Blatter geht erst im Februar
20. Juli 2015Als Joseph S. Blatter im Geldregen stand, den der britische Komiker Simon Brodkin über den FIFA-Präsidenten geworfen hatte, musste Wolfgang Niersbach die Pleite der begossenen Pudel aus Europa erklären. "Das ist mal wieder der Beweis dafür, dass man bei der FIFA Mehrheiten braucht", kommentierte der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) etwas zerknirscht die "schöne" Bescherung: Blatter wird Weihnachten als Boss des taumelnden Weltverbandes FIFA feiern, die Präsidenten-Neuwahl geht gegen den Willen von Niersbach und Co. erst am 26. Februar 2016 über die Bühne.
Auf diesen Termin für den außerordentlichen Wahlkongress verständigte sich das Exekutivkomitee des tief in der Krise steckenden Verbandes am Montag in Zürich. Wer bei der Wahl antreten wird, bleibt offen - angeblich steht UEFA-Chef Michel Platini schon in den Startlöchern. "Ich bin selbst gespannt, wer der neue Präsident wird", sagte der 79 jährige Blatter, der zum ersten Mal unmissverständlich klarstellte, dass er selbst nicht wieder antreten wird.
Seine Pressekonferenz begann allerdings mit einem Zwischenfall: Komiker Brodkin hatte das Podium betreten und einen Haufen Geldscheine vor Blatter abgelegt. Als der ihn daraufhin vom Sicherheitspersonal abführen ließ, bewarf Brodkin den Schweizer mit Geldscheinen. "Das ist für die WM 2026 in Nordkorea", sagte er dabei. Blatter flüchtete und erst 20 Minuten später konnte es losgehen.
Niersbach hatte vor dem Treffen mit seinen Exekutiv-Kollegen aufs Tempo gedrückt, um das Versteckspiel bei der Nachfolgesuche zu beenden. Noch vor Weihnachten sollte gewählt werden - es kam aber anders. "Ich spreche nicht von einer Schlappe", sagte Niersbach am Montag dennoch. Am Ende waren die Afrikaner gegen den Kompromisstermin 15. Januar, weil zu dem Zeitpunkt ein Turnier in Ruanda gespielt wird.
Wer macht es?
Ein Kandidat für das Erbe Blatters, der als Folge des Korruptionsskandals am 2. Juni seinen Rücktritt ankündigt hatte, hat sich bislang nicht öffentlich positioniert. Derzeit wird vor allem ein Modell gehandelt: Platini folgt auf Blatter, Niersbach beerbt Platini bei der Europäischen Fußball-Union. Laut der Nachrichtenagentur AFP will Platini, der angeblich von vier der sechs Konföderationen unterstützt wird, in den kommenden beiden Wochen seine Entscheidung bekannt geben.
Dieser UEFA-Plan stößt allerdings auf Kritik - vor allem, weil Platini durch Vorwürfe der Vetternwirtschaft schwer belastet ist. "Für einen wirklichen Neuanfang ist Platini sicher nicht der Richtige", hatte Dagmar Freitag, die Vorsitzende des Bundestag-Sportausschusses, zuletzt gesagt. Niersbach sieht das anders: "Michel Platini ist natürlich ein geeigneter Kandidat." Bei der Frage, ob er dann Platini beerben werde, hielt sich der DFB-Boss bedeckt: "Es ehrt mich schon, wenn der eigene Name fällt. Aber Stand heute, bin ich kein Kandidat. Ob sich daran etwas ändert, wird sich zeigen."
Reformen, aber wann?
Mit Blick auf die längst überfälligen Reformen ist die FIFA am Montag vorangekommen. Eine Task Force, in die Blatter nicht eingebunden wird, soll die Erneuerung vorantreiben. Ein unabhängiger Leiter soll diese "Spezialeinheit" führen, der jeweils zwei Vertreter der vier Konföderationen AFC (Asien), CAF (Afrika), CONCACAF (Nord- und Mittelamerika und UEFA (Europa) sowie je ein Vertreter aus CONMEBOL (Südamerika) und OFC (Ozeanien) angehören werden.
"Die Gesamtsituation der FIFA ist nach wie vor kritisch. Es kann nicht mehr gewartet werden, bis der neue Präsident gewählt ist", sagte Niersbach dazu: "Es ist Eile geboten. Die Sachen müssen jetzt angepackt werden. Bei der nächsten Exko-Sitzung im September soll es erste Ergebnisse geben." Ähnlich äußerte sich Platini. "Das ist ein wichtiger Schritt", sagte der 60-Jährige, der sich nur indirekt zu einer möglichen Kandidatur äußerte: "Wir können uns auf eine neue Führung freuen, die sicher neue Ideen und neue Lösungen mitbringen wird."
ck/asz (sid, afp)