1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Rumäniens Regierung rudert zurück

Robert Schwartz
13. Juli 2017

Kaum zwei Wochen im Amt, hat die neue Regierung der alten Koalition in Bukarest mit großen Problemen zu kämpfen. Kontroverse Vorhaben des von den Sozialdemokraten geführten Kabinetts sorgen weiter für Unruhe im Land.

Rumänien Ministerpräsident Mihai Tudose im Cotroceni-Palast
Schwere Zeiten für den neuen Ministerpräsidenten Mihail Tudose (erste Reihe, links)Bild: Reuters/Inquam Photos/O. Ganea

Der Start der neuen rumänischen Regierung unter Premierminister Mihai Tudose Ende Juni sollte der seit Monaten schwelenden innenpolitischen Krise ein Ende setzen. Dies war zumindest das angekündigte Ziel der Sozialdemokraten (PSD) und ihres linksliberalen Junior-Partners ALDE. Der mächtige PSD-Chef Liviu Dragnea hatte die Reißleine gezogen und den eigenen Premierminister Sorin Grindeanu abgesetzt, weil dieser sich nicht länger den Befehlen aus der Parteizentrale unterordnen wollte. Dabei ging es vor allem um Änderungen im Bereich der Justiz und der Korruptionsbekämpfung.

Der wegen Wahlmanipulation vorbestrafte Dragnea, gegen den weitere Ermittlungen wegen Amtsmissbrauchs und Korruption laufen, hatte mit allen Mitteln versucht, Gesetze zu verwässern, um doch noch Ministerpräsident zu werden. Die gegenwärtige Gesetzeslage verbietet Vorbestraften, Regierungsämter zu übernehmen.

Viele falsche Schritte

Der neue, wegen einer Plagiatsaffäre nicht unumstrittene Premier Tudose sollte nun in einem zweiten Anlauf alles richtig machen - aus Dragneas Sicht zumindest. Doch der Start war mehr als holprig. Vor allem im Bereich Wirtschaft und Finanzen ließen die angekündigten Maßnahmen gleichermaßen Bevölkerung und Investoren aufschrecken. Eine Solidaritätssteuer für Reiche und eine Verschiebung der vorgesehenen Senkung der Mehrwertsteuer um ein Jahr sollte mehr Geld in die Staatskasse spülen. Besonders problematisch erschien die in der EU einmalige Absicht, die bestehende Gewinnsteuer für Unternehmen durch eine Steuer auf den Gesamtumsatz zu ersetzen. Die Steuerlast wäre dadurch für eine beträchtliche Zahl von Firmen gestiegen, viele befürchteten die Insolvenz. Experten warnten vor einer wirtschaftlichen Katastrophe.

Rumäniens starker Mann - Liviu Dragnea (r)Bild: Reuters/Inquam Photos/O. Ganea

Jetzt rudert Tudose zurück. Bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel am vergangenen Dienstag versicherte er, keine dieser Maßnahmen würden umgesetzt. Davor hatte es die ersten Differenzen zwischen ihm und seinem Parteiboss Dragnea gegeben. Inzwischen versucht auch dieser zu beschwichtigen. "Ehrliche Firmen" hätten keine Steueränderung zu befürchten, sagte er.

Kluft zwischen Worten und Taten

Doch auch die Normalverbraucher sind verärgert, weil Wahlversprechen nicht eingehalten werden. Das neue Regierungsprogramm sah für 2018 die Anhebung des Mindestlohns auf monatlich 2.000 Lei - umgerechnet knapp 440 Euro - vor. Dragnea sorgte auch hier für die Korrektur - nach unten: Auf einer Pressekonferenz sprach er von einem Kommunikations-Problem. Es sei vorgesehen, nächstes Jahr den Mindestlohn um 100 Lei auf 1.550 Lei (340 Euro) anzuheben.

Ganz allgemein klaffen zwischen den Versprechungen und den tatsächlichen Plänen der Regierung Tudose immer mehr Lücken. Dies gilt auch für das Justizwesen. Bei seinen Gesprächen in Brüssel versicherte er, über jede gesetzliche Änderung bei der Korruptionsbekämpfung mit allen beteiligten Institutionen und mit Vertretern der Zivilgesellschaft zu diskutieren. Sowohl EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker als auch Ratspräsident Donald Tusk hatten die rigorose Fortsetzung der Korruptionsbekämpfung durch eine unabhängige Justiz angemahnt. Nur einen Tag später brachte die rumänische Regierung einen Gesetzentwurf auf den Weg, der es künftig auch strafrechtlich verurteilten Personen nach deren "Rehabilitierung" erlauben soll, ein Regierungsamt zu bekleiden.

Der interne Machtkampf dauert an

Ob Dragnea tatsächlich Nutznießer einer solchen Änderung werden könnte, bleibt allerdings fraglich. Zur Zeit hat er ganz andere Probleme. Die Antikorruptionsbehörde DNA hat ihre Ermittlungen gegen den PSD-Chef ausgeweitet, nachdem die Enthüllungsplattform "Rise Project" einen mutmaßlichen Geheimdienst-Bericht über ein offenbar von Dragnea aufgebautes "kriminelles Netzwerk" veröffentlichte. Laut DNA gebe es "Hinweise auf Korruptionsdelikte" eines umstrittenen Bauunternehmens aus dem südlichen Landkreis Teleorman, dessen Mehrheitsinhaber Dragnea gewesen sein soll. Als jahrelanger Kreisratschef habe er zusammen mit anderen Lokalpolitikern das Netzwerk aufgebaut und staatliche Aufträge in Höhe von mehreren Hundert Millionen Euro erschlichen. Mit einem Teil des Geldes soll er seine Wahlkampagne finanziert haben.

Rumäniens Ministerpräsident Mihai Tudose: große Ankündigungen - große EnttäuschungBild: Reuters/Inquam Photos/O. Ganea

Die Ermittler vermuten, dass weitere Summen in Brasilien geparkt wurden. Die DNA stellte deshalb ein entsprechendes Rechtshilfeersuchen an die brasilianische Justiz. Dragnea selbst weist alle Vorwürfe von sich und vermutet hinter der ganzen Angelegenheit eine neue Verschwörung des amerikanischen Milliardärs ungarisch-jüdischer Herkunft George Soros, der ihn - Dragnea - beseitigen und die PSD zerstören wolle.

Dass in der PSD der interne Machtkampf durch die Ernennung der neuen Regierung nicht beigelegt wurde, ist offensichtlich. Dragneas Position scheint geschwächt. Dafür sprechen auch die äußerst kritischen Töne in den gleichgeschalteten Medien, die bisher Loblieder auf ihn angestimmt hatten. Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte dieser postkommunistischen Partei, dass sie ihren Chef bei Bedarf wie eine heiße Kartoffel fallen ließe.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen