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"Pattsituation" im Handelsstreit USA-EU

Dirk Kaufmann
22. Juli 2019

Bewegung im transatlantischen Handelsstreit? Gabriel Felbermayr, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, zu Wirtschaftsminister Altmaiers Vorschlag, Industriezölle zwischen den USA und der EU abzuschaffen.

Deutschland Symbolbild Auto-Export
Bild: Getty Images/A. Koerner

Im Handelskonflikt mit den USA sind die Europäer nach Aussage von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier zu weitgehenden Zugeständnissen bereit. Man sei bereit, "die Zölle bei den wichtigen Industrieprodukten auf null zu senken", hatte Altmaier der Zeitung "Welt am Sonntag" gesagt. Das klingt auf den ersten Blick ganz toll, aber ist das mehr als nur eine PR-Nummer?

Ja, es ist schon mehr als nur eine PR-Nummer.Vor ungefähr einem Jahr hatten sich EU-Kommissionspräsident Juncker und Präsident Trump in Washington getroffen und diesen berühmten Waffenstillstand ausgehandelt. Dort hatte es schon geheißen: Wir streben ein Abkommen an, in dem alle Industriezölle auf Null gesenkt werden - außer bei den Autos. Dass Peter Altmaier jetzt genau darauf drängt, ist eigentlich ganz natürlich.

Die gegenwärtige Administration in den USA ist in ihrer Politik manchmal etwas erratisch. Ist es denn eigentlich sinnvoll, so eine weitgehende Vereinbarung mit Washington zu schließen oder ist nicht zu befürchten, dass jeden Tag ein neuer Tweet kommen könnte, nachdem sich dies und das ändern müsste?

Die US-Politik ist in der Tat erratisch. Was vor einem Jahr vereinbart wurde, das ist ja bisher nicht umgesetzt worden, weil die Amerikaner Abstand genommen haben von dem, was damals zugesagt wurde. Unter anderem beharrt die US-Regierung darauf, dass auch Agrarprodukte in die Verhandlungen aufgenommen werden sollten. Das ist aber für Europa ziemlich schwierig. Präsident Macron in Frankreich ist strikt dagegen.

Gleichzeitig aber wollen wir in Deutschland unbedingt, dass die Zölle auf Autos in ein solches Abkommen hineingeschrieben werden und da lässt sich aber Donald Trump alle Optionen offen. Denn er will ja weiter mit diesen Autozöllen drohen können. Selbst wenn die nicht kommen, hat diese Drohung hier eine Wirkung und führt dazu, dass die deutschen Autobauer tendenziell ihre Produktion in den USA ausweiten.

Wir haben eine ziemliche Pattsituation auf beiden Seiten des Atlantiks. Sowohl in Washington als auch in Brüssel ist man nicht so recht heiß drauf, diesen Vorschlägen des Herrn Altmayer wirklich zu folgen.

Professor Gabriel Felbermayr ist seit März 2019 Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel.Bild: picture-alliance/dpa/C. Rehder

Die Vorschläge des Bundeswirtschaftsministers sehen auf den ersten Blick aus wie eine Wiederbelebung der TTIP-Vereinbarungen für eine transatlantische Freihandelszone. Die ist ja in Europa umstritten gewesen und Donald Trump hat sie von vornherein abgelehnt. Ist der Altmaier-Vorstoß so etwas wie ein TTIP durch die Hintertür?

Nein. TTIP ist tot. Ich glaube nicht, dass man TTIP wiederbeleben kann. Da gab es zu viel Widerstände. TTIP ist auch falsch aufgegleist worden: Es wurden Inhalte verhandelt, die wirtschaftlich wenig Effekt hätten, aber hohen Widerstand hervorgerufen haben. Ich denke an die Schiedsgerichte - die brauchen wir nicht über den Atlantik. Aber was damals verhandelt wurde, das waren ja auch schon Zollsenkungen. Da hat man sich ja schon sehr weit aufeinander zubewegt. Wenn man diese Bereiche aus den TTIP-Verhandlungen jetzt wieder auf den Tisch legen würde und dort ernst machen würde, dann würde jedenfalls Europa von einem solchen Abkommen profitieren. Und auch die USA - unter der Bedingung, dass Agrarprodukte und Lebensmittel in die Verhandlungen einbezogen werden.

Agrarprodukte und die Schiedsgerichte waren gerade in Europa hoch umstritten. Da könnte der Altmaier-Vorstoß auch als Schuss nach hinten losgehen, wenn plötzlich in Europa - besonders in Deutschland - die Diskussion jetzt wieder losgeht. Wie etwa der Streit über die Chlorhühnchen...

Ja, ja: die Chlorhühnchen. Das war ein sehr symbolisches Thema. Zu TTIP-Zeiten stark aufgeladen mit der Angst in Europa, vor allem in den deutschsprachigen Mitgliedsstaaten, dass minderwertige amerikanische Agrarprodukte nach Europa kommen könnten. Ich fand das damals schon sehr übertrieben Es wäre schade, wenn eine Einigung mit den USA jetzt wieder an diesem unseligen Thema scheitern würde. Es ist klar dass, die TTIP-Verhandlungen überfrachtet waren. Es gab auch viele andere Themen, die wir heute nicht mehr so dringend sehen würden.

Jetzt geht es aber darum, den Bestand zu wahren, damit wir nicht eine weitere Eskalation bekommen. Wenn die Amerikaner Zölle auf europäische Autos verhängen würden, würde Europa sich wehren und gegenüber den USA Zölle verhängen. Das würde beiden Seiten großen Schaden zufügen. Deswegen ist ja auch Peter Altmaier so aktiv, um das zu verhindern.

Hat ihrer Einschätzung nach Altmaiers Vorschlag eine Chance auf Umsetzung oder wird das Ganze relativ schnell im Sande verlaufen?

Der Altmaier-Vorschlag hat das Problem, dass er den Agrarsektor nicht einbezieht und in der amerikanischen Geschichte hat noch nie ein Handelsabkommen den Segen des Kongresses erhalten, das den Agrarsektor ausgeklammert hätte. Wenn wir nicht die Franzosen überzeugen, auch die Landwirtschaft mit ins Paket einzubringen, dann wird das nichts. Und dann haben wir in Deutschland natürlich die Sorge vor den Autozöllen und anderen Industriezöllen, die uns ganz besonders stark treffen würden.

Gabriel Felbermayr, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, ist seit März 2019 Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel.

Das Interview führte Dirk Kaufmann.

 

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