Noch nie wurden Olympische Winterspiele auf der Südhalbkugel der Erde ausgetragen. Nun erwägt Ushuaia, eine Kleinstadt an der Südspitze Argentiniens, sich für 2026 zu bewerben. An Schnee fehlt es in Feuerland nicht.
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Weiter südlich geht kaum noch: Ushuaia, 3000 Kilometer von Buenos Aires in Richtung Südpol gelegen und nur knapp 150 Kilometer von Kap Hoorn entfernt, erwägt gemeinsam mit der argentinischen Hauptstadt eine Bewerbung für die Olympischen Winterspiele 2026. "Als Marketing-Strategie ist die Bewerbung gut", sagt Martin Bianchi, Event-Koordinator der örtlichen Tourismus-Agentur Infuetur. "Wenn man die Winterspiele aber tatsächlich ausrichten will, muss man sich schon sehr ernst daran setzen."
Argentinien hatte sich in der vergangenen Woche völlig überraschend ins Spiel gebracht. Angesichts der Schwierigkeiten bei den offiziellen Bewerbern Calgary, Stockholm und Mailand/Cortina d'Ampezzo könnten die Südamerikaner eine Alternative darstellen. Zunächst war noch unklar, ob Buenos Aires und Ushuaia die Spiele wirklich haben wollen. Oder ob es eher darum geht, die bisherigen Bewerber unter Druck zu setzen, sich etwas mehr ins Zeug zu legen. Bislang war eine Bewerbung Argentiniens lediglich für die Winterspiele 2030 im Gespräch gewesen.
Die Infrastruktur müsste ausgeweitete werden
Auch für die nächsten Olympischen Winter-Jugendspiele 2024 interessieren sich die Südamerikaner, nachdem die Olympischen Sommer-Jugendspiele im Oktober erfolgreich in Buenos Aires stattfanden. "Nach diesem überwältigenden Erfolg kann niemand mehr daran zweifeln, dass Buenos Aires auch in Zukunft eine großartige Stadt für Olympische Spiele sein könnte", sagte IOC-Präsident Thomas Bach.
Olympia-Kandidaten 2026: Alle wackeln
Drei Kandidaten konkurrieren um die Olympischen Winterspiele 2026. Doch alle drei haben Probleme: Stockholm und Mailand/Cortina D'Ampezzo fehlen öffentliche Gelder und Calgary steht vor einer entscheidenden Wahl
Bild: picture alliance / empics
Calgary, again?
Schon 1964 und 1968 hatte sich Calgary um die Spiele bemüht, 1988 war es so weit: Die Winterspiele fanden in der 1,3-Millionen-Einwohner-Metropole am Fuße der Rocky Mountains statt. Vor allem um die Kosten der Spiele 2026 gibt es Streit. Lange haben Stadt, Region und Land um ein Finanzkonzep gerungen. Jetzt ist der Bürger gefragt.
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Viele Wettkampfstätten sind bereits da
Mit vergleichsweise kleinem Budget von "nur" 3,3 Milliarden Euro kalkulieren die Kanadier. Ihr Entwurf sieht die Modernisierung von acht bestehenden Wettkampfstätten vor. Darunter der "Saddledome" (Foto), in dem Kati Witt 1988 Gold gewann. Geplant ist lediglich der Bau einer neuen Halle für Eiskunstlauf und Shorttrack sowie die Errichtung einer mittelgroßen Arena mit rund 6000 Sitzplätzen.
Bild: Derek Leung/Getty Images
Cool Runnings reloaded?
Ein Kapitel der Winterspiele 1988 in Calgary gehört bis heute zu den schönsten in der olympischen Geschichte: Von vielen belächelt, schafft der Viererbob aus Jamaika die Qualifikation für die Spiele. Dort stürzt das Team im Eiskanal durch einen Fahrfehler, erobert aber dennoch die Herzen der Wintersportfans. Die Geschichte wird später von Disney verfilmt und hat auch im Kino Erfolg.
Bild: picture-alliance/Lacy Perenyi
Kehrt Olympia nach Stockholm zurück?
Schon um die Ausrichtung der Spiele 2022 hatte sich Stockholm bemüht, die Bewerbung dann aber zurückgezogen. Auch diesmal muss das Bewerbungskomitee kämpfen. Denn bisher fehlen die vom IOC geforderten staatlichen Garantien. Und der neu gewählte Stadtrat Stockholms erteilte Anfang Oktober der Olympia-Kandidatur eine Absage. Das Bewerbungskomitee machte weiter, als sei nichts geschehen.
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Jahrhundertbauwerk Olympiastadion
"Gold für Schweden im Tauziehen!" hieß es beim ersten Mal, als Olympia in Stockholm Station machte.1912 wurden die Sommerspiele im Olympiastadion (Foto) der schwedischen Hauptstadt ausgetragen. 1956, im Rahmen der Spiele in Melbourne, fanden die Reitwettbewerbe dort statt. Außer in Stockholm sollen die Wettkämpfe 2026 in Are (Ski Alpin) und Falun (Nordische Wettbewerbe) stattfinden.
Bild: picture-alliance/Newscom/Image of Sport/J. Mochizuki
Happy End für Are?
Schon zehn Mal hat sich Schwedens ältester Wintersportort erfolglos um Olympia bemüht. Mal gemeinsam mit Lahti/Finnland, Östersund oder Göteborg. Mit Stockholm soll es nun im elften Anlauf klappen. Are ist regelmäßig Austragungsort des alpinen Ski-Weltcups, 2019 steigt dort außerdem die alpine Ski-WM. Are liegt knapp 700 Kilometer nordwestlich von Stockholm.
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Falun - mehr Wintersport geht nicht
Falun ist so etwas wie die Wiege des schwedischen Skisports, was die nordischen Disziplinen angeht. Hier hat Schwedens Skiverband seinen Sitz, hier finden alljährlich Weltcuprennen im Langlauf statt. 1954, 1974, 1993 und 2015 war die 37.000-Einwohner-Gemeinde Austragungsort der Nordischen Ski-WM. Und bei zwei gescheiterten Olympiabewerbungen (1988 und 1992) war Falun ebenfalls Teil des Konzepts.
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Heimvorteil für Italien ist dahin
Die endgültige Entscheidung über die Vergabe der Winterspiele 2026 fällt das IOC am 23. Juni 2019 in Lausanne. Ursprünglich sollte die Vollversammlung in Mailand steigen, doch das IOC wollte keinen Heimvorteil für die italienische Stadt, die zusammen mit Cortina D'Ampezzo antritt. Die Bewerbung ist problematisch. Die Regierung befürwortet die Kandidatur, will aber keine Kosten übernehmen.
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Skizirkus in den Dolomiten
Ohnehin bemängeln Umweltschützer, dass das Valle del Boite, in dem Cortina liegt, das Bauvolumen für zeitgemäße Spiele nicht verkraften könne. Anders als Mailand hat Cortina D'Ampezzo schon Erfahrung mit Olympia. 1944 sollten dort die Winterspiele stattfinden, doch der zweite Weltkrieg machte das unmöglich. 1956 erhielt die kleine 6500-Einwohner Gemeinde in den Dolomiten den erneuten Zuschlag.
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Tonis Erben werden gesucht
Damals krönte sich ein Österreicher zum größten Star der Winterspiele: der gerade erst 21 Jahre alte Toni Sailer holte im Ski alpin drei Mal Gold. Und der italienische Wintersportort etablierte sich endgültig als Winterziel von Weltrang. Die Reichen und Schönen kamen, Filmheld James Bond jagte über die Pisten, jetzt träumt Cortina wieder von Olympia-Glanz.
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Eigentlich will das IOC die Winterspiele wieder verstärkt in traditionelle Wintersportgebiete vergeben, auch um die Kosten gering zu halten. In Ushuaia hingegen wäre noch einiges zu tun. "Die Infrastruktur im Skigebiet Cerro Castor ist modern und gut, müsste aber ausgeweitet werden", sagt Bianchi, der 2006 bei den Spielen in Turin selbst im Langlauf gestartet war. "Die Langlaufstrecken müssten noch stärker ausgebaut werden. Skischanzen oder Bob-, Schlitten- und Skeleton-Bahnen gibt es überhaupt nicht."
Ushuaia ist mit Skandinavien vergleichbar
Bei den Sportlern ist die Region allerdings beliebt. Im europäischen Sommer kommen regelmäßig Profis zum Training nach Cerro Castor, wie zuletzt Sportdelegationen aus Frankreich, Italien, Slowakei und Russland. 2015 trafen sich rund 700 Skilehrer zum Kongress Interski in der Provinzstadt am Ende der Welt. "Wir haben in Feuerland die beste Landschaft und den besten Schnee Südamerikas.
Ushuaia ist mit Skandinavien vergleichbar, einer der wenigen Orte der Welt, wo es Schnee praktisch auf Meereshöhe gibt", sagt Bianchi. "Der Schnee in Feuerland ist Breitengradschnee, kein Höhenschnee. Damit gibt es auch die großen Flächen für den Langlauf, die es nicht in den reinen Berggegenden gibt. In Europa gibt es immer weniger Schnee."
Olympia-Kalender müsste verändert werden
Ushuaia bedeutet in der Sprache der seit langem ausgestorbenen indigenen Yamana "Die Bucht, die das Land bis zum Westen durchdringt". Es ist eine der südlichsten Städte der Welt und liegt auf dem Breitengrad 54 - eine Lage vergleichbar mit Kiel oder Moskau auf der Nordhalbkugel. Die Durchschnittstemperatur im kältesten Wintermonat liegt bei 1 Grad Celsius. Diese ist allerdings dort im Juli. Schnee liegt normalerweise von Juni bis Oktober.
Sollten die Winterspiele tatsächlich zum ersten Mal auf der Südhalbkugel ausgetragen werden, müsste der Olympia-Kalender geändert werden. Und das ist wohl das größte Manko Argentiniens: Die Begeisterung für Olympische Winterspiele dürfte sich bei den Fans in den USA und Europa im Hochsommer in Grenzen halten.