1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Feuergefecht am Airport Kabul

23. August 2021

Die Lage am Flughafen von Afghanistans Hauptstadt spitzt sich weiter zu. Die Bundeswehr ändert deshalb ihre Strategie. Die Taliban drohen mit "Konsequenzen", sollten die Evakuierungen nicht im August enden.

Ausreisewillige an der Außenmauer des Flughafens Kabul
Ausreisewillige an der Außenmauer des Flughafens Kabul: "Die Bedrohung ist real"Bild: Sayed Khodaiberdi Sadat/AA/picture alliance

Der Evakuierungseinsatz der Bundeswehr in der afghanischen Hauptstadt Kabul wird immer gefährlicher. Am Montag wurden deutsche Soldaten vor dem Flughafen erstmals in ein Feuergefecht verwickelt. Eine afghanische Sicherheitskraft wurde getötet, drei wurden verletzt.

Über die Angreifer am Flughafen ist bislang nichts bekannt. Die US-Regierung hatte erst am Sonntag Sorgen vor einem Anschlag der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) am Airport oder in der Umgebung geäußert. "Die Bedrohung ist real, sie ist akut, sie ist anhaltend", sagte der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, dem Sender CNN. Man nehme die Warnungen "absolut todernst".

Bundeswehrmaschine bei Evakuierungsflug: "Wir haben unglaublich viele Flüchtlinge in der Stadt"Bild: Marc Tessensohn/Bundeswehr/dpa/picture alliance

Die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer bestätigte die Terrordrohungen und beschrieb die Lage in Kabul als sehr angespannt. "Wir haben unglaublich viele Flüchtlinge in der Stadt, wir haben eine verschlechterte Versorgungslage, wir haben zunehmend auch Drohungen auch von anderen terroristischen Gruppen", sagte sie "Bild TV". Die militant-islamistischen Taliban und der regional aktive Zweig des IS sind verfeindet und haben in der Vergangenheit gegeneinander gekämpft.

Kurswechsel in Kabul

Wegen der zunehmend schwierigen Lage ändert die Bundeswehr ihre Evakuierungsstrategie. Deutsche Spezialkräfte sind nun auch außerhalb des geschützten Airports im Einsatz, um Menschen zu den Evakuierungsflügen zu bringen. Es sei im Moment fast nicht mehr möglich, zum Flughafen zu gelangen, begründete Kramp-Karrenbauer den Schritt. "Deswegen müssen wir sehr viel stärker dazu übergehen, die Leute sozusagen 'abzuholen'."

Das Verteidigungsministerium bestätigte die Rettung einer Münchner Familie, die nach Berichten von "Bild" und "Spiegel" von Elitesoldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) in den Flughafen gebracht wurde. Bei der Geheim-Operation "Blue Light" hätten sich die deutschen Soldaten zu Fuß vorgearbeitet und eine 19-jährige, deren kleinen Bruder und ihre Mutter gerettet, meldet die "Bild"-Zeitung unter Berufung auf Sicherheitskreise. Die beiden Hubschrauber, die für Evakuierungsflüge aus dem Stadtgebiet nach Afghanistan gebracht worden waren, kamen bisher nicht zum Einsatz.

Wie das Verteidigungsministerium in Berlin mitteilte, hat die Bundeswehr inzwischen rund 3000 Menschen aus 43 Nationen in Sicherheit gebracht. Laut Bundesinnenministerium sind mittlerweile mehr als 1800 afghanische Staatsbürger nach Deutschland ausgeflogen worden. Nach Angaben von Außenminister Heiko Maas wurde mehr als 10.000 afghanischen Ortskräften und weiteren Schutzbedürftigen die Berechtigung erteilt, nach Deutschland zu kommen.

Taliban stellen Ultimatum

Es bleibt allerdings nicht mehr viel Zeit für weitere Rettungsaktionen. Die Taliban, die vor gut einer Woche die Macht in Afghanistan übernommen haben, lehnen eine Verlängerung der Evakuierungsmission westlicher Staaten über den 31. August hinaus ab. Diese Frist sei eine "rote Linie", so Suhail Schahin, ein Mitglied der Taliban-Delegation in Doha, der Hauptstadt Katars. "Wenn sie vorhaben, die Besatzung zu verlängern, wird das eine Reaktion hervorrufen", sagte Schahin dem britischen Sender Sky News.

US-Präsident Biden: Verlängerung der Evakuierungsmission nicht ausgeschlossenBild: ZUMA Wire/imago images

Den großen Andrang am Flughafen in Kabul erklärte Schahin mit dem Wunsch vieler Menschen, der Armut in Afghanistan zu entfliehen. Ängste vor Unterdrückung durch die Taliban würden als Vorwand genutzt und seien unbegründet, behauptete der Taliban-Vertreter in Doha.

US-Präsident Joe Biden hatte eine Verlängerung der Evakuierungsmission nicht ausgeschlossen, zugleich aber deutlich gemacht, er hoffe, das werde nicht notwendig sein. Bundesaußenminister Maas warnte, das "Zeitfenster" für Evakuierungen stehe nicht unbegrenzt offen. Die Bundesregierung sei deshalb mit der Türkei und den USA, aber auch den Taliban im Gespräch darüber, ob der Flughafen Kabul nach dem 31. August auch zivil weiterbetrieben werden könne, um Menschen auszufliegen.

Die Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Industriestaaten sowie Vertreter der EU wollen an diesem Dienstag bei einem Sondergipfel über die Situation in Afghanistan beraten. Bei dem virtuellen G7-Treffen soll es Berichten zufolge um die Evakuierungsmission, aber auch um die langfristige Entwicklung des Landes gehen.

Der Rat der EU berief für Donnerstag ein Sondertreffen auf Botschafterebene ein. Slowenien, das derzeit den Vorsitz im Rat innehat, teilte mit, wahrscheinlich werde es bald auch eine Sondertagung der EU-Innenminister zu möglichen Auswirkungen der Ereignisse auf die Migration geben.

AR/haz/jj (dpa, afp, epd, rtr)

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen