Das Leipziger Bachfest ist eröffnet
15. Juni 2019In schnellem Tempo perlen die Tonreihen, dann entfaltet sich der Orgelklang in gesetzten Akkorden imposant und festlich. Schon oft hat Ulrich Böhme die Fantasie in G-Dur von Johann Sebastian Bach gespielt. Seit 33 Jahren ist er Organist der Thomaskirche Leipzig, an der Johann Sebastian Bach einst Thomaskantor war. "Ich eröffne jedes Jahr das Bachfest. Das erste Stück, das erklingt, ist ein Orgelstück und das passt gut zu Leipzig als Bachstadt."
Bachmusik ist international gefragt
"Hof-Compositeur Bach", so lautet in diesem Jahr das Motto des internationalen Leipziger Bachfestes, das vom Leipziger Bach-Archiv ausgerichtet wird. Gäste aus 44 Ländern sind in diesem Jahr angereist, um die Musik des Barockmeisters an Originalschauplätzen zu erleben. Über 150 Veranstaltungen mit Konzerten, Fachvorträgen, Schüleraktionen sowie Film- und Medien-Projekten ergänzen das Programm.
Die meisten Gäste aus Übersee kommen aus den USA, Japan und Australien. Intendant Michael Maul freut sich besonders über die steigende Zahl von Besuchern aus Kolumbien. "Das liegt vielleicht auch daran, dass die Kolumbianer in zwei Jahren selbst ein Bachfestival in Bogota veranstalten". Da sei schon an eine kleine Kooperation gedacht.
Bach an fürstlichen Höfen mit Musik von Welt
Bei soviel internationalem Flair macht es Sinn, auch bei Johann Sebastian Bach einmal über den Tellerrand zu schauen. Schließlich wurden seine Kompositionen von europäischen Strömungen beeinflusst. Denn Bach war nicht nur Thomaskantor in Leipzig, sondern davor auch 15 Jahre lang an verschiedenen Höfen tätig. Weltliche Festmusiken und virtuose Instrumentalwerke hat er für Fürsten und Herzöge geschrieben, wie etwa die berühmten Brandenburgischen Konzerte. Besonders prägte ihn seine Zeit am Hof der Herzöge von Sachsen-Weimar, wo er auch die Orgel-Fantasie in G-Dur schrieb.
Bach ist zwar nie weit über seine Heimatregion hinausgekommen, doch in Weimar traf sich im 18. Jahrhundert die Musikwelt. Die höfische Musik aus Versailles hatte es Bach besonders angetan. "Diese Fantasie in G-Dur hat von Bach einen französischen Titel bekommen 'Pièce d'orgue', also Orgelstück, mit Überschriften in französischer Sprache", erklärt Ulrich Böhme. Deshalb hat der Organist die Register seiner Orgel so gewählt, dass der Klang sehr französisch festlich wirkte.
Thomaner lernen französisches Latein
Auch der Thomanerchor, der traditionell beim Eröffnungskonzert dabei ist, musste sich auf den französischen Esprit einstellen. Nach dem Orgelwerk von Bach hatte Intendant Michael Maul das "Te Deum" des französischen Barockkomponisten Marc-Antoine Charpentier auf das Programm gesetzt. "Das Stück atmet diesen Pomp und Geist von Versailles mit diesem Eröffnungsmarsch, den alle kennen", sagt er. Das Anfangsthema mit Pauken und Trompeten ist in Europa aus dem Fernsehen als "Eurovisionshymne" bekannt und erklingt immer dann, wenn Fernsehsendungen live in mehrere Europäische Staaten gleichzeitig ausgestrahlt werden.
Vier Solisten und eine Auswahl der Thomanersänger trugen die Chor- und Gesangspassagen vor. Sie wurden vom Freiburger Barockorchester begleitet, das auf alten Instrumenten spielte und so einen besonders authentischen Klang entfaltete. Die Thomaner überzeugten mit klarer Stimme über lange Phrasen. Thomas Kantor Gotthold Schwarz hatte alles sorgsam einstudiert. "Wir haben uns natürlich mit der Verzierungspraxis und mit der Aussprache beschäftigt, wie das französische Latein zu sprechen ist", erläuterte er im Anschluss an das Konzert. "Das stieß zunächst auf Skepsis, aber dann hat es so viel Freude gemacht, dass es eine unheimliche Eleganz entwickelt hat."
Musik, prickelnd wie Champagner
Das Freiburger Barockorchester konnte in der anschließenden Bach-Ouvertüre in B-Dur glänzen. Neben den Pauken und Trompeten meisterte Anne-Katherina Schreiber die Solopassagen bei den Streichern virtuos auf ihrer Violine. Für diese festliche Ouvertüre mit dem weltweit bekannten "Air" von Bach prägte Intendant Michael Maul das geflügelte Wort des Tages: "Die Musik kommt daher so prickelnd wie Champagner aus Noten".
Bei der anschließenden Kantate "Unser Mund sei voll Lachens" standen alle Thomaner auf der Empore und schmetterten versiert die hohen Töne. Thomaskantor Gotthold Schwarz war zufrieden. "Diese Musik geht in die Seele und das Herz und hat außerdem eine echte Aussage, die die Zuhörer anspricht".
Wo Bach draufsteht ist fast immer Bach drin
Das Bachfest geht noch bis zum 23. Juni. Weil der "Kantaten-Ring" im vergangen Jahr ein großer Erfolg war, wird in fünf Konzerten ein Zyklus aus 16 geistlichen Bach-Kantaten, die am Weimarer Hof entstanden sind, zu hören sein.
Auf dem Leipziger Marktplatz finden kostenfrei Open Air-Konzerte statt und dabei geht es nicht nur um Bach. Zur Eröffnung improvisierte bereits der deutsche Jazzpianist Michael Wollny mit seinem Trio. Der Schauspieler und Musiker Christian von Richthofen - bekannt für spektakuläre Bühnenevents – wird in seiner Performance "Auto Auto – Bach driving crazy" zeigen, welche Töne sich mit Schlagstock und Säge einem Auto entlocken lassen.
"We are Family", 2020
Während das Bachfest 2019 gerade begonnen hat, laufen die Planungen für 2020 schon auf Hochtouren. Unter dem Motto "We are Family" geht es natürlich um Musik aus der Bachfamilie. Michael Maul will diese Familie allerdings erweitern und hat Bach-Chöre aus aller Welt eingeladen. Der Andrang war größer als erwartet. 48 Bach-Chöre aus 23 Ländern haben bereits eine Zusage bekommen aufzutreten. Ein Fest der Superlative soll es werden. "In die Leipzig Arena passen bis zu 115.000 Leute, da wollen wir eine gemeinsame Party veranstalten", freut sich Maul. "Wir planen auch eine ganz verrückte Aufführung der Johannespassion mit wahrscheinlich 3000 Sängern auf dem Marktplatz".
Und weil 2020 Beethovenjahr ist, werden auch Kirchenwerke von Beethoven erklingen. Schließlich, so meint Michael Maul, gehöre ja auch Beethoven zur großen Bachfamilie dazu. Soviel Kontinuität ist sicher: Ulrich Böhme wird auch das nächste Bachfest wieder mit einem imposanten Orgelstück eröffnen.