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Fan-Sorgen über die Champions-League-Reform

Felix Tamsut
30. März 2021

Der europäische Fußballverband UEFA bereitet für die Zeit ab 2024 ein neues Format für die Champions League vor. Während die Spitzenvereine finanziell profitieren dürften, könnten Fans den Preis bezahlen.

Fussball Champions League I Borussia Dortmund - FC Sevilla
Bild: Anke Waelischmiller/SVEN SIMON/picture alliance

Das Exekutivkomitee der UEFA trifft sich an diesem Mittwoch, um über Reformen der Königsklasse zu diskutieren. Eigentlich war mit einer schnellen Entscheidung gerechnet worden, aber die soll es nun erst am 19. April geben, wie die UEFA mitteilte. Die Rede ist von einer Erweiterung der Champions League von 32 auf 36 Teams und von der Abschaffung des derzeitigen Gruppenphasen-Modells. So der bisherige Stand der Debatte.

Die vorgeschlagenen Reformen werden von Juventus-Turin-Präsident Andrea Agnelli unterstützt, der zugleich Vorsitzender der Europäischen Klubvereinigung (ECA) ist. Die Pläne garantieren den Top-Klubs mehr Spiele und mehr Einnahmen. Und sie sollen die Eliteklubs davon abhalten, sich mit einer eigenen "Superliga" praktisch selbstständig zu machen. Die Fans aber stehen den Plänen äußerst kritisch gegenüber.

"Es ist schon knapp, wenn man sich auf der Arbeit freinehmen und das Geld für den Fußball auftreiben muss", sagt Alex Fischer, Dauerkarten-Inhaber von Bayern München. "Die zusätzlichen Spiele werden die Situation nicht gerade verbessern." Der 34-Jährige besucht die meisten Begegnungen der Bayern, sowohl in der Bundesliga als auch in der Champions League. Er ist in Sorge, dass die vorgeschlagenen Reformen, die ab der Saison 2024/25 in Kraft treten könnten, zum Schaden der Zuschauer sein werden - der Fans, die ohnehin schon Mühe haben, über die Runden zu kommen. Das gelte vor allem für weniger finanzstarke jüngere Stadionbesucher. "Erwachsene mit einem Job und einer Karriere können es irgendwie schaffen, aber jüngere Fans werden es wahrscheinlich schwer haben", sagt Fischer der DW. "Das wird für viele auf Dauer nicht mehr bezahlbar sein." Die Reformen der UEFA seien also ein "großer Fehler".

"Wir könnten Generationen verlieren"

Die Bedenken des Bayern-Fans teilt auch Ronan Evain, Geschäftsführer von Football Supporters Europe (FSE). Die Organisation vertritt Fußballfans aus ganz Europa. Auch der Franzose sagt, dass die steigenden Kosten für die Fans zu einem immer größeren Problem würden, wobei viele auch unter den finanziellen Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie litten. "Im aktuellen finanziellen Klima wird es für die Leute schwierig, sich immer mehr Spiele zu leisten", warnt Evain gegenüber der DW. "Wir werden womöglich ganze Generationen verlieren."

Der Widerstand gegen die Reformen bezieht sich nicht nur auf den finanziellen Aspekt: Evain befürchtet, dass die Änderungen dazu führen werden, dass weniger Klubs die Chance haben, sich zu messen. Das Ergebnis: eine Art geschlossene Gesellschaft für die Elite des Kontinents. "Indem sie die Macht der größten Klubs zementieren und die Anzahl der Vereine und Länder, aus denen sich Klubs qualifizieren würden, einschränken, zerstören sie den Traum vieler Fans. Den Traum, dass ihre Mannschaft auf europäischer Ebene spielt."

Die Reformen sehen eine Art "Sicherheitsnetz" für die Topklubs vor: Sie sollen sogar dann einen Platz in der Königsklasse bekommen, wenn sie sich in einem bestimmten Jahr nicht über ihre heimische Liga qualifizieren konnten. Der Trick wäre ein Koeffizient, den man auf der Grundlage der Leistungen der letzten fünf Jahre berechnen würde. "Das öffnet die Tür für etwas viel Gefährlicheres", warnt Evain. Die Qualifikation basiere dann nämlich auf der mittelfristigen Entwicklung und nicht auf den aktuellen sportlichen Leistungen.

Die Fans des FC Bayern München - hier bei der Partie gegen Tottenham - haben sich in der Debatte schon positioniertBild: picture-alliance/dpa/M. Balk

Der internationale Blick

Während die Fans im Stadion direkt von den zusätzlichen Spielen im Champions-League-Kalender betroffen sein werden, könnten sich zu erwartende höhere Preise für TV-Abonnements auch auf die Anhänger auswirken, die auf der ganzen Welt die Spiele verfolgen - zu Hause, bei Freunden, in der Kneipe (wenn das nach der Pandemie wieder geht).

Liam Caulfield (66) und Dmytro Merezhko (23) sind Mitglieder des Fanclubs von Borussia Dortmund - in Los Angeles. Wer einen Verein von der anderen Seite des Atlantiks her unterstützt, muss schon morgens um 6 Uhr auf den Beinen sein, um das Spiel seiner Mannschaft zu sehen. "Ich stehe eine Viertelstunde vor dem Anpfiff auf und trinke eine Tasse Kaffee, damit ich während des Spiels nicht einschlafe", sagt Merezhko, der in Irvine im US-Bundesstaat Kalifornien lebt - etwa 65 Kilometer südöstlich von Los Angeles.

Sie würden es durchaus schaffen, ihren Zeitplan an die BVB-Spiele an den Wochenenden anzupassen, sagen die Dortmund-Fans aus den USA. Aber die Partien der Champions League und die späten Anstoßzeiten des DFB-Pokals seien eine echte Herausforderung. Denn die Spiele beginnen bei Caulfield und Merezhko um 12 Uhr Ortszeit. Normalerweise geht man da arbeiten oder zur Uni. 

Dmytro Merezhko erzählt, wie zum Beispiel eine Universitätsvorlesung zur gleichen Zeit stattfand wie das Rückspiel des BVB gegen den FC Sevilla in der Champions League. "Die Ausbildung hat für mich Priorität, aber ich konnte das Spiel einfach nicht verpassen." Caulfield betont: "Ich brauche keine zusätzlichen Spiele." Und er macht sich auch Sorgen um das hohe Verletzungsrisiko für wichtige Spieler  und das womöglich sinkende Niveau in der Top-Liga.

Merezhko stimmt zu. "Die Champions League ist doch fast perfekt, so wie sie jetzt ist", sagt er. "Was auch immer sie ändern werden, ich glaube nicht, dass es etwas bringen würde."

Fußballmüdigkeit

Eine im Januar 2021 veröffentlichte Studie des CIES Football Observatory ergab, dass 59,4 Prozent der Fans finden, dass es bereits jetzt zu viele Fußballspiele gibt. 72,8 Prozent sehen ein Problem darin, dass die Spieler durch zu häufiger Partien ermüden. Und auch die Fans ermatten. "Die Leute kommen an den Punkt, an dem sie eine Pause brauchen, weil es für sie anstrengend ist", sagt Bayern-Fan Fischer.

Die Entscheidung des DFB

Für Ronan Evain von FSE ist es die Aufgabe der nationalen Fußballverbände und der UEFA, sicherzustellen, dass die Interessen des gesamten Fußballs auf europäischer Ebene vertreten werden - und nicht nur die der größten Klubs. Er fordert alle Seiten auf, "das Spiel zu schützen". Bei der Sitzung des Exekutivkomitees der UEFA wird von deutscher Seite DFB-Vizepräsident Rainer Koch dabei sein. Man erinnert sich: Noch im August letzten Jahres sprach DFB-Präsident Fritz Keller von der "entscheidenden" Rolle, die die Fans bei der Reform des Fußballs spielen sollten.

Dr. Rainer Koch, Vizepräsident des DFBBild: picture-alliance/SvenSimon/E. Kremser

Im Oktober wandte sich Vizepräsident Koch gegen eine mögliche europäische "Superliga": "Der europäische Fußball ist geprägt von Solidarität, Zusammengehörigkeit, Fairplay und sportlichem Wettbewerb, nicht von den Interessen einiger weniger Eliteklubs." Zu den nun geplanten Champions-League-Reformen hat sich der DFB öffentlich noch nicht positioniert. Und das, obwohl sich viele deutsche Fangruppen kritisch zu der Neuordnung geäußert haben, darunter auch die Fanabteilung von Borussia Dortmund und der "Club Nr. 12" des FC Bayern München, ein Dachverband der Bayern-Fangruppen. Die bundesweite Fan-Initiative "Unser Fußball" forderte DFB-Vizepräsident Koch im Vorfeld der UEFA-Sitzung an diesem Mittwoch auf, die Vorschläge abzulehnen: "Reformen sind im deutschen und europäischen Fußball dringend notwendig, aber nur, um die nationalen Ligen zu stärken und einen faireren Wettbewerb zu schaffen."

"Ich mag es so, wie es ist", sagt BVB-Fan Caulfield. "Ich glaube nicht, dass sie daran herumspielen müssen."

Die DW hat sowohl den DFB als auch die UEFA um eine Stellungnahme gebeten, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aber noch nicht vorlag.

Adaption aus dem Englischen: Marko Langer

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