Lindner und die One-Man-Show
29. April 2017"Rede der/des neugewählten Bundesvorsitzenden der Freien Demokraten" - so steht es in der vorläufigen Tagesordnung für den Bundesparteitag der FDP in Berlin. Doch Christian Lindner, der am Freitag mit 91 Prozent im Amt bestätigte Chefliberale, überlässt das Feld seiner Generalsekretärin Nicola Beer. Deren Rede war ursprünglich nach dem spontan gestrichenen Auftritt Lindners vorgesehen. Nun hat sie die große Bühne am Samstag für sich allein. Über die Gründe für die veränderte Parteitagsstrategie lässt sich trefflich spekulieren.
Dass es so kommen würde, kündigte Lindner schon während seiner als Rechenschaftsbericht bezeichneten Rede am Freitag an. "Ich mag diese Art von Reden eigentlich nicht, weil ich lieber zur Sache spreche", sagte er. Und redete dann aber vor allem zur entscheidenden Sache: wie die Rückkehr in den Bundestag gelingen soll. Das Rezept dafür steht im Programm für die Bundestagswahl am 24. September. Wirklich Neues steht nicht drin. Die Liberalen setzen auf altbekannte Themen: Bildung, Digitalisierung und finanzielle Entlastung der Bürger.
"Wir glauben an den Menschen"
Das sind dann auch die wichtigsten Themen der Generalsekretärin, denn ihre Aufgabe ist ausweislich der Tagesordnung die "Einbringung des Bundestagswahlprogramms". Über Beers Text steht ein typisch liberales Credo: "Wir glauben an die Menschen." Deren Entfaltungsmöglichkeiten sind aus FDP-Sicht durch zu viel Bürokratie und staatliche Bevormundung viel zu stark eingeschränkt. Dafür machen die Liberalen letztlich alle anderen Parteien verantwortlich.
Parteichef Lindner sagte am Freitag, in Zeiten des Wandels sei Angela Merkels "Weiter so!" genauso gefährlich wie das "Zurück" des sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten Martin Schulz. Viel Raum für neue Akzente blieb der FDP-Generalsekretärin nach der fast 80-minütigen Rede des Vorsitzenden nicht. Und hätte der am Samstag unmittelbar vor ihr noch einmal das Wort ergriffen, wäre es für Beer noch schwieriger geworden. Gemessen am Beifall sind die Delegierten am Ende sehr zufrieden mit ihrem Auftritt.
In der Außenwirkung bleibt Lindner der Alleinunterhalter
Ob gewollter oder zufälliger Nebeneffekt: Der FDP-Parteitag wirkt zumindest im Saal nicht wie die One-Man-Show des Christian Lindner. In der medialen Darstellung sieht das ganz anders aus: Lindner ist das Gesicht der Partei. Wahrscheinlich ahnt der Vorsitzende, damit auf Dauer überfordert sein zu können - nach außen wie nach innen. Wohin das führen kann, weiß die FDP aus eigener Erfahrung. In der Ära des im vergangenen Jahr verstorbenen Guido Westerwelle verengte sich der Blick am Ende völlig auf seine Person und sein Mantra von Steuersenkungen.
Und weil sich die FDP in der Koalition unter Kanzlerin Merkel mit ihren Vorstellungen nicht durchsetzen konnte, fand sie sich 2013 in der außerparlamentarischen Opposition wieder. Sollte bei der Bundestagswahl das Comeback gelingen, würde Lindner als Retter der FDP in die Geschichte eingehen. Spätestens dann soll es aber keine One-Man-Show mehr geben. Der erste Schritt auf dem Weg dorthin ist getan: mit dem Verzicht auf eine zweite lange Rede auf dem Berliner Parteitag. Wohl weniger aus Bescheidenheit, sondern aus Kalkül.