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PolitikTunesien

Festnahmewelle gegen Regimegegner in Tunesien

14. Februar 2023

Die tunesische Regierung unter Präsident Kais Saied verschärft ihr Vorgehen gegen mutmaßliche Widersacher. Nun hat sie hat mehrere Oppositionelle und einen Radiodirektor festnehmen lassen.

Tunesien Politiker Noureddine Bhiri (R)
Der jetzt festgesetzte Noureddine Bhiri, hier auf einem Archivbild im tunesischen Parlament.Bild: FETHI BELAID/AFP

Die Sicherheitskräfte nahmen mit Noureddine Bhiri einen der führenden Vertreter der größten Oppositionspartei, der gemäßigten islamistischen Ennahda, in Gewahrsam. "Die Polizei stürmte das Haus von Noureddine Bhiri, griff seine Frau an und nahm ihn fest", sagte sein Anwalt Samir Dilou der Nachrichtenagentur Reuters, ohne weitere Einzelheiten zu nennen. Bhiri wurde bereits einmal im Dezember 2021 festgenommen, kam aber damals wieder frei.

Außerdem wurde der Chef des unabhängigen Radiosenders Mosaique FM, Nourredine Boutar, nach Angaben seines Anwalts von der Polizei abgeholt. Der Sender Mosaique FM verurteilte die Festnahme von Boutar auf seiner Website und nannte sie "anarchisch". Die Menschrechtsorganisation Reporter Ohne Grenzen (RSF) teilte nach einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa mit, dass Boutar am Dienstag wegen seinen "redaktionellen Entscheidungen" verhört wurde. Nach Angaben von RSF verdeutlicht der Vorgang das Vorgehen der Regierung gegen die Medien in dem nordafrikanischen Land.

Präsident Kais Saied reißt die Macht an sich

In den vergangenen zwei Tagen hat die Polizei in Tunesien bereits eine Reihe von Bürgern festgenommen, darunter prominente Politiker und einen einflussreicher Geschäftsmann. Ihnen wird eine Verschwörung gegen die Sicherheit des Landes zur Last gelegt.

Die Vereinten Nationen zeigten sich wegen der Festnahmen besorgt. Alle willkürlich Inhaftierten, die etwa mit der Kritik an der Regierung von ihrem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht hätten, müssten unverzüglich freigelassen werden, forderten sie.Die Regierungsgegner werfen Tunesiens Präsident  Kais Saied einen Staatsstreich vor. Er hat 2021 das Parlament entmachtet und die Regierung durch von ihm ausgesuchte Minister ersetzt. Außerdem entließ er dutzende Richter. Zudem trieb er 2022 ein Referendum voran, dass die Verfassung so verändert hat, dass fast alle Macht im Land in den Händen des Präsidenten liegt. An dem Referendum nahmen jedoch nur rund 30 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung teil. Diese stimmten aber zu mehr als 94 Prozent für die Verfassungsänderung. Der jetzt festgenommene Oppositionelle Bhiri hatte damals nach einem Bericht der Zeitung "Tunisie Numerique" das Referendum als "Theater" bezeichnet, bei dem "das Ergebnis bereits im Vorhinein bekannt ist".

Er verliert an Zustimmung der Bevölkerung: Präsident Kais Saied (Archivbild)Bild: Tunisian Presidency/AA/picture alliance

Bevölkerung in Tunesien wird immer unzufriedener

Aktuell wächst der Unmut über den einst beliebten Präsidenten Saied. Umfragen zufolge würden ihn derzeit noch 49 Prozent der Menschen wieder wählen - zuvor lagen seine Zustimmungswerte bei 90 Prozent. Allerdings sehen die Tunesierinnen und Tunesier auch keine ernsthafte politische Alternative. Laut der Befragung erhielten andere potenzielle Präsidentschaftskandidaten nicht einmal zehn Prozent an Zustimmung.

lst/kle (dpa, rtr, epd)