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Finanzmärkte bleiben Dauerbaustelle

Henrik Böhme15. September 2013

Fünf Jahre nach der Pleite der US-Bank Lehman Brothers herrscht an den Finanzmärkten relative Ruhe. Doch die ist teuer erkauft. Und wirklich gebannt ist die Gefahr einer neuen Krise nicht.

Ein Schriftzug zeigt das Datum "15. September" an der Zentrale von Lehman Brothers in New York, USA, am 15. September 2008. Foto: dpa
Bild: picture-alliance/dpa

Acht Billionen Euro - oder 8000 Milliarden Euro: Das sind nach Berechnungen der Tageszeitung "Die Welt" die volkswirtschaftlichen Kosten der Weltfinanzkrise. Begonnen hatte sie am 15. September 2008. An diesem Tag musste die US-Investmentbank Lehman Brothers Insolvenz anmelden. Es war der Höhepunkt einer schon länger schwelenden Krise am US-Häusermarkt, ausgelöst durch schlecht besicherte Hypothekenkredite, sogenannte Subprimes. Was folgte, ist bekannt: Die Weltwirtschaft rutschte in eine tiefe Rezession, die Staaten mussten milliardenschwere Konjunkturpakete schnüren, betroffene Banken und Versicherungen weltweit mit Steuer-Milliarden vor dem Zusammenbruch bewahrt werden.

Eilig fanden sich die 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) zusammen, um Krisenfeuerwehr zu spielen. Das Versprechen damals: Kein Finanzakteur und kein Finanzprodukt sollen künftig unkontrolliert daherkommen. Reformen wurden angestoßen. Verhindern sollten sie vor allem eines: Dass die Pleite einer Bank das gesamte System ins Wanken bringen kann. Und das nicht die Steuerzahler dieser Welt für die missratenen Zockereien von Banken gerade stehen müssen.

Ein weltweiter Börsencrash war eine der Folgen der Lehman-PleiteBild: AP

Sind die Banken sicherer?

Heute, fünf Jahre nach dem Lehman-Crash, lautet die Frage: Könnte es morgen wieder passieren oder ist die Finanzwelt mittlerweile besser auf solche Ereignisse vorbereitet? Die Antwort fällt nicht eindeutig aus, es ist eher ein: Ja, aber. Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret zum Beispiel sagt, es sei zu früh für eine Entwarnung. Ähnlich sieht das Jörg Asmussen, deutscher Vertreter im Direktorium der Europäischen Zentralbank (EZB). Er warnte davor, die "relative Ruhe" in den Finanzmärkten überzubewerten. Trotz allem sei aber einiges erreicht.

Das sieht auch Martin Faust von der Frankfurt School of Finance and Management so. "Man hat sicherlich einiges getan. Die Banken sind heute solider mit Eigenkapital ausgestattet", so Faust im Gespräch mit der DW. Allerdings habe man immer noch das Problem, daß einige Banken zu groß seien. Käme eine solche Bank in Schwierigkeiten, müssten die Staaten und somit der Steuerzahler weiterhin unterstützen. "Hier war man nicht konsequent genug. Es gibt ja diesen Begriff 'too big to fail'. Hier hätte man eigentlich die international tätigen großen Banken entsprechend verkleinern müssen."

Fünf Jahre danach: die Lehman-Pleite

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Krisengefahr bleibt

Auch Sven Giegold, Globalisierungskritiker und Europa-Abgeordneter der Grünen, sieht die Regulierung der Finanzbranche auf dem richtigen Weg. Gebannt sei die Gefahr aber keineswegs. Zwar verfügten die Banken mittlerweile über mehr Eigenkapital und das Schattenreich der Derivate werde langsam transparent und Hedgefonds würden zumindest beaufsichtigt. "Aber die Krisengefahren sind nicht gebannt, weil das Übermaß an Verschuldung weiter gleich hoch ist", so Giegold zur DW. "Wir sitzen also auf der gleichen Schuldenblase, und die kann immer wieder an verschiedenen Stellen zu großen Fehlentwicklungen führen."

Einen weiteren Schritt in der Krisen-Prävention hat die Europäische Union in dieser Woche getan: Das EU-Parlament machte am Donnerstag (12.09.2013) den Weg frei zu einer europäischen Bankenaufsicht unter dem Dach der EZB. Diese soll in einem Jahr einsatzfähig sein.

Schattenbanken im Visier

Auch den billionenschweren Sektor der sogenannten Schattenbanken will man in den kommenden Jahren an die Leine legen. Die G20 verabschiedeten auf ihrem jüngsten Gipfeltreffen in St. Petersburg Anfang September nun endlich einen Zeitplan, um Hedgefonds und andere unregulierte Finanzinstitute besser kontrollieren zu können. Damit, so sagte es Bundeskanzlerin Angela Merkel in St. Petersburg, wollte man deutlich machen: "Wir stehen zu unserem Wort, wonach jeder Finanzakteur, jeder Finanzplatz und jedes Finanzprodukt einer Regelung unterworfen werden muss. Und daran muss die Welt gemeinsam arbeiten."

Es bleibt also noch einiges zu tun, es bleibt, so sagt es auch Michael Hüther, der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), "ein langer Entwicklungs- und Lernprozess." Man sei aber auf einem überwiegend richtigen Weg. Die Fluchtpläne für Feuer, die in einem Gebäude immer aushängen würden, die seien jetzt auch in Banken aufgehängt und lägen bei der Finanzaufsicht vor. Und das nehme einen großen Teil der Verunsicherung. "Denn das Entscheidende am 16. September, dem Montag nach der Lehman-Pleite, war ja, dass man nicht wusste, was zu tun ist. Da ging keiner ans Telefon."

War das wirklich nötig?

Und noch eine Frage wird bis heute nicht wirklich beantwortet. Musste man Lehman Brothers wirklich pleite gehen lassen, oder hätte man sie nicht doch mit ein paar Milliarden stützen können und der Welt eine große Krise erspart? Sicher, man hätte. Nur: Der US-Finanzminister in diesen September-Tagen des Jahres 2008 hieß Henry M. Paulson. Der war zuvor viele Jahre Chef der Investment-Bank Goldman Sachs. Sein Erzfeind war ein gewisser Richard Fuld, der Chef von Lehman Brothers. Paulson rettete mit 180 Milliarden US-Dollar den Versicherungsriesen AIG. Lehman und damit seinen einstigen Gegner Fuld ließ er am ausgestreckten Arm verhungern.

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