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Politik

Festnahme in der Türkei: "Ein außenpolitischer Skandal"

22. November 2019

Die Verhaftung von Yilmaz S., des türkischen Anwalts der deutschen Botschaft in Ankara, stößt auf scharfe Kritik. Doch noch ist unklar, ob die Aktion wirklich ein Willkürakt war oder der Jurist Recht gebrochen hat.

Türkei Fotoreportage Institutionen
Bild: DW/U. Danisman

Mehrere Außenexperten der Berliner Politik verurteilten die Verhaftung scharf. "Eine Vertrauensperson der deutschen Botschaft zu verhaften, ist die nächste Zündstufe der Provokation aus Ankara", sagte der Außenexperte der Bundestagsfraktion der Grünen, Omid Nouripour, der DW. "Die Bundesregierung muss endlich eine klare Sprache des Protests finden und ein Stopp-Schild für Erdogan aufstellen", forderte Nouripour.

Die türkische Regierung riskiere die "guten Beziehungen zu Deutschland", warnte der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt, in der Zeitung "Die Welt". "Hier werden diplomatische Gepflogenheiten, aber auch der Kernbereich der Exekutive in Deutschland verletzt. Es bestehe allerdings die Chance, "den Konflikt schnell und folgenlos aufzulösen und den türkischen Anwalt, der für unsere Botschaft arbeitet, freizulassen", sagte der CDU-Politiker.

Dagdelen: Auswärtiges Amt handelte unverantwortlich

Die Linken-Politikerin und Vorsitzende der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe, Sevim Dagdelen, nannte die Verhaftung von  Yilmaz S. ein Alarmzeichen für den Zustand der deutsch-türkischen Beziehungen. "Wenn Kanzlerin Merkel und Außenminister Maas jetzt nicht hart reagieren, wird Erdogan in Zukunft noch unverfrorener auf politische Geiselnahmen und Rechtsbrüche setzen", sagte die Linken-Bundestagsabgeordnete der DW.

Zugleich kritisierte sie auch das Auswärtige Amt scharf. Dass einem privaten Rechtsanwalt in der Türkei angesichts der Verfolgungspraxis der dortigen Regierung sensible Daten Asylsuchender übermittelt worden seien, hält sie für "grob fahrlässig". Zudem sie es unverantwortlich, dass das Auswärtige Amt die Verhaftung so lange geheim gehalten habe. "Indem die Öffentlichkeit über zwei Monate nichts vom Vorgehen der türkischen Behörden und der Aneignung hochsensibler Daten der politischen Flüchtlinge erfuhr, wurden vermutlich hunderte von Schutzsuchenden in Deutschland einer unmittelbaren Gefährdung durch den türkischen Geheimdienst und durch Erdogans Netzwerk aus Spitzelnamen und Schlägerbanden in Deutschland ausgesetzt", sagte Dagdelen der DW.

Auch der außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Bijan Djir-Sarai, sprach von einem "gezielten Versuch der Türkei, an Informationen zu kommen, um Oppositionelle zu verfolgen und letztlich zu verhaften", so Djir-Sarai in der "Welt".

Özdemir macht Bundesregierung mit verantwortlich

Der Grünen-Politiker Cem Özdemir machte die seiner Ansicht nach zu nachgiebige Türkei-Politik Berlins für die Festnahme mitverantwortlich. "Egal, ob Völkerrecht oder internationale rechtsstaatliche Gepflogenheiten: Präsident Erdogan schert sich nicht drum und weiß, dass er seitens der Bundesregierung nicht viel zu befürchten hat", sagte Özdemir dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Kritik kam auch vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Der Präsident der Behörde, Hans-Eckhard Sommer, sprach in Nürnberg von einem "außenpolitischen Skandal".

Erdogan hat von der Bundesregierung nichts zu befürchten, meint Ex-Grünen-Chef ÖzdemirBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Die türkische Polizei hatte den Juristen Yilmaz S. bereits Mitte September inhaftiert, der für die deutsche Botschaft in Ankara tätig war. Vermutlich hatte der Jurist sensible Daten von Menschen aus der Türkei bei sich, die in Deutschland politisches Asyl beantragt hatten. Die Informationen wären damit nun der Türkei in die Hände gefallen.

Unter Berufung auf Sicherheitskreise berichtet die "Welt", dass insgesamt 47 türkische Asylbewerber betroffen seien. Die Personen seien umgehend informiert worden, die Datenschutzbehörde sei eingeschaltet. Den Informationen zufolge arbeitete der Anwalt nicht nur für Deutschland, sondern war auch für Norwegen und die Niederlande im Einsatz.

Bundesaußenminister Heiko Maas will beim G20-Treffen in Japan mit seinem türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu über die Angelegenheit sprechen. "Wir sind der Auffassung, dass es dafür auch eine schnelle Lösung geben muss, und das werde ich dem Kollegen natürlich auch hier sagen", kündigte Maas an. Die Festnahme des Anwalts sei "in keinster Weise nachvollziehbar". 

Strafverteidiger: Akte als geheim eingestuft

Ob wirklich politisches Kalkül hinter der Verhaftung steckte oder Yilmaz S. gegen türkisches Recht verstoßen hat, ist offen. Sein Strafverteidiger sagte der ARD, die Akte, um die es gehe, sei als geheim eingestuft. Er könne lediglich bestätigen, dass ein Spionagevorwurf gegen seinen Mandanten im Raum stehe.

Was der Anwalt jedoch genau verbrochen haben soll, sei ungewiss. Aussagen der türkischen Staatsanwaltschaft brächten ihn zu der Schlussfolgerung, dass es sich um eine diplomatisch heikle Angelegenheit handeln dürfte. So habe der ermittelnde Staatsanwalt erklärt, die deutschen Behörden hätten sich mit ihren Fragen nicht an seinen Mandanten, sondern direkt an den türkischen Staat wenden müssen.

Yilmaz S. hatte im Auftrag der Botschaft in der Türkei Informationen über Personen gesammelt, die in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben. Laut Auswärtigem Amt und Bundesinnenministerium ist eine solche Zusammenarbeit mit Anwälten "europaweit gängige Praxis".  

gri/rb (dpa, afp, tagesschau.de)

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