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Feuer in L.A.: Wie funktioniert das pinke Flammschutzmittel?

15. Januar 2025

Flammschutzmittel werden nicht nur bei Großbränden eingesetzt. Sie stecken auch in Wandverkleidungen, Elektrogeräten oder Fußbodenbelägen. Einige sind gefährlich für Mensch und Umwelt.

USA, Kalifornien | Löschflugzeuge und Hubschrauber bekämpfen Palisades Fire in Topanga Canyon
Das pinke Löschmittel hemmt die Verbrennung, verlangsamt so das Feuer und stoppt die Ausbreitung der Brände.Bild: Tayfun Coskun/Anadolu/picture alliance

Sobald sich die berüchtigten, fönartigen Santa-Ana Winde abschwächen, können die verheerenden Brände im Großraum Los Angeles endlich auch wieder aus der Luft bekämpft werden. Löschflugzeuge und -helikopter werfen dazu ein pinkfarbenes Flammschutzmittel ab, das Brände löscht oder deren Ausbreitung verlangsamt. Und es lässt Häuser, Gärten und Straßen in bizarrer Weise in leuchtendem Pink erstrahlen.

Flammschutzmittel werden nicht nur bei Großbränden eingesetzt. Auch in Gebäuden können Baustoffe, Wandverkleidungen, Vorhänge, Möbel, Elektrogeräte oder Fußbodenbeläge aus Brandschutzgründen Flammschutzmittel enthalten.

Wie funktionieren Flammschutzmittel?

Flammschutzmittel bestehen aus chemische Substanzen, welche die Entzündung brennbarer Materialien verzögern und so die Ausbreitung von Flammen verhindern oder verlangsamen. Sie haben jeweils eine chemischen und eine physikalische Wirkungsweise.

Bei einem Brand zerfällt das Material durch die Hitze (Pyrolyse) und gibt Gase ab, die oftmals brennbar sind. Winzige reaktionsfreudige Teilchen, sogenannte Radikale, sind verantwortlich dafür, dass die Feuer immer weiter brennen.

Die Flammschutzmittel sorgen dafür, dass die Gase mit den Radikalen reagieren und sie "neutralisieren". Sie stoppen so die Radikalkettenreaktionen, die Verbrennung wird gehemmt, das Feuer kann nur langsamer oder gar nicht weiterbrennen, die Ausbreitung wird gestoppt.

Wenn sich das Material bei hohen Temperaturen aufbläht, bildet sich außerdem eine Schutzschicht aus verkohltem Material (Intumeszenz). Diese isolierende Barriere verhindert, dass Sauerstoff und Wärme an das brennende Material gelangen.

Flammschutzmittel lösen zudem eine sogenannte endotherme Zersetzung aus, die Wärme aus der Umgebung aufnimmt und diese kühlt. Auch das verlangsamt den Verbrennungsprozess.

Was soll der pinke Farbstoff?

Dem Löschwasser oder den Löschmitteln werden auffällige Farbstoffe aus Eisenoxid beigemischt, wodurch sie pink oder rot leuchten. Dies verbessert die Sichtbarkeit und Effektivität der Löschmaßnahmen: Feuerwehrleute und Löschflugzeuge erkennen so leichter, wo bereits Löschmittel abgeworfen wurden.

Bizarre Kulisse: Der pinke Farbstoff hilft bei der Orientierung und damit der Brandbekämpfung Bild: Ringo Chiu/REUTERS

Woraus besteht Flammschutzmittel?

Viele Flammschutzmittel wirken auf der Basis von Aluminiumhydroxid, Bromverbindungen und Phosphorverbindungen.

Gängige Flammschutzmittel zur Waldbrandbekämpfung bestehen aus Phosphaten, so auch das in Los Angeles eingesetzte PHOS-CHEK. Zu dessen Hauptbestandteilen gehören Düngemittel wie Ammoniumpolyphosphat, Diammonium-phosphat und -sulfat sowie Monoammoniumphoshat als Brandhemmer, Attapulgus-Ton und Guarkernmehl als Verdickungsmittel sowie "betriebsgeheime Leistungszusätze".

PHOS-CHEK gibt es seit 1962, die Marke wurde zunächst von Monsanto hergestellt, dann mehrfach weiterverkauft und gehört heute der privaten Investmentfirma SK Capital.

Andere Flammschutzmittel wie FIRESORB bestehen aus Polymer-Zusätzen, die ein Vielfaches ihres Gewichts an Wasser aufnehmen können und so eine dicke Schutzschicht auf Oberflächen bilden, die einen langanhaltenden Schutz gegen Hitze und Flammen bietet.

Sind die pinken Flammschutzwolken gefährlich?

Natürlich nimmt man bei verheerenden Bränden wie jetzt in Los Angeles oder bei Waldbränden zunächst das tödliche Feuer als Gefahr wahr. Aber auch der Rauch und die giftige Mischung mikroskopisch kleiner Partikel in die Luft sind gefährlich. Sie können tief in die Lunge und den Blutkreislauf eindringen und dadurch Atem- und Herzprobleme verursachen.

2024 veröffentlichte die Alzheimer's Association eine Studie, wonach sich die Rauchbelastung durch Waldbrände wesentlich schlimmer auf das Gehirn auswirkt als alle anderen Arten von Luftverschmutzung. Das Demenzrisiko steigt deutlich.

Obwohl Flammschutzmittel sehr effektiv dazu beitragen, Menschenleben und Existenzen zu retten, ist auch die rettende Chemiewolke nicht ohne gesundheitliche Risiken.

Wenn Feuerwehrleute und Anwohner neben den Rauchpartikeln auch den Flammschutzmitteln ausgesetzt sind, kann eine Chemikalie wie das als vergleichsweise sicher geltende PHOS-CHEK Atemwegserkrankungen oder Hautreizungen auslösen.

Gängige Flammschutzmittel bestehen aus Phosphaten, so auch das in Los Angeles eingesetzte pinke PHOS-CHEK. Bild: Ringo Chiu/REUTERS

Sind Flammschutzmittel generell gesundheitsgefährdend?

Flammschutzmittel machen den Alltag sicherer. Aber laut dem US-amerikanischen National Institute of Environmental Health Sciences deuten immer mehr wissenschaftliche Erkenntnisse darauf hin, dass viele in Flammschutzmitteln enthaltenen Chemikalien Tieren und Menschen schaden können. Besonders Kinder sind anfälliger für toxische Wirkungen, da sich ihr Gehirn und andere Organe noch in der Entwicklung befinden.

Halogenhaltige Flammschutzmittel, die typischerweise Brom oder Chlor enthalten, gelten als besonders umwelt- und gesundheitsschädlich. Bei Bränden setzen sie hochgiftige Dioxine und Furane frei, die das Nervensystem schädigen und mit Krebs in Verbindung gebracht werden.

Zudem können einige in Flammschutzmitteln enthaltenen Chemikalien nicht in der Umwelt abgebaut werden und reichern sich im Körper von Lebewesen und damit in der Nahrungskette an. Sie konnten in Muttermilch, in Fischen und anderen Organismen nachgewiesen werden, was auf eine potenzielle Gesundheitsgefährdung hinweist.

Sind Flammschutzmittel umweltschädlich?

Seit Jahren wird daran gearbeitet, Flammschutzmittel zu entwickeln, die effektiv Brände bekämpfen und gleichzeitig möglichst umweltverträglich sind. Denn der massive Einsatz von Flammschutzmitteln hat spürbare Auswirkungen auf die Gesundheit von Fischen und anderen Wildtieren.

Flammschutzmittel, die Phosphorverbindungen enthalten, hinterlassen nach dem Einsatz große Mengen an Phosphaten und chemischen Rückständen in Böden und Gewässern. Dies führt zur einer Eutrophierung von Gewässern, also zu einer Anreicherung von Nährstoffen (vor allem Phosphate und Nitrate) und damit zu einer übermäßigen Algenblüte und Sauerstoffmangel. 

Außerdem haben Umweltschützer wie Daniel McCurry, Professor für Bau- und Umweltingenieurwesen an der University of Southern California, auch gesundheits- und umweltschädliche Schwermetalle, darunter Chrom und Cadmium, nach Flammschutzmitteleinsätzen in der Umwelt nachgewiesen.

 

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