FC Bayern gegen Real Madrid - Thomas Tuchel im Mittelpunkt
Tobias Oelmaier
29. April 2024
In der Champions League steht Bayern München erstmals seit vier Jahren wieder im Halbfinale - und das gegen Real Madrid. Ein Fußballfest, möchte man meinen. Doch die Trainerdiskussion überschattet im Vorfeld das Duell.
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Bayern München gegen Real Madrid - die "bestia negra", die schwarze Bestie, gegen die Königlichen. Das Halbfinal-Hinspiel der Champions League, 75.000 Zuschauer werden im Stadion in München sein. Eigentlich ist alles angerichtet für ein Fußballfest. Die Fans, die Medien sollten darüber spekulieren, wer die bessere Abwehr hat, wie sich wohl die beiden deutschen Nationalspieler Toni Kroos und Antonio Rüdiger bei Real im Duell mit Supertorjäger Harry Kane schlagen werden, ob Bayern wieder mit zwei Linksverteidigern antritt wie gegen den FC Arsenal im Viertelfinale oder ob Leroy Sane und Jamal Musiala rechtzeitig fit werden.
Tatsächlich aber dreht sich alles um einen Namen: Thomas Tuchel. Eigentlich schien die Diskussion um den Bayern-Trainer im März beendet, als bekannt gegeben wurde, dass der Vertrag mit ihm zum Saisonende aufgelöst werde. Wohl, weil es einfach nicht passt zwischen Tuchel und dem deutschen Rekordmeister: das blamable Aus im DFB-Pokal gegen Drittligist Saarbrücken, der damals schon kaum noch aufzuholende Rückstand in der Meisterschaft auf Bayer Leverkusen, dazu der manchmal eigentümliche Umgang mit der Presse.
Hoeneß: "Wenn's nicht weitergeht, dann kaufen wir"
Dass die Trennung damals nicht per sofort erfolgte, lag wohl einerseits an den mangelnden Alternativen - Bayern sucht immer noch nach einem Nachfolger - andererseits an der Hoffnung, dass es Tuchel in der Champions League mit den Bayern doch noch weit bringen könnte. Schließlich hat er die ja schon mal gewonnen, 2021 mit dem FC Chelsea. Übrigens nach einem Halbfinal-Triumph über Real Madrid. Also sollte der Trainer das Werk mit den Münchenern wenigstens in diesem Wettbewerb ungestört zu Ende führen.
Doch dann meldete sich wenige Tage vor dem sportlichen Highlight Uli Hoeneß zu Wort. Der langjährige Klub-Macher in verschiedenen Funktionen, jetzt aber "nur" noch Aufsichtsrat, zog am vergangenen Freitag bei einer Veranstaltung der renommierten überregionalen Tageszeitung "Frankfurter Allgemeine" (FAZ) über Tuchel her: "Er hat eine andere Einstellung. Nicht, dass man den Pavlovic verbessern kann, dass man den Davies verbessern kann. Sondern: Wenn's nicht weitergeht, dann kaufen wir".
Sollte bedeuten: Tuchel sei nicht in der Lage, junge Spieler wie Aleksandar Pavlovic und Alphonso Davies individuell zu verbessern. Dazu fehle es im Umgang mit den Spielern an der menschlichen Seite.
Kritik zum falschen Zeitpunkt
Tuchel wiederum sieht sich ob dieser Aussagen "in meiner Trainerehre verletzt", wie er vor dem Bundesliga-Spiel gegen Eintracht Frankfurt am Samstag beim TV-Sender Sky klagte. "Das ist so meilenweit an der Realität vorbei, ich weiß gar nicht, wie ich darauf antworten soll", meinte er. "Ich finde es absolut haltlos."
Tuchel entgegnete dem Hoeneß-Vorwurf mit Verweis auf die geleistete Arbeit der vergangenen 15 Jahre. Hauptsächlich störte den Trainer aber der Zeitpunkt des Angriffs des Ehrenpräsidenten: "Ich hätte auf diese Aussage überhaupt nicht reagiert, wenn sie nicht von Uli Hoeneß, unserem Boss, und vier Tage vor dem Real-Spiel gekommen wäre", meinte Tuchel.
Hoeneß seinerseits sah keinen Grund, sich bei seinem Noch-Trainer zu entschuldigen - im Gegenteil. Zu dem Satz, dass Tuchel bei Misserfolgen lieber neue Spieler fordere als die eigenen zu verbessern, stehe er, versicherte der 72-Jährige im Gespräch mit dem Fußball-Fachmagazin "Kicker". Den Krach zwischen ihm und dem Coach halte er für medial aufgebauscht, ergänzte Hoeneß. Er sei wild entschlossen, seine "Meinung wieder deutlicher zu machen", legte er im "Kicker" nach. "Sag ich nix mehr dazu. Das Thema ist abgehakt", so der lapidare Kommentar von Tuchel dazu auf der Pressekonferenz einen Tag vor dem Spiel gegen Madrid.
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Einfluss auf die Spieler?
Die Diskussion kommt zur Unzeit, beeinträchtig die Spieler nach eigenen Angaben aber nicht. Ihr Fokus liegt auf dem Sportlichen, beinhaltet das Duell mit Real doch die letzte Chance in dieser Saison auf einen Titel. "Hehe, das ist mir scheißegal!", kommentierte Bayern-Urgestein Thomas Müller die Situation. Auch Joshua Kimmich war ganz auf den Sport fokussiert: "Das Feuer hat man natürlich wahrgenommen", sagte er auf der Pressekonferenz zum Real-Spiel am Montagmittag, "aber uns Spieler betrifft das nicht. Für uns zählt das Spiel morgen und nächste Woche. Der Fokus ist klar. Wir tun gut daran, uns darauf zu konzentrieren. Das andere können wir eh nicht beeinflussen.“
Übrigens wird Thomas Tuchel gegen Real Madrid auch als Diplomat gefragt sein. Schiedsrichter Clement Turpin aus Frankreich, der die Partie leiten wird, hatte Tuchel vor einem Jahr beim Viertelfinal-Rückspiel gegen Manchester City mit seinen Entscheidungen noch mächtig auf die Palme gebracht. "Note 6!" brüllte der Trainer da aufs Spielfeld und musste kurz vor Spielende mit gelb-roter Karte auf die Tribüne.
Bayern hatte das Hinspiel in Manchester 0:3 verloren und schied nach einem 1:1 im Rückspiel in München aus. Es gab zwei Handelfmeter nach Videobeweis, eine zurückgenommene rote Karte, jede Menge Diskussionen und dazu 19 Torschüsse der Bayern. Über solche Themen würde man sich normalerweise unterhalten vor so einem Champions-League-Kracher, wenn da nicht diese Attacken von Uli Hoeneß wären.
Ewiges Duell: Bundesliga-Klubs gegen Real Madrid
Der FC Bayern trifft in der Champions League auf Real Madrid. Insgesamt 15 deutsche Vereine durften sich schon mit Spaniens Rekordmeister messen. Einige Spiele waren legendär, viele torreich und alle etwas Besonderes.
Bild: Sebastian El-Saqqa/firo Sportphoto/picture alliance
Folgenschwerer Fehltritt
Es ist nie gut, wenn Fußballspieler zwei Gedanken gleichzeitig haben, das beweist auch Bayern-Torwart Sven Ulreich im Halbfinal-Rückspiel der Champions League. Bei einem Rückpass will er den Ball in die Hand nehmen, entscheidet sich dann um und tritt ein Luftloch. Benzema schiebt den Ball ins Tor. Am Ende ist es das eine Gegentor zuviel, das den FCB 2018 die Chance aufs Finale kostet.
Bild: Andreas Gebert/dpa/picture alliance
Fünffacher Ronaldo und Schiedsrichterfrust
Fast genau ein Jahr zuvor scheitern die Bayern im Viertelfinale 2017 an Real und vor allem an Cristiano Ronaldo. Fünf (!) Tore erzielt der Portugiese in Hin- und Rückspiel und sichert den "Königlichen“ damit den Einzug ins Halbfinale. Für großen Frust bei den Bayern sorgt Schiedsrichter Viktor Kassai, der im entscheidenden Rückspiel zwei Abseitspositionen bei Ronaldos Treffern übersieht.
Bild: Burak Akbulut/AA/picture alliance
Vierfacher Lewandowski
Sportlich besser läuft es für die Borussia im April 2013: Mit 4:1 besiegt der BVB die "Königlichen" im Halbfinal-Hinspiel der Champions League und jedes Mal heißt der Torschütze Robert Lewandowski. Zwar wird es im Rückspiel noch einmal knapp, weil Real 2:0 gewinnt, aber der BVB zieht ins Endspiel ein, das er in London gegen den FC Bayern verliert.
Bild: Reuters
Schweinsteiger behält die Nerven
2012 geht es im Halbfinale der Königsklasse bis ins Elfmeterschießen. Nachdem im Estadio Bernabeu fünf der ersten acht Elfmeter nicht den Weg ins Tor finden, tritt Bayern-Kapitän Schweinsteiger an und trifft zum entscheidenden 3:1. Erleichterung, Jubel, Finaleinzug, das einige Wochen später gegen Chelsea aber verloren geht - im Elfmeterschießen.
Bild: Paul White/AP Photo/picture alliance
Zidanes Sonntagsschuss
Eigentlich wartet beim Champions-League-Finale 2002 zwischen Madrid und Leverkusen alles auf den Pausenpfiff. Dann aber wird Zinedine Zidane am Strafraum halbhoch angespielt und der Franzose drischt den Ball zum 2:1-Endstand in die Maschen. Die Leverkusener versuchen nach der Pause alles, schauen aber letztlich in die Röhre - auch in der Meisterschaft und im DFB-Pokal wird die "Werkself" Zweiter.
Bild: Neal Simpson/empics/dpa/picture alliance
Die Rache des Jens Jeremies
Ein Jahr zuvor war Jens Jeremies im Halbfinalduell gegen Real ein Eigentor unterlaufen. Aber 2001 revanchiert er sich. Erneut heißt es im Halbfinale Bayern gegen Real. Im Rückspiel erzielt Jeremies (l.) beim 2:1-Sieg den entscheidenden Treffer. Die Bayern kommen ins Finale und gewinnen anschließend gegen Valencia die Champions League.
Bild: Sandra Behne/Bongarts/Getty Images
Anelka fast im Alleingang
Eine bittere Niederlage gibt es im Jahr 2000, ebenfalls im Halbfinale: Die Bayern wollen nach dem verlorenen Endspiel gegen ManUnited in der vorherigen Saison endlich den "Henkelpott" gewinnen. Doch Real setzt diesen Träumen ein Ende - in Person von Nicholas Anelka, der bereits beim 2:0-Heimsieg für Real trifft und dessen Auswärtstor beim 1:2 im Rückspiel den Ausschlag zugunsten der Spanier gibt.
Bild: Christophe Simon/AFP/Getty Images
Der Torfall von Madrid
Am 1. April 1998 fällt das erste Tor bereits vor dem Anpfiff des Halbfinal-Hinspiels in der Champions League zwischen Real Madrid und Borussia Dortmund. Spanische Fans klettern auf den Zaun und bringen diesen samt des daran festgebundenen Tores zum Einsturz. Es dauert peinlich lange, bis ein Ersatztor zur Hand ist. Mit 76-minütiger Verspätung geht es los - der BVB verliert mit 0:2.
Bild: epa/dpa/picture alliance
Böses Blut im Bernabeu
Ein denkwürdiges Duell zwischen Bayern und Real findet 1987 statt: Klaus Augenthaler (2.v.l.) unterläuft erst ein Eigentor, dann fliegt er früh mit Rot vom Platz. Außerdem fliegen noch ganz andere Sachen: Unter anderem eine Eisenstange und ein Klappmesser, die Bayern-Keeper Jean-Marie Pfaff nur knapp verfehlen. Bayern verliert mit 0:1, kommt aber dank des 4:1-Sieges im Hinspiel weiter ins Finale.
Bild: Frank Leonhardt/dpa/picture alliance
Zu große Bürde
In den Endspielen des UEFA-Cups trifft Real 1986 auf den 1. FC Köln. Die Kölner haben im-Rückspiel vor heimischer Kulisse alles im Griff und gewinnen mit 2:0. Allerdings ist es da schon zu spät, um noch ernsthaft vom ersten europäischen Titel zu träumen. Im Hinspiel gibt der FC eine 1:0-Führung aus der Hand und wird mit 1:5 regelrecht überrollt. Der Heimsieg im Rückspiel ist nur noch Kosmetik.
Bild: dpa/picture alliance
Fünf Tore reichen nicht
1985 gelingt der Borussia, die damals nur noch wenig mit der "Fohlenelf" der 70er Jahre zu tun hat, im Achtelfinale des UEFA-Cups zunächst ein unerwarteter 5:1-Heimerfolg. Doch die Hoffnung auf die Sensation stirbt für Trainer Jupp Heynckes und sein Team im Bernabeu. Mit 4:0 setzen sich die "Königlichen" durch, auch weil Torwart Ulrich Sude patzt und marschieren anschließend bis ins Finale durch.
Bild: Norbert Schmidt/IMAGO
Der Betzenberg funkelt
Nach einer 1:3-Hinspielpleite in Madrid ist die Lage für den 1. FC Kaiserslautern im UEFA-Cup-Viertelfinale von 1982 nicht rosig. Doch im Rückspiel auf dem "Betze" gelingt Friedhelm Funkel ein früher Doppelschlag. Nach 14 Minuten steht es 2:0. Nach der Pause geht der Torreigen weiter - am Ende gewinnt der FCK mit 5:0 und schickt Camacho, Stielike (3.v.l.) und Co. beschämt nach Hause.
Bild: Roland Holschneider/Jörg Schmitt/dpa/picture alliance
Bomber Müller haut zurück
Das erste Kräftemessen im Europapokal entscheidet Gerd Müller (l.) für die Bayern. 1976 erzielt er im Halbfinal-Rückspiel des Landesmeister-Cups beide Tore zum 2:0-Sieg. Vielleicht eine Retourkutsche auf das, was nach dem Abpfiff beim 1:1 im Hinspiel Madrid passiert. Ein Real-Fan rennt auf den Platz und traktiert Müller und den Schiedsrichter mit Faustschlägen
Bild: dpa/picture alliance
Eine ganz eigene Sicht
Fast nur bittere Erfahrungen macht Mönchengladbach mit Real. Im März 1976 scheidet die "Fohlenelf" gegen die Madrilenen im Viertelfinale des Landesmeister-Wettbewerbs aus. Nach einem 2:2-Heimremis im Hinspiel ist beim Rückspiel in Madrid der niederländische Schiedsrichter Leo van der Kroft (r.) entscheidend. Er gibt zwei reguläre Tore der Borussia nicht - das Spiel endet 1:1. Gladbach ist draußen.
Bild: Sven Simon/IMAGO
Zwei Nummern zu groß
Keine Chance hat Eintracht Frankfurt 1960 im Finale des Europapokals der Landesmeister. Zwar erzielen die Frankfurter vor 128.000 Zuschauer im Glasgower Hampden Park drei Treffer, doch Real macht sieben. Dreimal di Stefano, viermal Puskas - dagegen ist kein deutsches Kraut gewachsen. Die Partie gilt noch heute als eines der besten Spiele aller Zeiten.