Der legendäre deutsche Kameramann Michael Ballhaus ist tot. Nach kurzer Krankheit starb er im Alter von 81 Jahren in seiner Berliner Wohnung. Ballhaus drehte mit Größen wie Rainer Werner Fassbinder oder Martin Scorsese.
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Aushängeschild des deutschen Kinos
Michael Ballhaus hat mit seiner Arbeit und seinem Erfolg in Hollywood an die große Tradition deutscher Kameramänner in den USA angeknüpft.
Bild: picture-alliance /dpa/J. Kalaene
Ein Grandseigneur hinter der Kamera
Michael Ballhaus war nicht nur der bekannteste Kameramann aus Deutschland, er galt auch als ausgesprochener Menschenfreund. Stets höflich und ausgeglichen, verkörperte der 1935 in Berlin geborene Ballhaus den klassischen Gentleman. Trotzdem äußerte er am Set auch seine Meinung und legte sich mit Regisseuren im Zweifelsfall an.
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Bekannt mit Fassbinder-Filmen
Manche Kameramänner gehen mit Regisseuren eine lang anhaltende Arbeitsbeziehung ein, die künstlerisch fruchtbar für beide Seiten ist. Ballhaus begann 1970 für Rainer Werner Fassbinder zu arbeiten. Gemeinsam drehten sie in rascher Folge über ein Dutzend Filme. Diese Arbeitsbeziehung wurde auch in der Berliner Ausstellung "Fassbinder - JETZT" im Berliner Martin-Gropius-Bau 2015 dokumentiert.
Bild: DIF Frankfurt/Foto: Peter Gauhe
Legendäre Kamerafahrt
Vor allem die Kameraarbeit für den Fassbinder-Film "Martha" wurde zur Legende im deutschen Kino. Seine 360-Grad-Fahrt um die Darsteller Margit Carstensen und Karl-Heinz Böhm erregte Aufsehen - auch im Ausland. Spätere Hollywood-Filme, die Ballhaus in den USA drehte, griffen diese Ästhetik auf.
Bild: picture-alliance/dpa/dpa filmverlag der autoren
Ein Meister der Farben und Perspektiven
Gemeinsam mit seinem Regisseur entwickelte Ballhaus in den 1970er Jahren ein breites Spektrum an ästhetischen Möglichkeiten. Fassbinder und sein Stamm-Kameramann probierten vieles aus. In dem großen Erfolg "Die Ehe der Maria Braun" brachten sie unter anderem Farbe wirkungsvoll zum Einsatz.
Bild: picture alliance/dpa
Arbeit in Hollywood
Michael Ballhaus hat mit seiner Arbeit und seinem Erfolg in Hollywood an die große Tradition deutscher Kameramänner in den USA angeknüpft. Den entscheidenden Karriereschritt ins internationale Geschäft machte er im Jahre 1985, als er für Regisseur Martin Scorsese erstmals hinter der Kamera stand. Für den US-Regisseur drehte er die Großstadt-Farce "Die Zeit nach Mitternacht".
Bild: picture alliance/United Archives/IFTN
Arbeiten mit Scorsese
Martin Scorsese gilt als einer der besten und einflussreichsten Regisseure des amerikanischen Kinos der letzten Jahrzehnte. Michael Ballhaus hatte gehörigen Anteil daran. Insgesamt fotografierte der Deutsche sieben Mal für den US-Regisseur. Das war auch museumsreif. Die Deutsche Kinemathek zeigte in ihrer großen Scorsese-Ausstellung auch den Anteil von Ballhaus an Scorseses Erfolgen.
Bild: Martin Scorse Collection, New York
Arbeiten mit den Stars
Michael Ballhaus konnte sich durch seinen Erfolg in Hollywood aussuchen, mit wem er arbeiten wollte. Hollywood-Legende Paul Newman lernte er 1986 am Set von Martin Scorseses Film "Die Farbe des Geldes" kennen und schätzen. Später engagierte Newman Ballhaus für seine eigenen Regiearbeiten.
Bild: AP
Etabliert in Hollywood
Außer mit Scorsese arbeitete der deutsche Kamerastar für viele andere bekannte US-Regisseure. Mit den Großen aus Hollywood verstand er sich prächtig. Hier zeigte er sich 2004 bei der Berlinale an der Seite von Jack Nicholson anlässlich der Premiere von "Was das Herz begehrt".
Bild: AP
Rückzug aus Hollywood
2006 drehte Ballhaus seinen letzten Film in Hollywood. Für Scorsese setzte er das Mafia-Drama "Departed" ins rechte Licht. Eigentlich sollte es das dann gewesen sein mit der Kameraarbeit. Doch 2013 ließ er sich von seiner neuen Frau, der Regisseurin Sherry Hormann, überreden noch einmal hinter der Kamera zu stehen: für den Film "3096 Tage".
Bild: 2013 Constantin Film Verleih GmbH/Jürgen Olczyk
Eine große Karriere
Die Deutsche Filmakademie wusste, was sie an Michael Ballhaus hatte. 2012 wurde ihm der Ehrenpreis für hervorragende Verdienste um den deutschen Film verliehen. Eine Auszeichnung, die nur wenige Filmschaffende bekommen im deutschen Kino.
Bild: Reuters
Ein engagierter Zeitgenosse
Michael Ballhaus hat immer über sein Fach hinausgeblickt. So unterrichtete er den Nachwuchs an Filmakademien, engagierte sich stark in Sachen Umweltschutz und setzte nicht zuletzt seiner Geburtsstadt Berlin ein Denkmal: im Film "In Berlin", den er gemeinsam mit Ciro Cappellari drehte. Hier wurde die Premiere in Anwesenheit des damaligen Bürgermeisters Klaus Wowereit gefeiert.
Bild: picture-alliance/dpa
Ein Großer des deutschen Films
Es geschieht nicht gerade häufig, dass außer Schauspielern und Regisseuren andere Fachkräfte beim Film Star-Status genießen. Michael Ballhaus war ein Star hinter der Kamera und hatte den roten Teppich wahrlich verdient.
Bild: picture alliance/dpa
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Unsicher eilt Bibliothekarin Martha auf den Geschäftsmann Helmut zu. Als sie vor ihm zum Stehen kommt, beginnt sich die Perspektive des Zuschauers um das ungleiche Paar zu drehen, die Bewegung wird schneller, erzeugt einen visuellen Strudel. Es ist der erste "Ballhaus-Kreisel", eine 360-Grad-Bewegung der Kamera, die den deutschen Kameramann weltweit berühmt machte und seitdem unzählige Male kopiert wurde. Erstmals 1974 in Rainer Werner Fassbinders "Martha" im Einsatz, wurde Michael Ballhaus durch seine legendären Kamerafahrten auch in Hollywood bekannt. Als "Das fliegende Auge" schätzten Regisseure wie Francis Ford Coppola, Robert Redford und vor allem Martin Scorsese, sein "Lieblingsregisseur", die Experimentierfreude des gebürtigen Berliners.
"Mit Ballhaus zu arbeiten, ist, als sei man im Himmel, nur dass man dafür nicht sterben muss", soll Scorsese in einem Interview über die deutsche Kameralegende gesagt haben. Gemeinsam drehten sie sieben Filme, unter anderem "Gangs of New York" im Jahr 2002 und "Departed - Unter Feinden" 2006 - Ballhaus letzter Kinofilm in Hollywood.
Mit dem Film aufgewachsen
Den Startschuss für seine Karriere machte 1955 ein erster Besuch auf einem Filmset. Gedreht wurde gerade "Lola Montez" unter der Regie von Max Ophüls. Der Regisseur war mit Ballhaus Eltern befreundet, die beide Schauspieler sind. Der damals 18-jährige Michael, fasziniert von der Welt des Films, machte daraufhin eine Ausbildung zum Fotografen und arbeitet später als Kameraassistent.
Ballhaus startete mit einigen Fernsehfilmen für den Südwestrundfunk (SWR), wo er innerhalb von sechs Jahren zum Chefkameramann aufstieg. Trotz der Arbeit fürs Fernsehen fanden er und Rainer Werner Fassbinder 1970 zusammen und sollten sich fortan gegenseitig bei insgesamt 15 Filmen einander inspirieren. Mit "Die Ehe der Maria Braun" gelang ihnen 1979 ein Welterfolg. Zugleich war das die letzte Zusammenarbeit zwischen Michael Ballhaus und Rainer Werner Fassbinder. Wenige Jahre später wurde Ballhaus von der US-amerikanischen Filmindustrie entdeckt.
Michael Ballhaus ist tot
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Die Familie ist mit dabei
Immer mit dabei bei den Dreharbeiten war seine Frau Helga, selbst Schauspielerin und Filmausstatterin, sowie die beiden Söhne des Paares. Der jüngere, Florian Ballhaus, erinnert sich noch gut: "Wir sind eigentlich an Filmsets aufgewachsen. Mein Bruder und ich, wir waren beide eigentlich immer an Filmsets. Wir haben sehr viel Zeit an Fassbinder-Sets zugebracht. Und wir hatten sogar einen Film bei uns im Haus gedreht. Da habe ich meine Osterferien zugebracht, in 'Chinesisches Roulette'. Und das war eine sehr interessante Erfahrung für einen neunjährigen Jungen."
Auch nach Amerika nahm Michael Ballhaus seine Söhne mit zu seinen Dreharbeiten - allerdings nicht ohne Konsequenzen: Beide arbeiten heute beim Film. Sebastian in der Produktion, Florian, der jüngere, ist, wie sein Vater, ein erfolgreicher Kameramann in Hollywood geworden: "Das Lustige ist: Man glaubt anfangs immer nicht, dass man so viel von seinem eigenen Vater lernen kann. Ich habe das erst sehr viel später gemerkt, nachdem ich selber angefangen habe, zu drehen."
Rückkehr nach Deutschland2006 verstarb Ehefrau Helga in Los Angeles und Michael Ballhaus kehrte in seine Geburtsstadt Berlin zurück. Er hat sein Wissen und seine Erfahrung seitdem an zahlreiche Studenten an den Filmhochschulen in Deutschland weitergegeben. Seit 2011 war Michael Ballhaus in zweiter Ehe mit der Regisseurin Sherry Hormann verheiratet. Mit ihr realisierte er 2013 seinen letzten Film "3096 Tage" über die Entführung der Österreicherin Natascha Kampusch. Kurz darauf gab er bekannt, dass er an der Augenkrankheit "Grüner Star" leide und langsam erblinde.
"Die Geschichte mit seinem Augenlicht ist natürlich sehr tragisch für jemanden, der so visuell ist und so viel seine Augen genutzt hat und damit so viel angestellt hat und so viel erreicht hat. Es ist aber auch beeindruckend, wie gut er damit umgeht", sagte sein Sohn Florian Ballhaus.
Am 12. April ist Michael Ballhaus nach kurzer Krankheit im Alter von 81 Jahren friedlich in seiner Berliner Wohnung gestorben. Er hinterlässt ein beachtliches Werk von rund 80 Kinofilmen.
Einen Überblick über Ballhaus' Schaffen und ein Interview mit dem legendären Kameramann aus dem vergangenen Jahr sehen Sie in unserer KINO-Spezial-Ausgabe.