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Feministische Außenpolitik - Wunsch oder Realität?

8. März 2022

Die Bundesregierung bekennt sich erstmals zu einer feministischen Außenpolitik - und die deutsche Chefdiplomatin Annalena Baerbock rückt das einstige Nischenthema nun im Schatten eines Krieges in den Vordergrund.

Ukraine-Konflikt - Baerbock
Außenministerin Baerbock im Gespräch mit Frauen im DonbasBild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Wo Krieg herrscht, scheint eine feministische Außenpolitik zunächst ein begrenztes Mittel gegen die Krieger zu sein. Schließlich ist es oberstes Ziel jeder Außenpolitik, es erst gar nicht so weit kommen zu lassen. Doch zugleich gewinnen feministische Ansätze in Konfliktsituationen an Bedeutung, denn gerade Frauen brauchen dann besonderen Schutz. 

Für Deutschland steht die neue Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) für das Thema wie kaum eine andere. Ob an der Kontaktlinie im Donbass oder bei der Pressekonferenz in Ägypten - die 41-jährige Chefdiplomatin, selbst Mutter zweier Kinder, spricht demonstrativ auch als Frau. Diese Perspektive gehört zum festen Bestandteil ihrer Reden. Auf Reisen trifft sie oft zuerst Frauen und NGOs vor Ort, bevor sie sich mit männlichen Regierungsvertretern an den Verhandlungstisch setzt. 

Aus der Ukraine geflohene Kinder am Berliner HauptbahnhofBild: Paul Zinken/dpa/picture alliance

Die Außenministerin setze "der Erzählung von geopolitischen Einflusszonen mächtiger Staaten ohne Skrupel eine andere Geschichte entgegen, die von menschlicher Sicherheit und Menschenrechten", sagt die Grünen-Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger. So definierte Baerbock kürzlich bei der Münchner Sicherheitskonferenz das Minsker Abkommen im Sinne der feministischen Außenpolitik: "Es ist nicht nur ein Verhandlungsformat oder ein technischer Begriff." Es gehe um "menschliche Sicherheit. Es geht darum, ob Familien, Kinder in der Mitte Europas, in der Mitte unseres Europas, sicher und in Frieden aufwachsen können", sagte Baerbock - und zitierte Mütter, die sie auf der Reise in den Donbass Anfang Februar getroffen hatte: "Erst wenn Frauen sicher sind, sind alle sicher". 

Die Sicherheit in Frauen-Hand 

Auch im Koalitionsvertrag bekennt sich die neue Bundesregierung klar zur feministischen Außenpolitik: "Gemeinsam mit unseren Partnern wollen wir im Sinne einer Feminist Foreign Policy Rechte, Ressourcen und Repräsentanz von Frauen und Mädchen weltweit stärken und gesellschaftliche Diversität fördern", so der Wortlaut im Koalitionsvertrag. Deshalb wolle man "mehr Frauen in internationale Führungspositionen entsenden."

Ministerin Baerbock mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba beim Besuch der Holodomor-GedenkstätteBild: Efrem Lukatsky/AP/picture alliance

Dementsprechend sind in der neuen Bundesregierung erstmals alle sicherheitsrelevanten Ressorts mit Frauen an der Spitze besetzt. Das Außen-, Verteidigungs- und das Innenministerium sind in Frauen-Hand, ebenso sind Bundeswehr-Beauftragte und Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag Frauen. Doch Personalien allein sind weniger das Ziel. 

Zuständig für mehr feministische Außenpolitik im deutschen Außenministerium ist ausgerechnet ein Mann: Staatsminister Tobias Lindner von den Grünen. "Es soll nicht nur ein Frauenthema bleiben. Es geht nicht um weibliche Besetzung von Ämtern, sondern darum, dass die Frauenperspektive auf die Konflikte sichtbar wird - und in diesem Fall sorgt eben ein Mann dafür", kommentiert Brugger. 

"Es ist nicht die Frage, dass jetzt Frauen kommen und dann gibt es weniger Krisen, das wäre naiv", sagt die Vorsitzende des Verteidigung-Ausschusses im Bundestag, Agnes-Marie Strack-Zimmermann. Der Konflikt in der Ukraine könne nicht durch Frauen schnell gelöst werden, aber das ändere nichts daran, dass man "weltpolitisch die rein männliche Sicht aufbrechen" müsse, sagt die FDP-Politikerin. 

100 Jahre in kleinen Schritten 

Der Begriff "feministische Außenpolitik" bzw. "feministischer Ansatz" ist nicht neu. "Er geht mindestens auf das Jahr 1915 zurück, als 1200 Frauen in Den Haag zusammengekommen waren und nicht nur das Ende des Ersten Weltkriegs gefordert hatten, sondern auch 20 Resolutionen beschlossen", sagt Kristina Lunz, Gründerin des Centre for Feminist Foreign Policy (CFFP) und Autorin des Buches "Die Zukunft der Außenpolitik ist feministisch". Die wenigsten Forderungen seien bis heute erfüllt. Es sei verständlich, dass die Militärausgaben in Deutschland aktuell steigen sollen, sagt Kristina Lunz, fordert aber zugleich eine adäquate Stärkung von Menschenrechtsorganisationen. 

Noch vor ein paar Jahren sei der feministische Ansatz "als naiv belächelt worden", erinnert sich Strack-Zimmermann. Sie selbst habe das auch getan, gibt die Politikerin zu. Inzwischen sei sie fest davon überzeugt, dass die feministische Außenpolitik eine sicherere Welt für ihre Kinder und Enkel bedeuteten. 

Feminismus heißt nicht "gegen den Mann"

Dass Deutschland lange nicht zu offensiv für feministische Außenpolitik warb, sei auch eine Generationenfrage, so Strack-Zimmermann. "Früher waren viele Männer nervös, wenn sie das Wort Feminismus hörten, weil Feminismus in meiner Generation 'gegen den Mann' bedeutet", sagt sie. Bei Jüngeren würde sich aber die Frauen-Sicht durchsetzen. "Es ist wichtig zu verstehen, dass es im Kriegsgeschehen nicht nur um die Frage geht, wer hat die größte und längste Waffe, sondern was passiert mit den Menschen, deren Männer im Krieg sind und die zuhause versuchen, ein möglichst normales Leben für die Kinder zu führen", sagt die 63-jährige Liberale.
Gerade Frauen warfen auch der einst "mächtigsten Frau der Welt", Ex-Kanzlerin Angela Merkel, vor, nicht genug ihr Geschlecht zu stärken. Zwar bezeichnete sich die Bundeskanzlerin selbst am Ende ihres politischen Lebens als Feministin, doch war es ein langer Weg, auch für sie. 

Gruppenbild mit Dame: Der G20-Gipfel im Oktober 2021 in RomBild: Jeff J Mitchell/Getty Images

International war Merkel dennoch das Frauengesicht. Das wird symbolisch auch das nächste Foto zum G20 Treffen zeigen. Die Bundeskanzlerin vertrat zuletzt als einzige Frau die G20-Länder. Jetzt müssen sich Frauen in diese Gruppe erst einmal wieder reinkämpfen. 

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