toleriert worden sei: "Ich habe manchmal das Gefühl, dass wir unsere eigene Geschichte nicht kennen. Vor der Kolonialisierung gab es keine Gesetze gegen Homosexuelle und Abtreibung, da hieß es: Leben und leben lassen."

Doch die Strategie des WCF scheint zu funktionieren: In Zusammenarbeit mit der "Foundation for African Cultural Heritage" gelang es, die Sexualerziehung an nigerianischen Schulen zu verhindern. Laut WCF-Regionalchefin Okafor ebnete ihre Organisation 2012 den Weg für Nigerias Anti-LGBT- und Anti-Abtreibungsgesetze, einschließlich eines Gesetzes, das die gleichgeschlechtliche Ehe kriminalisiert.

Sexualkunde diskreditieren

Das sei auch das Ziel in Ghana, so Stern. "Hier wurde ein Umfassendes Programm zur Sexualerziehung (CSE) eingeführt: über Verhütung, HIV und ein gesundes Sexleben. Und die religiöse Rechte in Ghana versucht, dieses Programm zu diskreditieren, indem sie sagen, es fördert Homosexualität." Daher sei eine Konferenz wie der WCF in einem Land wie Ghana "immens gefährlich", so Stern.

Hinzu käme der Einfluss auf ganz Afrika. "Die Länder beeinflussen sich gegenseitig. Wenn Ghana wieder konservativer würde, hätte das auch Einfluss auf die Afrikanische Union und die Vereinten Nationen", so Stern. Doch Ghoshal glaubt, dass der WCF trotz allem mit starkem Gegenwind in Afrika zu rechnen hat. 

Gegenwind in Afrika

"LGBT-Gruppen in Afrika versuchen, Verbündete an Bord zu holen, so wie Frauenrechtsorganisationen, um der Bevölkerung aufzuzeigen, welche Diskriminierung sie erleben", so Ghoshal. Ein wichtiger Teil sei die unaufhörliche Aufklärung der Bevölkerung. "Gemeinden müssen verstehen, dass diese Probleme richtige Menschen betreffen."

In Ghana würde die Arbeit beginnen, sobald die WCF-Konferenz vorbei sei, betont Mac-Iyalla. "Nächstes Jahr stehen die Wahlen in Ghana an und wir organisieren bereits Proteste, damit diese Agenda nicht Teil unserer Politik wird. Wir werden dieser Hassbotschaft die wahre Stärke des afrikanischen Geistes entgegensetzen: Mitgefühl und Fürsorge füreinander. "

Silja Fröhlich Redakteurin, Reporterin und Moderatorin
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