FIFA-Präsident Blatter gibt auf
2. Juni 2015Joseph Blatter gibt nun doch auf! Nur vier Tage nach seiner Wiederwahl für eine fünfte Amtszeit kündigte der umstrittene Schweizer sensationell seinen Rückzug als FIFA-Präsident an. Nach 17 Jahren an der Spitze formulierte Blatter Worte, die selbst im Sumpf der andauernden Korruptionsvorwürfe an seinen Verband niemand erwartet hätte. "Ich habe ernsthaft über meine Präsidentschaft nachgedacht und über die vierzig Jahre, in denen mein Leben untrennbar mit der FIFA und diesem großartigen Sport verbunden gewesen ist", sagte Blatter. Durch die Wahl am vergangenen Freitag habe er noch einmal das Mandat durch die FIFA-Mitglieder bekommen, aber er habe das Gefühl, dass er nicht das Mandat der gesamten Fußball-Welt habe. "Daher habe ich entschieden, mein Mandat bei einem außerordentlichen Kongress niederzulegen."
Blatters Nachfolger als FIFA-Präsident soll voraussichtlich bei einem Sonderkongress des Weltverbands zwischen Dezember 2015 und März 2016 gewählt werden. Diesen Zeitraum nannte Domenico Scala, Chef der FIFA-Compliance-Kommission, nach Blatters Rücktrittsankündigung. Gemäß Statuten des Weltverbands seien mindestens vier Monate zur Vorbereitung eines Wahlkongresses notwendig. Der nächste reguläre FIFA-Kongress ist erst für den 12. und 13. Mai 2016 in Mexiko-Stadt vorgesehen. "Dies würde eine unnötige Verzögerung bedeuten", sagte Blatter.
Wie ein geschlagener Mann
Bis zu der außerordentlichen Zusammenkunft der FIFA wird Blatter sein Amt noch ausüben. Scala soll ihm bei der Umsetzung von dringend notwendigen Reformen helfen. "Ich habe Domenico Scala gebeten, die Einführung und Umsetzung dieser und anderer Maßnahmen zu beaufsichtigen", erklärte Blatter. Der 79-Jährige wirkte relativ gefasst, als er seine Worte in französischer Sprache vortrug. Vom Kampfgeist und seiner vermeintlichen Aufbruchstimmung wie noch bei seiner Wiederwahl am Freitag war aber nichts mehr zu spüren. Zuversichtlich wollte er ungeachtet der Festnahmen und Anklagen gegen hochrangige Funktionäre am Freitag noch weitermachen und giftete einen Tag nach seiner Wahl noch gegen UEFA-Präsident Michel Platini. An diesem denkwürdigen 2. Juni 2015 wirkte Blatter aber auch ein bisschen wie ein geschlagener Mann.
Dieser Skandal, bei dem vor allem die US-Justiz ermittelt, war zu viel. "Es ist meine tiefe Sorge um die FIFA und ihrer Interessen, die mich zu dieser Entscheidung veranlasst hat", sagte Blatter am Ende seiner wohl schwersten Rede. "Ich liebe die FIFA mehr als alles andere und will nur das tun, was am besten für die FIFA und den Fußball ist. Ich möchte denen danken, die mich immer unterstützt haben in konstruktiver und loyaler Weise als Präsident der FIFA", betonte Blatter. 1998 hatte er den Posten übernommen. Seine Entscheidung war ungeachtet der erneuten Zuspitzung der Ereignisse am Dienstag völlig unabsehbar.
Nach Blatters Ankündigung berichteten US-amerikanische Medien von angeblichen FBI-Ermittlungen gegen den Schweizer. Der Fernsehsender "ABC News" beruft sich dabei auf nicht genannte "Quellen", die Bundesbehörde dementierte aber bereits offizielle Untersuchungen. Allerdings, so "ABC News", könnten die bereits verhafteten Funktionäre im Rahmen ihrer Befragungen gegen Blatter ausgesagt und damit die Situation damit grundlegend verändert haben. "Jetzt, wo die Leute sich selbst retten wollen, gibt es möglicherweise ein Rennen, wer zuerst gegen Blatter auspackt", zitiert der Sender eine Quelle.
Positives Echo
Platini, der Blatter einen Tag vor dessen erneuter Wahl noch den Rücktritt nahegelegt hatte, begrüßte Blatters Schritt: "Es war eine schwierige Entscheidung, eine mutige Entscheidung, und die richtige Entscheidung", erklärte Platini in einer schriftlichen Stellungnahme. Bei den Neuwahlen ist der Franzose, der erst im März als UEFA-Präsident bestätigt worden war, vielleicht sogar ein möglicher Nachfolge-Kandidat. Den Wahlkampf gegen Blatter hatte der frühere Starspieler gescheut.
"Das ist die Entscheidung, die absolut richtig ist, die überfällig ist", sagte Wolfgang Niersbach, der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes unmittelbar nach Blatters Ankündigung. "Es ist eigentlich eine Tragik, warum er es sich selber und uns allen das nicht erspart hat, dass er das früher gemacht hätte."
"Es war eine vernünftige Entscheidung von Sepp Blatter. Der Druck wurde zu groß. Er wäre nie mehr zur Ruhe gekommen, ob er Schuld an den Skandalen trägt oder nicht. Das Problem der FIFA liegt in seinem System", sagte Franz Beckenbauer.
Auch Prinz Ali bin al-Hussein bezeichnete Blatters Rücktrittsankündigung als "richtigen Schritt". Ob sich der jordanische Verbandspräsident erneut für das Amt des FIFA-Präsidenten bewerben wird, ließ Al-Hussein in einem Gespräch mit dem US-Sender "CNN" offen. Der 39 Jahre alte Prinz hatte nach dem ersten Wahlgang am vergangenen Freitag seine Kandidatur zurückgezogen, Blatter hatte daraufhin seine fünfte Amtszeit antreten können. Nun geht der Wahlkampf von vorne los.