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Politik

Finale Schlacht um CETA

Barbara Wesel
15. Februar 2017

Bis zur letzten Minute kämpfen Umweltverbände und Parteien gegen das Handelsabkommen CETA. Das Europäische Parlament stimmt mit Mehrheit dafür, aber der Streit ist noch nicht zu Ende. Aus Straßburg Barbara Wesel.

Frankreich CETA Protest in Straßburg
Bild: DW/B. Wesel

Vor den Toren des Europaparlaments in Straßburg ist das Trojanische Pferd wieder aufgefahren. Seit Beginn der Proteste gegen CETA dient es als Symbol für die Unterwanderung Europas durch US-amerikanische und kanadische Großkonzerne, die mit Hilfe des Handelsabkommens die europäische Landwirtschaft und Europas Kleinunternehmen zerstören wollen. So jedenfalls die Lesart der Kritiker. Ein paar hundert Demonstranten aus Frankreich, Spanien und Deutschland protestieren am Tag der Abstimmung noch einmal gegen CETA.

Besonders hartnäckige Gegner haben sich am frühen Morgen als lebende Blockade auf den kalten Boden vor dem Eingang zum Parlament gelegt. Greenpeace-Aktivisten versenkten eine Freiheitsstatue im nahen Kanal, um den Untergang der Demokratie durch CETA zu symbolisieren. Kisten mit über drei Millionen Protest-Unterschriften sind aufgestapelt. Was ist so falsch an CETA? "Es nutzt nur den Großkonzernen! Es wird der Untergang der europäischen Bauern! Es ist das Ende für unseren Umweltschutz!", rufen die Demonstranten.

Attacken von Links bis Rechtsextrem

Die eigentliche Schlacht aber wird im Saal des Parlaments ausgetragen. Trotz der Änderungen in den jüngsten Verhandlungsrunden, die den Einwänden Rechnung tragen sollten, sind die Attacken ungebremst. Es gehe bei CETA um Deregulierung und Privatisierung, schimpft Yannick Jadot von der Freien Europäischen Allianz, die 35 Regionalparteien vertritt: "Trumps Regierung und ehemalige EU-Kommissare unter Barroso wollen das so." Die Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge sei aus dem Abkommen gestrichen, versichern dagegen die Verhandlungsführer. Doch Tiziana Beghin von der populistischen italienischen Fünf-Sterne-Bewegung schlägt in die gleiche Kerbe: "200.000 europäische Arbeitsplätze werden verlorengehen, die Löhne um 1000 Euro sinken, Gen-Getreide auf unseren Tellern landen." CETA sei ein "Staatsstreich".

"CETA nimmt die Luft zum Atmen" scheint die Demonstrantin vor dem Europaparlament ausdrücken zu wollenBild: Getty Images/AFP/F. Florin

Dem schließt sich Marine Le Pen vom rechtsextremen Front National nahtlos an: Es drohten Übernahmen durch multinationale Unternehmen, der Untergang französischer Bauern, der Verlust von Arbeitsplätzen. "Nur Nationen können Verträge aushandeln", betont Le Pen und stellt in Aussicht, nach den Wahlen in Frankreich das Abkommen im französischen Parlament zu kippen.

Keine überwältigende Zustimmung

Das Ergebnis der Abstimmung ist dann für die Freunde des Handelsabkommens eher mager: Mit 408 von 751 Stimmen wird CETA angenommen, mit den Stimmen von Christdemokraten, Liberalen, Konservativen und Sozialdemokraten. Es fehlen fast 70 Stimmen von Abweichlern aus diesen Fraktionen, vermutlich aus dem sozialdemokratischen Lager.

Der Riss geht quer durch die Fraktion. So sieht Sorin Moisa aus Rumänien CETA als gutes Signal gegen Protektionismus und Nationalismus. Er weiß aber auch, dass einige seiner Kollegen befürchten, dass öffentliche Dienstleister wie die Wasserversorgung oder der Nahverkehr nicht ausreichend vor einem Wettbewerb mit kanadischen Anbietern geschützt sind.

Erst das "Nein" der Wallonie - dann doch unterzeichnet: das CETA-Abkommen beim EU-Kanada-Gipfel im Oktober 2016Bild: picture alliance/AP Photo/T. Monasse

Solche Bedenken teilen auch die Grünen. Deren Fraktionsvorsitzende Ska Keller sieht darüber hinaus Probleme vor allem für die Landwirtschaft: "Kanadische Farmer haben riesige Flächen, sie können Produkte billiger anbieten. Dem sind europäische Bauern nicht gewachsen." Sie will allerdings mit ihrer Kritik nicht in einem Topf geworfen werden Le Pen: und Trump: "Wir sind für Handel, aber es soll fairer Handel sein." Dafür reichen den Grünen die Regeln in CETA nicht aus.

Hürden bleiben

Handelskommissarin Cecilia Malmström ist erleichtert: "Ich bin glücklich über die Abstimmung. Wir bauen Brücken, nicht Mauern" - eine Anspielung auf Donald Trump. Sie nennt CETA ein vorbildliches Abkommen, ein Muster für freien, fairen und nachhaltigen Handel. Mit CETA will Malmström beweisen, dass die EU überhaupt noch imstande ist, Handelsabkommen abzuschließen. Wäre CETA im politischen Streit untergegangen, hätte die EU-Kommission einen großen Teil ihrer Glaubwürdigkeit verloren.

Der Liberale Alexander Graf Lambsdorff attackiert am Ende noch einmal die parteiübergreifende Anti-CETA-Fraktion: "Wenn wir mit Kanada kein Abkommen abschließen können, mit wem dann?" Für ihn ist der rechte Nationalismus das Gleiche wie der linke Nationalismus. In seinen Augen verdrehen sie die Tatsachen. "Es gibt keinen Unterschied zwischen rechten und linken 'alternativen Fakten'."

Mit der Abstimmung im Europaparlament kann CETA innerhalb einiger Wochen in Kraft treten. Allerdings kommt danach eine weitere Hürde: 38 nationale und regionale Parlamente müssen dem Handelsabkommen zustimmen. Die belgische Region Wallonie hatte im vergangenen Herbst gezeigt, wie wirksam Widerstand dort sein kann. Der Kampf um CETA geht also weiter und der Vertrag könnte möglicherweise für viele Jahre "vorläufig in Kraft" sein.

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