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Politik

FDP pocht auf Eigenständigkeit

17. September 2017

In der FDP herrscht Arbeitsteilung zwischen den Zugpferden: Partei-Urgestein Wolfgang Kubicki setzt auf Emotionen und Witz, FDP-Chef Christian Lindner geht beim Parteitag in Berlin mit klarem Profil in die Arena.

Wollen die FDP in den Bundestag führen: Christian Lindner (r.) und Wolfgang Kubicki
Wollen die FDP in den Bundestag führen: Der Parteichef Christian Lindner (r.) und sein Vize Wolfgang KubickiBild: picture-alliance/dpa/R. Hirschberger

FDP-Parteichef Christian Lindner hat klare Vorstellungen, wohin er seine Partei führen will. Nach der Bundestagswahl sei man "bereit zur Übernahme von Verantwortung", aber nicht um jeden Preis. Die FDP wolle gestalten und nicht nur protestieren, sagte Lindner beim Sonderparteitag der Liberalen. "Wenn es also möglich ist, in unserem Land Trendwenden zu erreichen, dann sind wir dabei. Wenn es aber nicht möglich ist, dann wäre Regieren verantwortungslos. Dann ist unsere Rolle Opposition", sagte Lindner. Der FDP-Chef sagte, die Partei gehe so eigenständig wie nie in die Bundestagswahl. "Wir schließen nichts aus, nur eins: Unsere Grundsätze zu verraten."

Zehn-Punkte-Katalog

Zur Umsetzung ihrer Ideen wollen die Liberalen auf dem Parteitag einen Katalog mit Kernforderungen für die Bundestagswahl beschließen. Die zehn "Trendwenden" für Deutschland sehen sie als Messlatte für einen möglichen Eintritt in eine Koalition. Unter anderem verlangt die Partei mehr Investitionen in die Bildung, den flächendeckenden Ausbau von schnellem Internetzugang und Steuerentlastungen.

Das Bildungswesen müsse "besser und moderner" werden. Die deutschen Schulen seien mit Overheadprojektoren und Röhrenfernsehern "zu einer Sammlung von Elektroschrott geworden", formulierte Lindner plakativ.

Steuerentlastungen

Alle "in der Mitte der Gesellschaft" sollen nach dem Willen der Liberalen von spürbaren Entlastungen profitieren, ebenso diejenigen, die in die Mitte noch aufsteigen wollten. Unter anderem soll der Solidaritätszuschlag mit dem Auslaufen des Solidarpakts 2019 abgeschafft werden. Allein bei der Steuer sei ein Entlastungsvolumen von 30 bis 40 Milliarden Euro im Jahr bis 2021 möglich, heißt es.

Bundesparteitag der FDP in BerlinBild: picture-alliance/dpa/R. Hirschberger

Außerdem will die FDP ein Einwanderungsgesetz, das zwischen einem "vorübergehenden humanitären Schutz für Flüchtlinge" und qualifizierter Zuwanderung in den Arbeitsmarkt unterscheidet.  "Das ist für uns eine Koalitionsbedingung, denn Deutschland wartet schon 20 Jahre auf ein solches Recht", sagte Lindner.

Energiepolitik - neu gedacht

Im Visier der Liberalen ist auch ein massiver Umbau der Energiepolitik. So fordert die Partei einen Wandel "von der planwirtschaftlichen Energiepolitik hin zu Innovation und Wettbewerb". Sie will die Erforschung neuer Antriebe, die Infrastruktur für E-Mobilität soll gestärkt werden. Allerdings ohne Weisungen der Politik: "Quoten und Verbote für bestimmte Antriebe im Auto oder Energieträger widersprechen aber der Technologieoffenheit". Auch Subventionen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz und Beihilfen für Elektroautos sollen abgeschafft werden.

Hinsichtlich der Zusammenarbeit mit der türkischen Regierung zeigt die FDP klare Kante: Diese müsse "ausgesetzt" und die EU-Beitrittsverhandlungen mit dem Land müssten beendet werden.

Die Konkurrenz gleich nebenan: Wahlplakate von Grünen und FDP Bild: Imago/R. Traut

Mit Blick auf die Kontrahenten um Platz drei hinter der SPD sagte Lindner mit Blick auf die AfD: es dürfe nicht sein, dass die Opposition im Bundestag von einer Partei mit "völkisch-autoritärem" Gedankengut geführt werde. Für die Grünen sieht Lindner wenig Chancen. Sie hätten keine Chance mehr, in dieses Rennen einzugreifen, sagte der Parteichef. Zur Linken äußerte sich Lindner gar nicht.

Mitgliederzuwachs

Lindner wies auch darauf hin, dass die FDP vor einem Jahr noch 53.000 Mitglieder gehabt habe, heute seien es mehr als 60.000. Tatsache ist: die Liberalen haben nach vier Jahren Abstinenz gute Chancen, wieder in den Bundestag einzuziehen. In Meinungsumfragen liegen sie derzeit bei neun bis zehn Prozent. Selbst Regierungsoptionen scheinen möglich - vor allem Schwarz-Gelb oder Schwarz-Gelb-Grün. Jedoch sieht hier Lindner wenig Chancen für ein Bündnis. In Umfragen ist der Hauptkonkurrent um Platz drei derzeit die AfD, die in einigen Umfragen vor den Liberalen liegt.

Kubicki, der Emotionale

Sieben Tage vor der Bundestagswahl hat auch der stellvertretende FDP-Chef Wolfgang Kubicki keinerlei Zweifel am Wiedereinzug seiner Partei ins Parlament. In seiner Rede vor den Delegierten sagte Kubicki, er wisse bereits jetzt, wie er das Wahlergebnis am kommenden Sonntag im Fernsehen kommentieren werde: "Erstens: Ich freue mich. Zweitens: Ich bin stolz. Und drittens: Ich geh' jetzt einen saufen." Nach einem Lachen im Publikum fügte er hinzu: "Natürlich alkoholfrei."

Vor einigen Jahren hätte sich niemand vorstellen können, dass die FDP in der Woche vor der Bundestagswahl in den Umfragen bei rund neun Prozent stehe, so der Parteivize. "Ich bin stolz auf diese Freie Demokratische Partei, die sich nicht den Mut hat nehmen lassen", sagte Kubicki und sprach von einer "Wiederauferstehung". Die FDP werde "wieder ernst genommen". In Richtung der AfD sagte Kubicki, er wolle nicht, dass die AfD Deutschland repräsentiere. "Es fängt mit der Verrohung der Sprache an und schließlich kommt Gewalt", warnte der Fraktionschef der Liberalen in Schleswig-Holstein.

cgn/haz (afp, dpa, rtr)

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