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FDP: Liberale im Abseits

Monika Griebeler22. September 2013

Es ist das Ende einer Ära: 64 Jahre sind seit der Gründung der Bundesrepublik vergangen - und immer saß die FDP im Bundestag, mal als Regierung- und mal als Oppositionsfraktion. Jetzt ist Schluss.

FDP-Anhänger beim Blick auf die Wahlergebnisse der Bundestagswahl 2013 im Berlin Congress Center (Foto: Maurizio Gambarini/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Ein Absturz so tief, so schmerzhaft. Es sei die "bitterste Stunde für die FDP", sagte Christian Lindner von den Liberalen, als die ersten Hochrechnungen gerade erst veröffentlicht waren. Das vorläufige amtliche Endergebnis: 4,8 Prozent. Ein Verlust von rund 10 Prozentpunkten. Zum ersten Mal seit 1949 bekommt seine Partei keine Sitze im Bundestag.

Lindner, sonst eloquenter Strahlemann und Landesvorsitzender der FDP im westdeutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen, kämpfte sich versteinert durch dieses erste TV-Interview des Abends. So sieht Enttäuschung aus.

Vor allem, weil die FDP bei der vorherigen Bundestagswahl, 2009, noch ihr bestes Ergebnis eingefahren hatte: 14,6 Prozent. Und jetzt? Ein beispielloser Abstieg - vom Rekordhoch zum Rekordtief. Am Morgen (23.09.2013) nach der Wahl zog der Parteivorsitzende Philipp Rösler die Konsequenzen und kündigte im Parteipräsidium seinen Rücktritt an.

"Es war die Quittung für die Politik", sagt der Politikwissenschaftler Ulrich von Alemann. "Die FDP hat Fehler gemacht in ihrer Politik, ihrem Programm, in ihrem Wahlkampf und bei ihren leitenden Personen."

Eine 'parteiische' Partei

Vier Jahre dauert eine Legislaturperiode des deutschen Bundestages - für die FDP waren es vier Jahre Berg- und Talfahrt. Und abwärts ging es bereits unmittelbar nach der Wahl: Auf Druck der Liberalen und der CSU beschloss die Regierung, die Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen zu senken. Fast zeitgleich wurde eine Millionenspende eines Hotel-Unternehmens an die Partei bekannt. "Die FDP stand sofort als Klientelpartei, als Interessenpartei da, die den großen Steuerzahlern das Leben erleichtern wollte", so von Alemann.

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Parteiintern kamen personelle Querelen hinzu: Unter anderem sinkende Umfragewerte machten der FDP 2011 zu schaffen, und Guido Westerwelle kandidierte nicht erneut als Vorsitzender. Doch auch unter dem neuen Chef Philipp Rösler ging der Abwärtstrend weiter. Den Tiefpunkt erreichte die Partei 2012 bei der Wahl zum saarländischen Landtag: 1,2 Prozent der Stimmen - das schlechteste Ergebnis der Liberalen in einem westdeutschen Bundesland seit ihrer Gründung.

Hochs gab es vor allem, wenn sich die Kandidaten auf Länderebene von der Bundespartei absetzten: Christian Lindner zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen. Er erreichte 8,6 Prozent bei der Landtagswahl. Oder Wolfgang Kubicki im Norden Deutschlands, in Schleswig-Holstein mit 8,2 Prozent.

Einst klassischer Regierungspartner

Lindner und Kubicki half dabei ihr Profil - etwas, das auf Bundesebene fehlte: Außenminister Guido Westerwelle wird bescheinigt, im Amt gewachsen zu sein. "Aber außenpolitisch hat er nichts vorzuweisen, wo man sagt: Ja, Außenpolitik, klar, Westerwelle hat das und das erreicht", kritisiert Politikwissenschaftler von Alemann.

Zum Staatsmann geworden: vier Jahre lang war Guido Westerwelle deutscher AußenministerBild: picture-alliance/dpa

Dabei blickt die FDP auf eine besonders lange Zeit im deutschen Parlament zurück. 64 Jahre sind seit der Gründung der Bundesrepublik vergangen - und immer war die FDP im Bundestag gesessen, in der Regierung oder auf der Oppositionsbank.

Von 1969 bis 1998 regierten die Liberalen sogar durchgehend mit, trotz wechselnder Partner: erst mit der SPD, dann mit der Union. Keine andere Partei war länger durchgehend an der Macht. Doch die FDP war stets der kleine Partner.

Schuld ist auch die AfD

Und das wurde zum Teil des Problems: "Merkels Stärke wurde der FDP zum Verhängnis. Das Ausmaß des Verlustes ist in erster Linie der Kanzlerin und der Union geschuldet", urteilt von Alemann. Der Wahlerfolg 2009 habe vor allem auf Wechselwählern beruht. Die waren von der damaligen Großen Koalition, insbesondere von der CDU, enttäuscht. Und die seien jetzt weitergezogen.

Dass die FDP jedoch den Einzug in den Bundestag verpasst hat, liegt nach Ansicht des Politikwissenschaftlers an jemand anderem: "Ohne die Alternative für Deutschland (AfD) wäre die FDP sicher wieder in den Bundestag gekommen."

In den Umfragen vor der Wahl hatte sich das mögliche Ausscheiden der FDP bereits abgezeichnet: mal vier Prozent, mal sechs, immer knapp. Und dann, eine Woche vor der Bundestagswahl, hatten die Bürger im Bundesland Bayern die FDP aus dem Landtag in München gewählt. Aktuell ist die FDP damit nur in neun der 16 deutschen Bundesländer im Landtag vertreten, nur in einem ist sie an der Landesregierung beteiligt.

FDP-Anhänger am Wahlabend: leidgeprüft nach einer Serie von MisserfolgenBild: picture-alliance/dpa

FDP, was jetzt?

Zeit für einen Abgesang? Nein, sagt Politikwissenschaftler Ulrich von Alemann: "Die FDP ist zäh. Die FDP hat eine große Geschichte. Sie hat Mandatsträger überall, auch in den Kommunen. Sie ist fest verankert in der Gesellschaft, in der Öffentlichkeit - und deswegen ist das noch nicht das Ende der FDP."

Eine Bedingung: Der wirtschafts- und der bürgerrechtsliberale Flügel der Partei müssten wieder klar und glaubwürdig miteinander verknüpft werden. Möglicherweise der richtige Mann dafür: Christian Lindner, der einstige Generalsekretär. Die Niederlage sei so grundlegend und tiefgreifend, sagte er am Wahlabend: "Ab morgen muss die FDP neu gedacht werden."

Der Wiederaufbau wird mühsam. Aber dafür haben die Liberalen jetzt ja auch vier Jahre Zeit - bis zur nächsten Bundestagswahl.

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