Iran: Fast 100 Hinrichtungen seit Jahresbeginn
2. März 2023Nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten der Organisationen Amnesty International und des Abdorrahman-Boroumand-Zentrums für Menschenrechte mit Sitz in den USA haben die Behörden der Islamischen Republik allein im Januar und Februar mindestens 94 Todesurteile vollstreckt.
Besonders Minderheiten im Visier der iranischen Justiz
Beide Organisationen zeigten sich alarmiert angesichts eines "deutlichen Anstiegs" im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Insbesondere gegen verfolgte Minderheiten werde die Todesstrafe zunehmend angewandt. So hätten die iranischen Behörden seit Anfang des Jahres mindestens einen Iraner der arabischen Minderheit der Ahwasi, 14 Kurden und 13 Angehörige der ethnischen Minderheit der Belutschen hingerichtet.
Das Vorgehen der Behörden sei "ein unanständiger Versuch, nicht nur ethnische Minderheiten noch weiter zu unterdrücken, sondern auch die Angst zu verbreiten, dass jede Opposition mit brutaler Gewalt unterdrückt wird, sei es auf der Straße oder am Galgen", sagte die Direktorin des Abdorrahman-Boroumand-Zentrum, Roja Boroumand.
Auch Amnesty wirft dem Iran vor, die Todesstrafe als "Instrument der Unterdrückung" ethnischer Minderheiten einzusetzen. "Die schiere Anzahl der Hinrichtungen ist erschütternd", erklärte der Iran-Experte von Amnesty International in Deutschland, Dieter Karg. Die Hinrichtungen folgten auf "äußerst unfaire Verfahren, in denen systematisch durch Folter erpresste 'Geständnisse' verwendet" würden. Beide Organisationen berichteten zudem von Vorwürfen sexueller Gewalt, um "Scheingeständnisse" zu erzwingen.
Amnesty fordert Moratorium gegen Todesstrafe
Amnesty forderte die iranische Regierung auf, ein offizielles Moratorium für Hinrichtungen einzuführen, ungerechte Verurteilungen und Todesurteile aufzuheben und alle Anklagen im Zusammenhang mit der friedlichen Teilnahme an den seit Monaten anhaltenden Protesten im Land fallen zu lassen.
Im Iran waren im vorigen Herbst wochenlang immer wieder Menschenmassen auf die Straße gegangen, um gegen die Führung des Landes zu protestieren. Auslöser war der Tod der 22 Jahre alten iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini in Polizeigewahrsam. Im Zusammenhang mit den Protesten wurden nach Angaben von Menschenrechtlern Tausende Menschen festgenommen, darunter mindestens 40 Ausländer. Der Iran exekutierte vier Teilnehmer der jüngsten Protestwelle.
Todesstrafen werden im Iran in der Regel durch Erhängen vollstreckt. Offizielle Zahlen zu Hinrichtungen gibt es nicht. Im Iran wurden 2022 im ersten Halbjahr nach Angaben von Amnesty International mindestens 250 Menschen hingerichtet. Menschenrechtler kritisieren seit Jahren die Anwendung der Todesstrafe im Iran.
qu/bru (afp, dpa)