Der FC Bayern München hat viele Gesichter, wird geliebt und gehasst. In einer DW-Dokumentation zeigen Vereinsgrößen wie Uli Hoeneß, Oliver Kahn und Philipp Lahm, dass der Millionenklub auch eine menschliche Seite hat.
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Das "Mia san mia"-Phänomen
01:29:53
Als Uli Hoeneß 1979 wegen einer Verletzung mit dem Fußball aufhören musste und mit 27 Jahren zum jüngsten Manager der Geschichte der Fußball-Bundesliga aufstieg, hatte er eine klare Vision: "Ich war immer der Meinung, dass der FC Bayern München von einem kleinen Verein zu einer Weltmarke zu führen ist", verrät er im neuen Fernsehstudio des vereinseigenen Senders "FCB TV" an der Säbener Straße. Hinter ihm, auf der anderen Seite einer großen Glasscheibe, trainieren Weltstars mit einem Marktwert von circa 580 Millionen Euro. Alleine diesen Sommer kamen durch Transfers wie James Rodriguez, Corentin Tolisso und Kingsley Coman noch mehr als 120 Millionen dazu.
Die Bundesliga ist nicht genug
Vom Präsidenten zum Fan aus der Favela - Die Helden des "Mia san mia"- Phänomens
Der FC Bayern München ist ein Weltklub, der in allen Erdteilen seine Fans hat. Alle lieben den FCB auf ihre ganz spezielle Art.
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Uli Hoeneß (München) - Präsident des FC Bayern
"Ich war immer der Meinung, dass der FC Bayern München von einem kleinen Verein zu einer Weltmarke zu führen ist." In diesem Sinne arbeitet er als Manager, ist für die Spieler aber auch Freund und Ratgeber. Dann landete er im März 2014 wegen Steuerhinterziehung für 11 Monate im Gefängnis. Uli Hoeneß verabschiedete sich mit den Worten: "Das war‘s noch nicht" und sollte damit recht behalten.
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Kamal Abu Lail (Nazareth, Israel) - Bayern Fan
"Egal ob Palästinenser oder Jude, wenn Bayern ein Tor schießt, umarmst Du jeden," sagt der in Israel lebende Palästinenser Kamal. Seit den 70iger Jahren ist er Bayern Fan. "Damals war ich erst zehn, und wir hatten einen Schwarz-Weiß-Fernseher. Es gab oft Live-Übertragungen: Rummenigge, Beckenbauer, Breitner, die waren damals schon berühmt. Ich habe mich schnell in ihr Spiel verliebt."
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Philipp Lahm (München) – Eigengewächs
Vereinstreu, eloquent, erfolgreich, Philipp Lahm steht für ein typisches "Bayern Eigengewächs". Rund zwei Jahrzehnte kickte der 33-Jährige in München, ist jetzt aber in Fußballrente. Dabei wirkt er noch wie ein Nachwuchsspieler. "Dass ich schmächtiger als die anderen war, hat mir vermutlich die gewisse Portion Ehrgeiz mitgegeben, die es braucht, um sich im Haifischbecken FC Bayern durchzusetzen."
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Kanata Tokumoto (Fuchu City, Japan) – Bayern Fan
Kanata ist der Musterschüler des FC Bayern Tsuneishi, der Fußball-Akadamie einer riesigen Schiffswerft im Bundesstaat Fukushima. Der 14-jährige Japaner ist so gut, dass der FC Bayern einen Jugendtrainer schickte, um ihn beobachten zu lassen. Wir waren dabei, als diese Begegnung in einem Jugendliga-Spiel gipfelte und haben den kleinen Kanata auf Herz und Nieren geprüft.
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Samuel "Sammy" Osei Kuffour (Accra, Ghana) – Ex-Spieler
Von Ghana über Italien als 17-Jähriger nach München. Uli Hoeneß wurde für den jungen Sammy so etwas wie ein Ersatzvater, der ihm in schwierigen Lebensabschnitten immer zur Seite stand. Besonders nach dem tragischen Tod seiner Tochter war der Zusammenhalt beeindruckend, und das "Mia san Mia"- Phänomen so für den Ghanaer menschlich spürbar.
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Camila Borborema (Rio de Janeiro, Brasilien) – Bayern Fan
Andere Brasilianer erklären Camila manchmal für verrückt. Bei so vielen Vereinen im eigenen Land hält die 24-Jährige ausgerechnet zum FC Bayern. Das liegt zum Teil auch an einem Spieler, der ihr seit dem WM Finale 2002 nicht mehr aus dem Kopf geht: "Oliver Kahn ist der Mann meines Lebens, es gibt keinen wunderbareren Menschen auf dem ganzen Planeten. Ich liebe ihn über alles."
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Oliver Kahn (München) - Torwartlegende
Für manche ist er nur "Der Titan", für andere die personifizierte "Bestia Negra", wieder andere kennen ihn als feuerspeiende Godzilla-Imitation. Doch in einem sind sich alle einig: Kaum einen verbindet so viel mit dem FC Bayern wie Oli Kahn. "Ich habe die ganzen Werte des Vereins in mich aufgesogen, weil Erfolg nur durch totale Identifikation mit dem, was man tut, möglich ist," so der Ex-Torhüter.
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Franz "Bulle" Roth (Bad Wörishofen) - Urbayer
Im Europapokal Endspiel 1967 erzielte er in der Nachspielzeit das alles entscheidende Tor gegen die Glasgow Rangers. Damit begann der internationale Erfolg beim FC Bayern München. "Der Torwart kam mir entgegen und reißt mich fast um, aber der Ball ging unter die Latte rein. Wunderbar!!! Drum habe ich den Pokal über Nacht an meinem Bettkästchen gehabt und hab ihn angeschaut. Die ganze Nacht..."
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Giovane Elber (Mato Grosso, Brasilien) - Ex-Spieler
Giovane Elber führt ein Doppelleben. In Brasilien - nahe der bolivianischen Grenze - besitzt er eine Ranch mit 5000 Rindern. Doch wo immer der FC Bayern ihn braucht, ist er auch für seinen Lieblingsklub im Einsatz. Als Botschafter für den FC Bayern reist er um die Welt. Für das "Mia san mia"- Phänomen erinnert er sich an seine aktive Zeit bei den Bayern zurück - in seiner ganz speziellen Art.
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Raffael Noboa y Rivera (New York, USA) - Bayern-Fan
Raffael wurde in Puerto Rico geboren und lebt in New York. Dort arbeitet er in einer Software- Firma. Seit 20 Jahren ist er leidenschaftlicher Fan vom FC Bayern - mit einer ganz besonderen Perspektive: "Ich liebe das Spiel, manchmal ist es wie Kunst. Aber es geht mir gelegentlich zu nahe und deswegen halte ich Abstand. Ich möchte nicht von etwas abhängig sein, was ich nicht kontrollieren kann."
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Andy Brassell (London, England) - Sportjournalist
Andy schreibt für "The Guardian" und ist Experte bei "Talksport", einem der weltweit größten Sportradiosender. Seine Meinung hat Gewicht in der Szene und zu seinen Spezialthemen gehört das Verhältnis englischer und deutscher Clubs zueinander. "Die Münchner sind so groß und so erfolgreich, dass für viele Leute hier in England die Bayern und der deutsche Fußball ein und dasselbe ist."
Der 38-jährige Sportjournalist von "EL MUNDO" liebt den Fußball - als gesellschaftliches Phänomen, wie auch als sportlichen Wettkampf. "In Madrid kann ich darüber entscheiden, ob die Stadt gut schläft oder schlecht gelaunt ins Bett geht." Der Höhepunkt der Saison ist für ihn aber nicht etwa "El Clasico", sondern wenn Real Madrid gegen "La Bestia Negra" - die "Schwarze Bestie" aus München spielt.
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Deutschlandweit steht der Rekordmeister schon lange für Dominanz - getreu seinem Motto: "Mia san mia" ("Wir sind wir."). Der Spruch - ein geflügeltes Wort auch in ganz Bayern - stammt ursprünglich aus der österreichischen Armee und soll Überlegenheit und Selbstbewusstsein signalisieren. Das zeigt Wirkung, meint Ex-Torwart Oliver Kahn "Das heißt auch den Neid und die Missgunst einer halben Nation auf den Schultern zu tragen."
Bei 27 Meistertiteln und 18 gewonnenen DFB-Pokalen ist Deutschland aber längst nicht mehr genug: "Ich würde alle anderen Titel hergeben, um mit den Bayern die Champions-League zu gewinnen", verriet Bayern-Trainer Carlo Ancelotti noch Anfang des Jahres. Damit scheiterte er und ist seit dem 29. September vereinslos. So läuft das weltweite Fußballgeschäft, das weiß auch die 24-jährige Camila aus einem Vorort von Rio de Janeiro ist seit Jahren FC-Bayern -Fan. Sie erinnert sich noch genau, warum: "Als ich Oliver Kahn vor zehn Jahren das erste Mal sah, da war es um mich geschehen!" Sie schwärmt weiter: "Oliver Kahn ist der Mann meines Lebens, der größte der Welt, es gibt keinen wunderbareren Menschen als ihn auf der ganzen Welt." Ihr größter Traum: Oliver Kahn persönlich zu treffen.
Kuffours schwerste Stunden
Neben dem Erfolg als Weltmarke ist es Manager Uli Hoeneß besonders wichtig, den inneren Zusammenhalt des Klubs zu betonen: "Wir sind längst nicht mehr nur ein Fußballverein, sondern für viele Menschen in unserer Gemeinschaft so etwas wie eine Heimat, wie ein Familienersatz." Wenn es eine Person gibt, die das mit ihrem persönlichen Schicksal bestätigt, dann Samuel Osei Kuffour. Am Pool vor seiner Villa in Accra spricht der ehemalige Bayern-Verteidiger sofort über die tragische Geschichte von 2003: "Einer der schwersten Momente in meinem Leben war, als ich meine Tochter verloren habe."
Das damals 15 Monate alte Mädchen war bei einem Unfall in Kuffours Heimat Ghana ertrunken. Sofort seien Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge, ehemaliger Stürmer und schon damals Vorstandsvorsitzender der FC Bayern München AG, zu ihm nach Hause gekommen, um ihn zu trösten. "Sie organisierten innerhalb von zwei Stunden einen Privatjet, damit ich nach Ghana fliegen konnte", erinnert sich Kuffour, "und der Privatjet blieb in Accra, bis ich alles erledigt hatte." Für ihn ist klar: "Das sagt dir, dass diese Leute für dich da sind."
Eine internationale Erfolgsgeschichte
Den Grundstein des internationalen Erfolgs legte Franz "Bulle" Roth vor 50 Jahren mit dem einzigen und alles entscheidenden Tor in der Verlängerung im Finale des Europapokals der Pokalsieger gegen die Glasgow Rangers. Er spielte damals unter anderem gemeinsam mit "Kaiser" Franz Beckenbauer, Torwartlegende Sepp Maier und Torjäger Gerd Müller. In seinem Sportgeschäft im malerischen Bad Wörishofen im Allgäu erinnert sich der 71-jährige an die Trophäe. Er habe "den Pokal über Nacht an meinem Bettkästchen gehabt" und habe ihn dann angeschaut: "Die ganze Nacht!"
Insgesamt 60 nationale und internationale Titel hat der "Stern des Südens" seit diesem legendären Wettbewerb eingefahren, darunter fünf Champions-League-Titel. Damit ist der FC Bayern München einer der erfolgreichsten Sportvereine der Welt - und einer der größten dazu: Rund 300.000 Mitglieder gehören zur Klub-Familie. Zum Vergleich: Real Madrid zählt rund 100.000, FC Barcelona & Manchester United jeweils rund 150.000 Mitglieder. "Wir haben damals mit 20 Mitarbeitern und zwölf Millionen Mark Umsatz angefangen", sagt Präsident Uli Hoeneß, "und jetzt haben wir 630 Millionen Euro Umsatz und fast tausend Mitarbeiter."
Was ist das "Mia san mia"-Phänomen?
Um die Bedeutung dieser Zahlen greifbar zu machen und um dem internationalen FC-Bayern-Phänomen ein Gesicht zu verleihen, sind die DW-Autoren Niels Eixler und Manuel Vering insgesamt 50.000 Kilometer um die Welt gereist. Im Gepäck hatten sie neben ihren Kameras vor allem brennende Fragen: Was macht die Faszination des Vereins aus? Ist "Mia san mia..." ein ernst gemeinter Schlachtruf oder nur ein Werbeslogan? Warum hat sich der FC Bayern in Brasilien genauso in die Herzen seiner Fans gespielt, wie in London, New York, Japan, Ghana oder Tel Aviv? Was sind seine Makel?
Die 85-minütige Dokumentation "Das "Mia san mia"-Phänomen" der Deutschen Welle feierte am Dienstagabend im Berliner Babylon Kino Weltpremiere. Mit dabei waren rund 500 geladene Gäste, darunter Bayern-Größen wie Klaus Augenthaler, Hans Pfügler und Bulle Roth. Der Film zeigt Spieler und Verantwortliche des Vereins ganz nah, aber auch Bayern Fans in aller Welt - von denen einige ebenfalls mit im Berliner Premierenkino saßen und sich selbst auf der großen Leinwand bestaunten. Wie sehr sie "ihren" Verein leben, zeigt, dass Uli Hoeneß' einstige Vision von einem kleinen Verein, der zu einer Weltmarke wird, längst in Erfüllung gegangen ist.