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Feinde wie früher

Antje Passenheim16. Oktober 2013

Wenige Stunden vor Erreichen der Schuldengrenze haben Republikaner und Demokraten im Haushaltsstreit nun offenbar doch eine Einigung erzielt. Der Etatstreit erinnert manch einen an den amerikanischen Bürgerkrieg.

Das Kapitol in Washington (Foto AP).
Bild: picture-alliance/AP

Nordstaatler gegen Südstaatler. Das war gestern. Doch bis heute geht der Bürgerkrieg in den USA weiter, meint Stephan Richter, Herausgeber des Internetmagazins "The Globalist". "Jenseits der aktuellen Problematik muss man sich der Tatsache bewusst sein, dass die Leute, die heute gegen Präsident Obamas Gesundheitsreform sind und versuchen, das Budget zu sperren, aus denselben Bundesstaaten kommen, die damals für die Aufrechterhaltung der Sklaverei waren."

Etatfrage spaltet Amerika

Damals seien es elf Südstaaten gewesen, sagt Richter. Heute seien es zehn Staaten, die sich gegen die Gesundheitsfürsorge für die Armen wenden. "Mit Ausnahme von Arkansas sind das alles Südstaaten. Der entscheidende Punkt ist: Der Konflikt von 1865, als der Bürgerkrieg offiziell vorbei war, geht bis heute weiter", meint der aus Deutschland stammende Jurist, der seit 30 Jahren in den USA lebt.

Der Budgetstreit sei deshalb ein Stellvertreterkrieg. "Es geht darum, dass dieses Land sich verändert." So machten die früheren Minderheiten wie Afroamerikaner, Hispanics und Asiaten unter den Neugeborenen und Kindern inzwischen die Hälfte der Bevölkerung aus. "Da sieht man in den Südstaaten bei den alten, weißen Männern, die alle ihre Jobs im verarbeitenden Gewerbe verloren haben, dass die Strukturen dieses Landes sich abgrundtief verändern und dazu ist man dort nicht bereit", so Richter. Die Wut richte sich gegen einen schwarzen Präsidenten, der zum Sozialisten erklärt werde. "Das sind alles Oberflächenspiele. Den Gegnern Obamas geht es darum, den Wandel der Vereinigten Staaten zu verhindern – den soziologischen und den sozialen."

Amerika gespalten wie im Sezessionskrieg 1861bis 1865?Bild: Getty Images

Kampf gegen eine starke Zentralregierung

Ähnlich sieht es Politikwissenschaftler James Thurber. Die Konföderierten aus dem Süden seien ursprünglich ultrakonservative Demokraten gewesen, die sich mit dem Wandel der Parteien den Republikanern zuwandten, so der Direktor des Zentrums für Kongress- und Präsidentenstudien an der American University in Washington. "Der gleichgesinnte Süden ist gegen eine starke Zentralregierung - und folglich gegen Obamas Gesundheitsreform. Der Bürgerkrieg spiele sich heute aber in den Reihen der Konservativen ab, "geführt von Politikern am rechten Rand. Etwa 30 bis 40 von ihnen bekämpfen im Abgeordnetenhaus die Konservativen, die nicht radikal sind."

In Fällen wie dem derzeitigen Haushaltsstreit gebe es folglich wenig Chancen für Kompromisse. Was fehlt, meint Thurber, ist die dafür nötige Mitte. "Vor 30 Jahren machte die moderate Mitte noch etwa 30 Prozent der Mitglieder im Kongress aus. Das waren die Schlüsselblöcke, um Dinge voranzubringen. Heute sind es gerade zwei Prozent."

US-Regierungsmitarbeiter demonstrieren vor dem Kapitol in WashingtonBild: Reuters

Parallelen zum amerikanischen Bürgerkrieg

Zynischerweise dasselbe Verhältnis wie 1860, ein Jahr vor Ausbruch des Bürgerkriegs, weiß Thurber. Munition erhält der Konflikt aus den Wahlkreisen. Die werden nach dem herrschenden System des Gerrymandering alle zehn Jahre nach einer Volkszählung neu bestimmt. Die Grenzen zieht die jeweils regierende Partei eines Staates. Bedacht darauf, das Netz um die Stammwähler zu legen und sich damit die Mehrheit zu sichern. Rivalenkämpfe und Überraschungen gibt es lediglich bei der parteiinternen Vorausscheidung - den Primaries. Da diese wenige Wähler anziehen und dafür beliebt bei Anhängern der Ränder sind, können - wie jüngst im Fall eines Senators aus dem Bundesstaat Utah - schon 2100 Stimmen fürs Ticket in den Kongress reichen. "Die Politiker werden also bei den Vorwahlen von Wählern des ganz rechten oder linken Randes bestimmt", so Thurber. "Im Allgemeinen reflektieren diese nicht die Sicht der breiten Masse."

Nur wenige Staaten wie etwa Kalifornien verfahren anders. Dort achteten Kommissionen auf eine gesunde Mischung in den Wahlkreisen. Doch das reiche nicht. "Es gibt im Abgeordnetenhaus vielleicht 50 solcher Sitze, für die es einen echten Wettbewerb gab. Die anderen sind für die jeweiligen Parteien sichere Bänke."

Muss die Erzkonservativen besänftigen: John Boehner, Anführer der Republikaner im RepräsentantenhausBild: Reuters

Wahlbezirke führen zu Rissen durch Gesellschaft

Die ideologischen Gräben werden tiefer, warnt Thurber. "Der Riss verläuft mehr durch die politische Elite als durch die Bevölkerung. Die gegenwärtige Struktur ist nicht gesund für unsere Demokratie." Der Bürgerkrieg von damals mutiert zum Spielfeld radikaler Politik. Nur eine Reform, meint auch Publizist Richter, kann diese Zeitbombe entschärfen. "Dieses Land, wenn es zusammenkommen will, muss einheitliche Wahlbezirke haben, wo eine Durchschnittsmenge der Bevölkerung lebt, damit wir nicht nur liberale oder erzkonservative Distrikte haben und dieses Land sich weiter zerteilt in einer Art und Weise, die die ursprüngliche Idee Amerikas zerfrisst."

Bestätigt vom Haushaltsstreit treiben einige Regierungskritiker diese Teilung in Gedanken bereits weiter. Sie träumen von einer Abspaltung. Weg von der alles regulierenden Zentralregierung. Hin zu einer selbstbestimmten Verwaltung ohne Versicherungs- und Waffenregulierung. In extrem konservativen Kreisen in Texas etwa reden sie bereits von der "Republik Texas". Elf ländliche Bezirke in Colorado planen bereits ihr eigenes "New Colorado" und auch im Nordzipfel Kaliforniens gibt es Sezessionsgedanken.

Auf der Suche nach einem Kompromiss: Harry Reid, Mehrheitsführer der Demokraten im SenatBild: AP

In den Augen der dortigen Aktivisten wäre es die Abkehr von einem Bundesstaat, der sich lediglich auf die Wirtschaftsmetropolen Silicon Valley und Los Angeles konzentriert. "Worum es im Bürgerkrieg ging - also sich von den Unionsstaaten zu entfernen - das ist inzwischen ein landesweites Phänomen weit über die Südstaaten hinaus", weiß Richter. "Jeder, der konservativ ist und im Sprengel eines Bundesstaates lebt, meint jetzt, unabhängig werden zu müssen. Das ist perfide."

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