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Chelsea gegen Real: Das Duell der starken Männer

Max Merrill
4. Mai 2021

Das Halbfinal-Rückspiel der Champions League zwischen dem FC Chelsea und Real Madrid ist auch das Aufeinandertreffen zweier Schwergewichte im Internationalen Fußball - Florentino Perez und Roman Abramowitsch.

FC Chelsea - FC Sunderland Roman Abramowitsch
Roman Abramowitsch im Mai 2017 bei einem Heimspiel seines FC ChelseaBild: Kirsty Wigglesworth/dpa/picture alliance

Die Kameras mögen sich am Mittwochabend an der Stamford Bridge auf Thomas Tuchel und Zinedine Zidane fokussieren, doch die kürzlich gescheiterte europäische Super League hat den Blick auf die Handvoll Männer gelenkt, die Europas größte Klubs wirklich im Griff haben.

Real Madrid und der FC Chelsea sind zwei davon, und beide gehörten zu den Gründungsmitgliedern der unglückseligen Super League. Hinter beiden Klubs stehen mächtige Männer, doch Real-Präsident Florentino Perez und Chelsea-Besitzer Roman Abramowitsch haben ganz unterschiedliche Gründe, sich im europäischen Elitefußball zu engagieren.

Während Perez als einer der Hauptarchitekten des Super-League-Coups galt, gehörten Chelsea und Abramowitsch zu den ersten, die aufgrund von Fanprotesten ihren Ausstieg verkündet haben.

Good cop, bad cop? Nicht ganz! Abramowitsch ist normalerweise kein Eigentümer, der eine enge Beziehung zu den Fans seines Klubs sucht, trotz seiner Popularität. Und obwohl Perez ein mächtiger gewählter Präsident ist, gehört ihm der Verein, den er führt, nicht wirklich.

Die beiden Männer haben höchst unterschiedliche Visionen vom (Fußball-)Spiel - auch wenn beide letztlich dem gleichen Ziel nachjagen.

Bescheidene Anfänge

Der Zufall will es, dass beide Milliardäre zunächst eine Karriere im Ingenieurwesen anstrebten. Von Beruf Bauingenieur, versuchte sich der heute 74-jährige Perez als Stadtrat in Madrid und als Kandidat bei den spanischen Parlamentswahlen in der Politik, bevor er in die Bauindustrie wechselte. Derzeit ist er Vorsitzender und Miteigentümer von ACS, einem der weltweit führenden Bauunternehmen. Sein Nettovermögen wird auf 2,2 Milliarden US-Dollar (1,8 Milliarden Euro) geschätzt.

Geschäftsmann und Real-Präsident in Personalunion: Florentino PerezBild: Rodrigo Jimenez/Agencia EFE/imago images

Auch Abramowitsch absolvierte ein Ingenieurstudium und begann nach einem kurzen Einsatz in der Sowjetarmee seine unternehmerische Reise mit dem Verkauf von Gummienten in seiner Moskauer Wohnung.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion erwarb er 1997 die Kontrolle über 51 Prozent des Ölkonzerns Sibneft für 110 Millionen US-Dollar. Acht Jahre später verkaufte er seinen Anteil für etwas mehr als 13 Milliarden Dollar an Gazprom.

Die Unternehmen von Perez und Abramowitsch sind seit langem eng mit der Politik in ihren jeweiligen Ländern verflochten. Abramowitsch hatte enge Verbindungen zum ehemaligen russischen Präsidenten Boris Jelzin und schloss sich nach dessen Rücktritt im Jahr 1999 schnell Wladimir Putin an, um einem harten Durchgreifen gegen Oligarchen zu entgehen. 2008 gab Abramowitsch vor einem britischen Gericht zu, Milliarden Dollar an sogenannten "Krysha" oder Schutzgeldern gezahlt zu haben.

Perez seinerseits ergatterte mit seinem Unternehmen ACS in Spanien regelmäßig staatliche Bauaufträge, insbesondere während José María Aznar Premierminister war. Als Präsident von Real Madrid überwachte er den umstrittenen 500-Millionen-Euro-Verkauf des klubeigenen Trainingsgeländes, das dann zum neuen Finanzviertel der Stadt wurde, wo seine Firma in der Folge weitere große Bauaufträge erhielt.

Welche Motivation steckt dahinter?

Die Geschäftsgebaren beider deuten darauf hin, dass ihre Engagements im Sport nicht ganz uneigennützig sind oder gar alleine auf einer brennenden Leidenschaft für den Fußball beruhen.

Kampf auf Augenhöhe: Das Hinspiel in Madrid endete mit einem 1:1-UnentschiedenBild: Pierre-Phillippe Marcou/AFP/Getty Images

Premierminister sind nicht die einzigen hochkarätigen Gäste, die Perez regelmäßig bei den Spielen in Madrid begrüßt. An Spieltagen nutzt er das Stadion Santiago Bernabeu für Geschäftsabschlüsse innerhalb und außerhalb der Fußballwelt. Perez' Position bei Real verschafft ihm eine quasi-diplomatische Immunität, und er soll der sozialistischen Parteipolitikerin Matilde Fernández einmal gesagt haben, dass "Real Madrid eine spanische Marke ist, die über der Regierung steht".

Was Abramowitsch betrifft, so wurde spekuliert, dass sein Kauf des FC Chelsea im Jahr 2003 sogar durch Langeweile motiviert gewesen sein könnte. Schließlich erwirbt ein Mann mit einem Nettovermögen von 15 Milliarden US-Dollar nicht ein notorisch kapitalverzehrendes Objekt wie einen Fußballverein, um mehr Geld zu verdienen.

"Ich glaube nicht, dass die Übernahme besonders motiviert war, Geld zu verdienen", sagt Dan Silver, ein Sprecher des Chelsea Supporters Trust, gegenüber der DW. "Vielleicht wollte er sich ein schönes Spielzeugset kaufen, aber er ist so geheimnisvoll, dass alles über ihn Vermutung ist."

Abramowitsch selbst sagte "forbes" kürzlich, dass seine Motivation für den Kauf eines Fußballvereins von einer Faszination für die Unberechenbarkeit des Spiels herrühre.

"Die Tatsache, dass es keine festgelegte Formel gibt, um Fußballspiele zu gewinnen", sagte er. "Es gab so viel Emotion, so viel Aufregung. Ich erinnere mich, dass ich dachte: 'Ich möchte ein Teil davon sein.' Ich genoss und genieße immer noch die Unberechenbarkeit und zu sehen, wie jedes Spiel spielt."

Abramovic ist nicht der einzige wohlhabende Russe, der hochkarätige Kulturgüter in London kauft.

Im September 2018 stellte Russlands eigener Staatlicher Statistikdienst fest, dass russische Investoren britische Vermögenswerte im Wert von 3,5 Milliarden US-Dollar kontrollierten. Das britische Office of National Statistics bezifferte die Zahl auf über 25 Milliarden US-Dollar. Nach Zahlen, die "The Guardian" im Jahr 2018 nannte, sind es unter Berücksichtigung russischer Gelder die in Großbritannien über Offshore-Standorte wie die Kaimaninseln angekommen ist, fast 70 Milliarden US-Dollar.

Tatsächlich schätzt der französische Ökonom Thomas Piketty, dass mehr als die Hälfte des Gesamtvermögens der reichsten Russen - etwa 800 Milliarden US-Dollar - außerhalb Russlands gehalten wird.

Roman Abramowitsch hat gerufen, Thomas Tuchel ist gekommenBild: Andy Hoope/Solo Syndication/Daily Mail/picture alliance

Eine Untersuchung der "Times" enthüllte kürzlich, dass Abramowitsch selbst in Großbritannien Immobilien im Wert von mehr als 200 Millionen Pfund besitzt, zusätzlich zu seinen 1,3 Milliarden Pfund, die er seit 2004 in den FC Chelsea investiert hat.

Im Mai 2018, nachdem die Spannungen zwischen Großbritannien und Russland dazu geführt hatten, dass sich seine Visumsverlängerung verzögerte, zog Abramowitsch seinen Antrag zurück und hat seitdem die israelische Staatsbürgerschaft angenommen.

Absolute Macht?

In Spanien ähnelt die Eigentümerstruktur von Real Madrid auf den ersten Blick dem deutschen 50+1-Modell. Die Königlichen sind landesweit einer von nur vier Klubs, die von einem Gesetz aus dem Jahr 1990 ausgenommen sind, das alle Sportvereine dazu verpflichtet, private Aktiengesellschaften zu werden. Die Tatsache, dass sie sich im Besitz ihrer Fans befinden, verschafft ihnen auch eine fünfprozentige Steuererleichterung gegenüber ihren Konkurrenten.

Sogenannte "Socios", zahlende Mitglieder, von denen es über 90.000 gibt, besitzen offiziell den gesamten Klub und können bei Präsidentschaftswahlen abstimmen. Eine 2000-köpfige repräsentative "Mitgliederversammlung" befasst sich mit komplizierteren Angelegenheiten wie der Genehmigung des Vereinsbudgets und hat die Macht, den Präsidenten zu reglementieren.

Und tatsächlich ist es keine einfache Aufgabe, Präsident zu werden. Es gibt eine Reihe von restriktiven Voraussetzungen, um für die Wahl zu kandidieren, einschließlich der persönlichen Garantie von 15 Prozent des Klubbudgets. Während seiner 18-jährigen Amtszeit hat Perez eine Reihe von Änderungen an den Regeln vorgenommen, die es schwierig machen sollen, seine Macht in Gefahr zu bringen. Zum Beispiel muss ein Präsidentschaftskandidat nun zwanzig Jahre lang aktives Mitglied gewesen sein, im Gegensatz zu der früheren Anforderung von zehn Jahren.

Bei Abramowitsch ist es etwas unkomplizierter. Er kaufte Chelsea im Jahr 2003 für geschätzte 160 Millionen Euro, damals Rekord in der Premier League. Seit der Übernahme ist der Wert des Klubs laut Forbes auf geschätzte 3,2 Milliarden Dollar in die Höhe geschnellt. Der Verein war an einem Untermarkt der Londoner Börse notiert und Abramowitsch musste zahlreiche Aktionäre herauskaufen, um Chelsea wieder in Privatbesitz zu bringen. Er ist nun Eigentümer des Vereins in seiner Gesamtheit (außer dem Gelände und dem Namen des Vereins) und der einzige Aktionär.

Die Vorstellung von Zinedine Zidane (l.) als Real-Trainer im Januar 2016: Florentino Perez ist immer dabeiBild: picture-alliance/dpa/epa/V. Lerena

Noch unterschiedlicher pflegen die beiden Männer ihr Image in der Öffentlichkeit. Perez hat sich nie gescheut, der Presse seine Pläne mitzuteilen oder Fototermine mit den Reichen und Berühmten zu suchen. In Madrid wird er nur selten von lokalen Journalisten kritisiert und der 74-Jährige ist immer dabei, wenn Real einen neuen Spieler verpflichtet.

Der Preis des Ruhmes

Im Gegensatz dazu scheut Abramowitsch das Rampenlicht. Tatsächlich deutete er in einem Interview mit Forbes ein gewisses Bedauern über den Ruhm an, den ihm sein Kauf eingebracht hat. Und obwohl der 54-Jährige vor seinen Visa-Problemen regelmäßig die Heimspiele des FC Chelsea besuchte, scheint er nicht gewillt zu sein, sich als das Gesicht des Vereins zu zeigen.

"Roman hat nicht mit der Aufmerksamkeit gerechnet, die er bekam", sagt Silver. "Ich habe ihm einmal auf dem Spielfeld die Hand geschüttelt und er war wie ein Kaninchen, das im Scheinwerferlicht steht. Ich habe ihn nur einmal sprechen gehört."

Trotz seiner Zurückhaltung ist er bei den Chelsea-Fans nach wie vor sehr beliebt.

"Er ist immer ein großartiger Eigentümer für uns gewesen", sagt Silver. "Er hat den Verein transformiert und ist wohl einer der besten Eigentümer im Fußball. Man hat gesehen, was es für ihn bedeutet hat, die Champions League in München [2012] zu gewinnen. Er ist ein Fan und hat so viel Gutes in der Gemeinschaft getan, besonders während der Pandemie."

Perez dagegen erwies sich während des jüngsten Super-League-Debakels als ausgesprochen fanfeindlich. Während der FC Chelsea nach den Fanprotesten vor seinem Stadion als einer der ersten Vereine Einsicht zeigte und ankündigte, das Projekt aufzugeben, blieb Perez trotzig.

Die Super League war seine Erfindung, seine Lösung für die immensen finanziellen Probleme des Klubs und ein Weg, um zu verhindern, dass Real auf dem Transfermarkt hinter andere europäische Giganten zurückfällt. Er weigerte sich, die Niederlage einzugestehen und hofft, dass das Projekt auf Eis gelegt wird, bis die anderen Vereine ihre Meinung ändern werden. Diese Haltung brachte ihm viel Kritik von Real-Fans ein, aber es ist unwahrscheinlich, dass Perez seinen Posten als Präsident jemals freiwillig verlassen wird oder seine Macht im Verein in Frage gestellt wird.

Trotz ihres gemeinsamen Engagements in der Super League sahen sowohl Perez als auch Abramowitsch den Gewinn der Champions League immer als ihr höchstes Ziel. Wenn die beiden Mannschaften nun am Mittwoch im Flutlicht der Londoner Stamford Bridge aufeinandertreffen, wird es auf dem Platz nur einen Sieger geben.

Unabhängig davon aber - soviel hat die Vergangenheit gezeigt - werden die beiden Männer hinter den Kulissen weiter erfolgreich die Fäden ziehen.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel wurde am 6. Mai 2021 geändert, um Details über Herrn Abramowitschs Erwerb von Sibneft im Jahr 1997 und seinen Kauf des sogenannten "Krysha"-Schutzes in Russland zu verdeutlischen. In der vorherigen Version des Artikels wurde zudem fälschlicherweise behauptet, dass Herr Abramowitsch einen offiziellen Wohnsitz in London hatte und suggerierte, dass sein Kauf von Chelsea nichts mit einem Interesse am Fußball zu tun hatte, etwas, das Herr Abramowitsch selbst bestreitet.

Adaption: Calle Kops

 

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