Im Festjahr "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" gab es bundesweit rund 2200 Projekte. Bis Sommer gibt es eine Verlängerung. Zeit für eine Zwischenbilanz.
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DW: Herr Kovacs, das Festjahr "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" geht zu Ende - wenngleich die Feierlichkeiten coronabedingt noch bis zum Sommer 2022 weiterlaufen. Es war ein turbulentes Jahr: Nahostkonflikt, Übergriffe auf Synagogen, zunehmender Antisemitismus, Corona. Konnten Sie trotzdem feiern?
Andrei Kovacs: Seitdem wir mit den Planungen für das Festjahr im Sommer 2019 begonnen haben, haben wir tatsächlich zahlreiche Herausforderungen erlebt. Wir haben das Festjahr bewusst so als Festjahr benannt. Denn wir wollten feiern, dass es trotz der brutalen Anschläge, trotz des heute wieder erstarkenden Antisemitismus, aber auch trotz der wechselhaften Geschichte und der Shoa - dass trotzdem heute wieder jüdisches Leben in Deutschland existiert. Diese Resilienz soll gemeinsam mit vielen Projektpartnern gefeiert werden. Es beteiligen sich rund 1000 geförderte und nicht geförderte Projektpartner bundesweit am Festjahr. Über 2200 Veranstaltungen sind in unserem Kalender bis heute aufgeführt. Und wir feiern mit vielen Menschen und Institutionen gemeinsam. Wir beobachten, dass sich neue Netzwerke, neue Allianzen bilden. Das zeigen zum Beispiel die über 40 unabhängigen Themenseiten zu 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland, die wir auch auf unserer Webseite aufgeführt haben. Sie zeigen, dass sich Bundesländer, Medienanstalten und Institutionen auch mit eigenen Formaten an dem Festjahr beteiligen. Es haben sich 30 Städte aus 13 Bundesländern beteiligt, darunter waren auch 23 jüdische Gemeinden. Also ich empfinde das als einen Erfolg, denn wir konnten feiern, trotz der vielen Hürden, die uns die Realität gestellt hat.
Jung, jüdisch, deutsch
26:01
Welche Höhepunkte gab es für Sie persönlich?
Neben vielen Leuchtturmveranstaltungen war für mich einer der Höhepunkte, als mir die Vorsitzende einer jüdischen Gemeinde erzählte, dass ihre Gemeinde das erste Mal seit 76 Jahren den Mut gefasst hat, jüdisches Leben im öffentlichen Raum darzustellen. Und zwar gemeinsam mit neuen, nicht jüdischen Partnern. Das war ein erster kleiner Schritt. Ich denke, das muss noch nachhaltig verankert werden. Was mich auch fasziniert, ist das Interesse der ausländischen Presse und auch der Menschen aus anderen Ländern an dem Festjahr, in Europa und weltweit. Auch das Auswärtige Amt hat sich beteiligt. Über 20 Veranstaltungen fanden in internationalen Auslandsvertretungen der Bundesrepublik weltweit im Rahmen des Festivals statt. Das war für mich überwältigend und zeigt, wie wichtig diese Arbeit ist - nicht nur für uns, um die jüdische Gemeinschaft hier in Deutschland zu stärken und ihr eine Zukunft zu geben, sondern auch mit Blick ins Ausland. Viele Nachfahren aus jüdischen Familien, die der Shoa zum Opfer fielen und überall in der Welt leben, wollen erfahren: Wie geht eigentlich Deutschland heute mit jüdischem Leben um? In einem Land, in dem erst vor 76 Jahren das brutalste Verbrechen der Menschheitsgeschichte erfunden wurde.
Von Jom Kippur bis Rosch Ha-Schana: Jüdische Feiertage
Am 25. September 2023 feiern Juden auf der ganzen Welt "Jom Kippur". Es ist der höchste jüdische Feiertag. Wie die Juden diesen und andere heilige Tage begehen, verrät unsere Bildergalerie.
Bild: David Silverman/Getty Images
Jom Kippur: der Versöhnungstag
Zehn Tage lang bereuen die Juden ihre Missetaten. Bei der Kaparot-Zeremonie sollen ihre Sünden in ein Huhn fahren (Foto). Am zehnten Tag wird der wichtigste Feiertag, Jom Kippur, als strenger Fastentag begangen. Nicht nur essen und trinken, auch Körperpflege ist untersagt. An diesem Tag fällt Adonai - jüdisch für Gott - sein Urteil über die Menschen. Gläubige beten den ganzen Tag in der Synagoge.
Bild: Menahem Kahana/AFP/Getty Images
Rosch Ha-Schana: das jüdische Neujahrsfest
Bei dem zweitägigen Fest im September sollen sich die Menschen vom Bösen abwenden und Gutes tun, denn an Rosch Ha-Schana (Anfang des Jahres) müssen sie Gott Rechenschaft ablegen. Der Klang des Schofars, eine Posaune aus Widderhorn, mahnt die Gläubigen zur inneren Einkehr - wie vor 2000 Jahren. Im Judentum darf Gottes Name nicht benutzt werden, man spricht ehrfürchtig vom Allmächtigen oder "G'tt".
Bild: Abir Sultan/epa/dpa/picture alliance
Pessach: Fest der ungesäuerten Brote
An Pessach wird des Auszugs der Juden aus Ägypten gedacht. Orthodoxe Gläubige pilgern dann zur Klagemauer in Jerusalem. Beim achttägigen Pessach-Fest wird nichts Gesäuertes gegessen, die Vorfahren hatten auf der Flucht nur ungesäuertes Brot dabei. Die Familie trifft sich zum Festmahl, ein Brauch auch unter säkularen Juden. Orthodoxe reinigen alle Küchengeräte, damit das Essen koscher bleibt.
Bild: Uriel Sinai/Getty Images
Schawuot: Fest der Erstlinge
Laut Überlieferung verkündete Gott dem jüdischen Volk am Berg Sinai die zehn Gebote, und daher gilt Schawuot als Tag der "Tora-Gebung". Außerdem ist er das "Fest der Erstlinge", an dem in Israel das erste Getreide reif ist und auch einige Früchte geerntet werden können. In biblischen Zeiten wurden an diesem Tag im Jerusalemer Tempel zwei Weizenbrote aus dem Mehl der neuen Ernte geopfert.
Die Wochen zwischen Pessach und Schawuot gelten als Trauerzeit. Dann dürfen sich Juden weder die Haare schneiden noch Hochzeiten feiern. Doch am 33. Tag wird die Trauerzeit unterbrochen und das Freudenfest Lag BaOmer gefeiert. Zur Erinnerung an Schim’on Bar Jochai, der zur Zeit der Römer heimlich in einer Höhle versteckt die Tora studierte. Noch heute werden ihm zu Ehren im Mai Feuer entzündet.
Bild: Lior Mizrahi/Getty Images
Sukkot: das Laubhüttenfest
Vor 3000 Jahren führten die Israeliten unter dem ägyptischen Pharao ein Leben in Sklaverei. Moses erhielt von Gott den Auftrag, sie ins gelobte Land Kanaan zu führen. 40 Jahre soll die Wanderung durch die Wüste gedauert haben. Unterwegs lebten sie sie in "Sukkot" (Hütten). Daran erinnert das Laubhüttenfest, das jüdische Erntedankfest. Gläubige ziehen im Herbst nach Obsternte und Weinlese dort ein.
Bild: Annette Riedl/dpa/picture alliance
Simchat Tora: Feier zu Ehren der Tora
Das Sukkot endet mit dem "Schemini Azeret" und dem "Simchat Tora"-Fest: Das erste markiert den Winterbeginn, das zweite ist das Freudenfest der Tora, der jüdischen Bibel. Alle Torarollen der Synagoge werden aus dem Schrein gehoben und in einem fröhlichen Umzug siebenmal durch das Gebetshaus getragen. Dazu tanzt der Rabbi. Anschließend wird ein Segensspruch auf die Tora gesprochen.
Bild: Hanan Isachar/picture alliance
Chanukkah: das Lichterfest
Zwei Jahrhunderte lang duften die Juden unter der Herrschaft der Griechen ihre Religion nicht ausüben, doch im Jahr 164 v. Chr. eroberten sie Jerusalem zurück. Im Tempel fand sich ein Ölkrug, um den Leuchter zu entzünden. Aber das Öl reichte nur für eine Nacht. Am Ende brannte es acht Tage lang: ein Wunder. Deshalb wird an Chanukka acht Tage täglich mit einem Dankesspruch eine Kerze entzündet.
Bild: Ronen Zvulun/REUTERS
Tu Bischwat: das Neujahrsfest der Bäume
Der Feiertag im Januar markiert das Ende der Regenzeit, bis dahin sollen die Pflanzen in Ruhe wachsen dürfen. Traditionsgemäß werden an Tu Bischwat die Früchte gemeinsam verspeist, die Israel zu bieten hat: Weintrauben, Nüsse, Feigen, Datteln, Oliven, Granatäpfel und Getreide. Mittlerweile ist es in Israel auch ein Tag des Umweltschutzes, an dem die Menschen im ganzen Land Setzlinge pflanzen.
Bild: Photoshot/picture-alliance
Purim: Freudenfest und jüdischer Karneval
Einst wollte der persische Minister Haman alle Juden ausrotten, steht in der Tora. Doch Ester, die jüdische Frau des Königs, rettete ihr Volk. Wenn der Rabbi ihre Geschichte vorliest, wird bei der Erwähnung des Judenhassers Haman mit Rasseln Krach gemacht. Außerdem ermuntert der Talmud dazu, sich beim Festmahl danach aus Freude zu betrinken. Auf den Straßen feiern die Menschen bunt verkleidet.
Bild: Omer Messinger/ZUMAPRESS/picture alliance
Sabbat: der wöchentliche Ruhetag
Der Sabbat dauert vom Sonnenuntergang am Freitag bis Samstagabend. Arbeit ist verboten, gläubige Juden besuchen an diesem Tag die Synagoge. Am Sabbat darf kein Feuer entzündet werden, das gilt auch für elektrisches Licht oder den Herd. Die Kerze für das Festmahl im Kreis der Familie wird daher schon am Werktag entzündet. Zur Trennung von Feiertag und Werktag wird ein Segen gesprochen.
Bild: P Deliss/Godong/picture-alliance
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Feste wie das jüdische Laubhüttenfest, das Sukkotfest, wurden in einem XXL-Format gefeiert. Zum ersten Mal durften auch Nicht-Juden daran teilnehmen. Wie wurde diese Einladung aufgenommen?
Zu Sukkot sollen immer auch Gäste in die Laubhütte eingeladen werden. Leider müssen jüdische Feste aus Sicherheitsgründen zumeist unter Polizeischutz stattfinden und es ist schwer, wenn externe Gäste mit dazukommen möchten.
Das hängt sicher auch damit zusammen, dass diese Feiern traditionell im privaten Rahmen stattfinden ...
Das ist richtig. Eines der schönen Ergebnisse war es, zu sehen, dass viele junge, vor allem junge jüdische Menschen, für die es selbstverständlich ist, zu einer modernen Gesellschaft dazuzugehören, dies auch selbstbewusst zeigen konnten. Und dazu gehört auch, dass man nach außen hin selbstbewusst auftritt. Viele jüdische Gemeinden waren bereit, die Netzwerke wieder neu zu spannen, und haben mit nichtjüdischen Institutionen und Städten kooperiert. Es hat hoffentlich gezeigt, dass solche Formate eine Zukunft haben und wir viele dazu motivieren können, eben auch im größeren Rahmen gemeinsam zu feiern. Um ein Verständnis zu entwickeln, sich kennenzulernen, für eine gemeinsame Zukunft. Die Hoffnung ist, hier einen gewissen empathischen Zugang zum jüdischen Leben zu ermöglichen. Eben nicht nur theoretisch, sondern sich tatsächlich zu begegnen, gemeinsam schöne Momente zu erleben, Brücken zu bauen - für Empathie und Respekt.
Konnten Sie Schulen einbeziehen, in denen meist der Holocaust der einzige Berührungspunkt zum Thema ist?
Wir haben erste Ansätze, Schulen einzubinden, auch durch eine Kooperation mit den UNESCO-Projektschulen, Kulturveranstaltungen im Bildungsbereich, die unter dem Dach des Vereins regelmäßig stattfinden, in denen auch Schulen eingebunden werden. Hier reden wir immer auch über die Vermittlung jüdischen Lebens heute. Wir haben dankenswerterweise zwei 50-Prozent-Lehrkräfte vom Land Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellt bekommen, die sich im Namen des Vereins mit dem Thema beschäftigen. Natürlich versuchen wir, etwas zu bewegen. Aber wir wissen, dass es nicht einfach ist. Jedes Bundesland und die Schulen bestimmen selbst, was in Schulplänen vertieft behandelt wird. Aber wir haben erste gute Ansätze. Wir haben zum Beispiel mit Partnern einen 3D-Film produziert, der vor einigen Wochen veröffentlicht wurde, in dem wir versuchen, 1700 Jahre jüdisches Leben für junge Menschen, für Schüler zugänglich zu machen. Die Idee dahinter war, moderne Formate für die Verwendung im Unterricht zu entwickeln und anzubieten. Der Film ist kurz und prägnant. In dem Film wird eben nicht nur die Geschichte, sondern auch die Gegenwart jüdischen Lebens heute in Deutschland aufgegriffen.
Sie wollten das Festjahr möglichst offen feiern. Ist Ihnen das gelungen oder mussten Sie die Veranstaltungen mit viel Polizeipräsenz schützen?
Die Realität ist leider, dass aus Sicherheitsgründen eine Veranstaltung zu jüdischem Leben nicht ohne Polizeischutz stattfinden kann. Auch das ist Teil jüdischen Lebens in Deutschland. Trotzdem kommen viele Gäste zu den Veranstaltungen. Das Jahr wurde coronabedingt bis Juli 2022 verlängert. Wir hoffen natürlich, dass es dabei bleibt und wir auch weiterhin nicht durch Zwischenfälle belästigt oder sogar bedroht werden.
Gerade erst wurde der eigentliche Anlass des Jubiläumsjahres begangen: Am 11. Dezember 321 hat Kaiser Konstantin ein Dekret erlassen, das Juden erlaubte, Teil des Stadtrats zu sein. Mit bundesweit 1700 gehissten Flaggen hat der Jubiläumsverein 1700 Jahre jüdisches Leben an dieses historische Dokument erinnert. Wer hat sich an der Aktion "Flagge zeigen" beteiligt?
Wir wollten gemeinsam Flagge zeigen gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben, im öffentlichen Raum, ohne sich zu verstecken, für alle sichtbar. Es reicht nicht aus, in abgeschlossenen Räumen über Antisemitismus zu sprechen. Jeder Mensch muss überall aufstehen, wenn er antisemitische Vorurteile, rassistische Vorurteile zur Kenntnis nimmt. Mit der Aktion haben wir gemeinsam mit vielen Menschen und Institutionen über 1700 Flaggen im ganzen Land gehisst, gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben. Wir sind dankbar für eine breite Beteiligung und haben wunderbare Bilder von stolzen Menschen, die sich zeigen und gemeinsam gegen Antisemitismus einstehen.
Ist es Ihnen manchmal mulmig zumute, wenn Sie sehen, wie unverhohlen antisemitisch die AfD in Deutschland auftritt?
Ja, natürlich beobachte ich das persönlich mit Sorge. Aber Antisemitismus beschränkt sich nicht nur auf eine Partei. Antisemitisches Gedankengut steckt laut empirischen Studien im Kopf von jedem vierten Deutschen.
Wir versuchen, dem entgegenzuwirken. Deutsche Juden sind eine postmigrantische Gruppe. Wahrscheinlich haben über 95 Prozent der jüdischen Menschen in Deutschland selber oder über die Eltern und Großeltern einen migrantischen Hintergrund. Das deutsche Judentum vor der Shoa ist heute nicht mehr existent. Nur wer für eine plurale Gesellschaft steht, kann für jüdisches Leben in Deutschland kämpfen.
2200 Veranstaltungen fanden im Festjahr statt. Das klingt nach einer Erfolgsstory. Was muss denn jetzt getan werden, damit es eine Erfolgsstory bleibt?
Also zum einen haben wir die zukunftsorientierte Erinnerungskultur, die brauchen wir auch weiterhin. Das ist keine Frage. Es ist wichtig für alle, aus der Vergangenheit zu lernen und sicherzustellen, dass eine solche Menschheitskatastrophe nie wieder passiert. Hier braucht es aber einen Paradigmenwechsel in der Erinnerungs- und Gedenkkultur. Denn die Generation, die aus erster Hand über die Menschheitsverbrechen berichten kann, existiert bald nicht mehr. Die Shoa wird zu einem Teil der Geschichte. Wir müssen aufpassen, dass wir hier nicht vergessen und uns distanzieren. Deshalb ist eine zukunftsorientierte Erinnerungs- und Gedenkkultur sehr wichtig. Auf der anderen Seite ist es wichtig, dass man weiterhin auch ein realistisches Bild der in Deutschland lebenden Juden vermittelt. Natürlich frei von Vorurteilen und stereotypen Denken, aber auch frei von verklärten romantischen Vorstellungen, die man sehr oft von jüdischem Leben hat. Nur so kann meiner Meinung nach ein unverkrampftes Miteinander möglich werden. Ich hoffe, wir konnten mit dem Festjahr etwas dazu beitragen. Meine Kinder wollen nicht nur mit Holocaust und nicht nur mit Geschichte in Verbindung gebracht werden, sondern sie leben im Jetzt, im Heute und wollen sich mit einer eigenen Zukunft in Deutschland beschäftigen.
Der Musiker und Unternehmer Andrei Kovacs stammt aus einer jüdisch-ungarischen Familie. Seine Großeltern überlebten das Budapester Ghetto und das Konzentrationslager Bergen-Belsen. Der 46-Jährige ist leitender Geschäftsführer des Vereins "321-2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland".
Das Gespräch führte Sabine Oelze.
Judentum: Wie man richtig koscher isst
Lamm ist erlaubt, Schweinefleisch nicht, Milch unter bestimmten Umständen. Die jüdisch-orthodoxen Speisevorschriften sind gar nicht so einfach umzusetzen.
Bild: Rafael Ben-Ari/Newscom/picture alliance
Koscher oder trefe?
Die jüdischen Speisevorschriften sind einem strengen Regelwerk unterworfen, das auf der Tora beruht. In der Heiligen Schrift wird genau erklärt, was zum Verzehr geeignet, also koscher - unbedenklich - ist und welche Speisen man meiden muss, was "trefe" ist. Insbesondere ultraorthodoxe Jüdinnen und Juden folgen den strengen Geboten.
Bild: Reuters
Fleisch nur geschächtet
Der Genuss von Blut ist in der koscheren Küche strikt verboten, daher müssen Tiere bei der Schlachtung komplett ausbluten. Dazu wird ihnen mit einem scharfen Messer die Kehle durchschnitten - allerdings ohne Betäubung, da das Blut sonst gerinnt. Diesen Vorgang nennt man Schächten. In der heimischen Küche wird das Fleisch dann durch Wässern und Salzen auch vom letzten Rest Blut befreit.
Bild: Abir Sultan/epa/dpa/picture alliance
Nicht alle Tiere sind essbar
Nicht alle Tiere sind laut Tora zum Verzehr freigegeben. Nur Säugetiere, die wiederkäuen, vier Füße und gespaltene Hufe haben, wie Schafe oder Rinder, dürfen auf den Speiseplan - Schweine, Pferde, Kamele oder Hasen sind "trefe". Als Schächter kommt nur ein orthodoxer Jude infrage, der von einem Rabbi in seinem Amt bestätigt werden muss.
Bild: Reuters
Huhn ja, Storch nein
Federvieh darf auch auf dem Teller landen. Aber Vorsicht: Geflügel ist nur dann koscher, wenn die Tierarten domestiziert und keine Raubvögel oder Aasfresser sind. Hühner, Gänse, Enten und Tauben kann man also problemlos essen - solange sie geschächtet wurden. Straußenvögel, Adler oder Störche hingegen sind tabu.
Bild: Rafael Ben-Ari/Chameleons Eye/Newscom/picture alliance
Fisch nur mit Flossen
Fische müssen Schuppen und Flossen aufweisen, damit sie als koscher gelten. Als "trefe" gelten also Aal, Hai oder Stör (und somit auch Kaviar). Das gilt auch für Krebse, Krabben Tintenfische oder Muscheln: Gemäß der Tora dürfen Jüdinnen und Juden nichts davon essen.
Bild: DW/M. Al-Saidy
Tabu: Froschschenkel
In Frankreich gelten sie als Delikatesse, auf der koscheren Speisekarte haben Froschschenkel nichts verloren. Genauso wenig wie Kriechtiere, Schlangen, Insekten oder Fledermäuse. Und gleich an sechs Stellen steht in der Tora, dass es verboten ist, Schnecken zu verzehren. Deshalb ist es für Orthodoxe auch "sechsmal schlimmer", Weinbergschnecken mit Kräutersoße zu essen als eine Schweinshaxe.
Ein Böcklein darf nicht in der Milch seiner Mutter kochen, heißt es in der Tora. Wenn man Fleischspeisen gegessen hat, muss man einige Zeit warten, ehe man milchige Gerichte zu sich nehmen darf. Außerdem sollen Milch und Fleisch in zwei Kühlschränken gelagert und in verschiedenen Töpfen zubereitet werden. Sogar das Geschirr muss in verschiedenen Becken oder Geschirrspülern gereinigt werden.
Bild: picture-alliance/Phanie/VOISIN
Alles parve: Gemüse, Obst und Getreide
Nahrungsmittel, die weder fleischig noch milchig sind wie Eier, Gemüse und Früchte gelten als "parve" - also neutral. Man kann sie also unbesorgt sowohl zu einer fleischigen als auch zu einer milchigen Mahlzeit genießen. Vor allem Salat und Kohl untersucht der orthodoxe Koch akribisch nach Würmern, Insekten und kleinen Schnecken zwischen den Blättern - sonst würde das Mahl "trefe".
Bild: Caroline Seidel/dpa/picture alliance
Challa-Brot
Brot, das lediglich aus Mehl, Wasser und Hefe hergestellt wird, ist koscher, ebenso die meisten Schwarzbrotsorten. Heutzutage werden dem Brot oft diverse Zusätze beigemischt, um es länger frisch zu halten. Auch milchige Zutaten sind verboten, denn das Brot wird sowohl zu milchigen als auch zu Fleisch-Mahlzeiten verzehrt und muss "parve" sein.
Bild: Photoshot/picture alliance
Auch Wein kann koscher sein
Alkohol wird von Jüdinnen und Juden seit biblischer Zeit genossen. Am Purim-Fest haben sie sogar die heilige Pflicht, viel Alkohol zu konsumieren. Kein Wunder also, dass der Wein dann koscher sein muss. Alles, was bei der Produktion mit Trauben und Maische in Berührung kommt, wird nach besonderen Riten gereinigt und überwacht. Am Ende verleiht ein Rabbiner dem Wein einen Reinheitsstempel.
Bild: Fredrik von Erichsen/dpa/picture alliance
Ungesäuertes zu Pessach
Das Pessach-Fest erinnert an den Auszug des jüdischen Volkes aus Ägypten vor mehr als 3000 Jahren. Eine Woche lang werden sogenannte Matzen, "ungesäuertes Brot", verzehrt. Denn auch bei der Flucht aus Ägypten fehlte die Zeit, den Teig langwierig vorzubereiten. Damit sich während der Festtage nichts Gesäuertes im Haus befindet, wird es vorher sorgfältig gereinigt.
Bild: Rafael Ben-Ari/Chameleons Eye/Newscom/picture alliance
Koschere Restaurants
Wer hier einkehrt, muss sich keine Sorgen machen, ob Milchiges und Fleischiges auch richtig getrennt wurde und ob die Beilagen "parve" sind. Darauf achtet schon der Koch - und man muss kein orthodoxer Jude oder keine orthodoxe Jüdin sein, um die Köstlichkeiten der jüdischen Küche zu genießen.
Bild: Frank Schneider/imageBROKER/picture alliance
Koscher to go
Wer keine Zeit hat zu kochen, greift im Supermarkt schon mal zum Fertiggericht. An vielen Orten dieser Welt hat man auch die jüdische Klientel als zahlkräftige Kundschaft entdeckt. Die schnelle Mahlzeit ist koscher, das bestätigt der Reinheitsaufdruck. Und so kommt sie auch auf Langstreckenflügen zum Einsatz.