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Filmkomponist Hans Zimmer im Interview

Regina Roland6. April 2016

"Rain Man", "König der Löwen", "Fluch der Karibik": Die Liste der Filme, für die Hans Zimmer die Musik schrieb, ist lang. Erstmals geht er mit seiner Band auf Europatournee. Warum erst jetzt, verrät er im DW-Interview.

Portraitbild von Hans Zimmer. (Foto: "picture alliance/Photoshot")
Bild: picture alliance/Photoshot

Hans Zimmer ist einer der erfolgreichsten Filmkomponisten unserer Zeit. Seit dem 6. April ist er zum ersten Mal mit seiner Studioband, einem Orchester und einem Chor, auf Europa-Tournee. Hans Zimmer, der in Frankfurt geboren wurde und heute in Los Angeles lebt, hat über 100 Filmmusiken komponiert. Er wurde mit einem Oscar, zwei Golden Globes und vier Grammys ausgezeichnet. Zu seinen großen Erfolgen zählen Kinohits wie Fluch der Karibik, König der Löwen, Gladiator, Inception, The Dark Knight oder The Da Vinci Code-Sakrileg. Melodien aus diesen Filmen wird der Komponist, Produzent und Musiker als großes Klangspektakel in einer visuellen Inszenierung live auf der Bühne präsentieren.

DW: Herr Zimmer, wann wurde Ihnen klar, dass Sie Filmkomponist werden wollten?

Hans Zimmer: Als ich zwölf war, da bin ich ins Kino geschlichen. Der Film war für Erwachsene: "Spiel mir das Lied vom Tod". Die Musik ist von Ennio Morricone und ich habe gedacht: Das möchte ich mal machen! Ich habe dann erst einmal in einer Band gespielt und später dann den Filmkomponisten Stanley Myers getroffen. Ich assistierte im einige Jahre. Er hat mir gezeigt, wie man mit einem Orchester arbeitet. Ich hatte ja noch gar keine Ausbildung.

Und vorher haben Sie sich als Autodidakt alles selbst beigebracht?

Ich weiß nicht, wann Musiker anfangen. Wenn ein Musiker Ihnen sagt: "Ich habe mit sechs angefangen", dann lügt er. Wir fangen an, sobald wir Musik im Kopf hören. Als ich ungefähr sechs war, hat meine Mutter mich gefragt: "Möchtest Du einen Klavierlehrer haben?", und ich habe gedacht, ein Klavierlehrer bringt einen dazu, dass, was man im Kopf hört, in die Finger zu bekommen. Ich habe nicht gewusst, dass das stundenlanges Üben und Notenlesen ist. Das war eben so typisch deutsch, sehr autoritär.

Bild: picture-alliance/John Shearer/Invision/AP

Es ist immer noch so: Wenn man Noten vor mich hinstellt, das verschwimmt mir einfach vor den Augen. Es hat genau zwei Wochen gedauert, bis der Klavierlehrer zu meiner Mutter gesagt hat: "Entweder er oder ich". Glücklicherweise hat sie die richtige Wahl getroffen und mich behalten.

Das Wichtigste: Hören lernen

Aber sie haben dann andere Leute getroffen, von denen Sie lernen konnten.

Man lernt immer von den anderen Musikern. Das Wichtigste für einen Musiker ist, hören zu lernen. Nicht, spielen zu lernen. Die Inspiration kommt von den anderen. Das ist wie eine Konversation, die auf einer ganz anderen Ebene stattfindet.

Ennio Morricone ist ihr großes Vorbild, warum hat er sie so inspiriert?

Weil er Melodien schreiben kann, wie kein anderer. Er ist so gut wie Bach oder Beethoven oder Mozart. Im Western hat er eine neue Sprache erfunden. Er hat Charme und Witz eingebaut. Er hat seine Musik zu einer starken Stimme gemacht. Seine Musik hat dem Film nicht gedient, sondern ihn erhoben. Und jetzt ist er 87 und immer noch dabei.

Musik für die unterschiedlichsten Genre

Sie selbst haben für über 100 Filme die Musik beigesteuert und dabei ziemlich unterschiedliche Stile kreiert. Sie haben für Actionfilme, für Dramen oder für Animationsfilme komponiert. Beflügeln die unterschiedlichen Stoffe und Genres Ihre Kreativität?

Ich habe "Driving Miss Daisy" und "Black Rain" im selben Monat geschrieben und die beiden Musiken könnten stilistisch nicht verschiedener sein. Sonst wird es auch langweilig. Ich kann nicht immer dasselbe tun. Ich muss nach einem Actionfilm sofort eine Komödie machen. Nach einem großen Film, für einen kleinen komponieren. Ich habe immer versucht, neue Sachen zu erfinden.

Am meisten interessiert mich eigentlich, mit der Musik eine Geschichte zu erzählen. Deswegen haben der Film und ich sehr gut zusammen gepasst. Ich liebe, was ich mache. Und ich kann mein Leben damit verbringen, das zu tun, was ich wirklich liebe.

Was die Leinwand nicht zeigt, drückt die Musik aus

Wie arbeiten Sie? Ist der Film schon fertig, wenn sie komponieren oder basiert ihre Musik auf dem Skript?

Es fängt immer damit an, dass ein Regisseur zu mir kommt, um mir eine Geschichte zu erzählen. Wenn die Geschichte gut ist, ist man beim dritten Satz drin. Dann habe ich immer schon eine Idee, wie das werden könnte. Wird das elektronisch? Oder symphonisch? Soll das eine Band sein?

Ich liebe es auch, vor Drehbeginn beispielsweise mit dem Kamermann darüber zu sprechen, welche Farben er benutzen wird. Bei "Thin Red Line" haben wir wochenlang über die Farben gesprochen, die John Toll, der Kameramann, nehmen wollte. Farbe und Ton sind für mich dasselbe. Oder ich spreche mit den Schauspielern, wie sie sich ihren Charakter vorstellen. Am Ende geht es darum, mit der Musik Dinge auszudrücken, die eben nicht elegant in Bildern oder Wörtern auf der Leinwand ausgedrückt werden.

Sie verwenden auch ganz unterschiedliche Klänge, zum Beispiel von afrikanischen Instrumenten, nicht nur von Synthesizern oder Orchestern. Wie kamen Sie darauf?

Mit Lebohang Morake habe ich für "König der Löwen" zusammengearbeitet. Der war noch Autowäscher, als ich ihn getroffen habe. Aber jemand hatte gesagt: "Der kann sehr gut singen und kommt aus Südafrika." Er war dann sozusagen mein Tour-Guide durch die afrikanische Musik.

Südafrikanische Klänge im "König der Löwen"Bild: picture alliance/United Archives/IFTN

Den zweiten Film, den ich über Afrika gemacht habe, versuchte ich in Amerika aufzunehmen. Das hat nicht hingehauen. Ich bin zu Warner Brothers hingegangen und habe gesagt: "Ich habe euer ganzes Geld ausgegeben und es haut nicht hin." Die haben dann gesagt: "Der Fehler, den du machst, ist, dass du nicht in Afrika bist." Das war am Donnerstag und am Montag war ich dann in Südafrika, umgeben von einem Zulu-Chor und alles hat geklappt. Jeder sagt schlimme Sachen über Hollywood-Studios, aber die haben eben den Mut, einen auch zu unterstützen, wenn mal etwas daneben geht.

Der erste Erfolg: "Rain Man"

"Rain Man" war ihr großer Durchbruch. Wie sind sie an diesen Auftrag gekommen?

Ich hatte einen kleinen englischen Film gemacht, der hieß "A World Apart". Ich liebe diesen Film, aber ich kenne keinen Menschen, der ihn gesehen hat. Außer meiner Mutter und der Frau von Barry Levinson, der der Regisseur bei "Rain Man" war. Seine Frau hat diesen Film und die Musik geliebt. Sie hat ihm die CD gekauft und eines Tages stand er in London vor meiner Tür und hat gesagt: "Mein Name ist Barry Levinson und ich bin Regisseur." Er mich dann gefragt, ob es mir was ausmachen würde in Hollywood zu schreiben. Natürlich hat mir das nichts ausgemacht. Ich sage Ihnen, ich verdanke alles Diana Levinson, seiner Frau, die ihm diese CD gekauft hat.

Sie kommen jetzt nach Europa und geben Konzerte. Warum erst jetzt?

Ich habe mich im Studio versteckt. Ich habe immer Lampenfieber gehabt. Als ich den Oscar gewonnen habe, war das wohl die kürzeste Oscar-Rede, die es je gegeben hat. Alle meine Freunde aus dem Musikbereich haben seit Jahren gesagt, "Du musst mal ein paar Konzerte machen". Ich war mir unsicher, ob die Leute überhaupt kommen würden. Ich wollte das aber auch etwas anders machen, nicht einfach den Film zeigen und dazu die Musik spielen. Ich wollte mehr Rock'n'Roll machen. Wir haben dann mit der Band zwei Shows in London veranstaltet und das war fantastisch. Dann haben wir gesagt, "Okay, jetzt müssen wir eine Tour machen!" Das Lampenfieber ist übrigens nicht besser geworden, aber man soll sich im Leben nicht durch Angst leiten lassen. Ich habe immer noch Lampenfieber, aber jetzt gehe ich auf die Bühne, obwohl mir die Knie schlottern."

Hans Zimmer 2001 in seinem Studio in Santa Monica, Kalifornien.Bild: AP

Das Interview führte Regina Roland. Sie können es in unserer neuen Ausgabe von KINO (8.4.2016) sehen.

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