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Politik

Finnlands Führung: jung, weiblich, kompetent

Mirjam Benecke | Teri Schultz
10. Dezember 2019

Sie ist die jüngste Regierungschefin der Welt. Doch trotz des Erfolgs der frisch gewählten Ministerpräsidentin Sanna Marin gilt: Gleichberechtigung ist auch in Finnland noch keine Selbstverständlichkeit.

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Li Andersson (Linke), Katri Kulmuni (Zentrum), Sanna Marin (Sozialdemokraten) und Maria Ohisalo (Grüne)Bild: Reuters/Lehtikuva

Ab sofort ist Sanna Marin Finnlands Regierungschefin. Mit ihrem Amtsantritt stellt die 34-jährige Sozialdemokratin auch gleich einen Rekord auf: Sie ist die jüngste Ministerpräsidentin der Welt. Aber ist das wirklich eine Sensation? Eigentlich nicht. Jedes politische Amt, von der Bürgermeisterin bis zur Staatspräsidentin, ist in Finnland schon mindestens einmal von einer Frau besetzt worden.

Finnische Frauen dürfen seit 113 Jahren wählen

"Wir sind so glücklich und erleichtert", sagte Terhi Heinilä der Deutschen Welle. Die Generalsekretärin des Nationalrats finnischer Frauen findet, es war mal wieder Zeit für eine Politikerin an der Spitze des Landes. Denn: Schon seit 1906 haben Frauen in der skandinavischen Republik die gleichen politischen Rechte wie Männer. "Doch wir hatten bisher nur zwei Ministerpräsidentinnen, und die blieben beide sehr kurz im Amt", so Heinilä.

Sanna Marin nach ihrer Wahl zur Ministerpräsidentin in HelsinkiBild: Reuters/Lehtikuva

Der frühere Ministerpräsident Antti Rinne hatte in der letzten Woche seinen Rücktritt eingereicht. Grund dafür war ein Streit innerhalb seiner Koalition. Trotzdem bleibt er vorerst weiter Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei. Sanna Marin wird diesen Posten wahrscheinlich im Juni 2020 übernehmen.

Finnland wird unter Marin weiter von einer Fünf-Parteien-Regierungskoalition regiert. Dazu zählen neben den Sozialdemokraten die Zentrumspartei, die Grünen, die Linken und die Schwedische Volkspartei. Das Besondere: Alle Koalitionspartner haben Frauen als Vorsitzende. Drei von ihnen sind unter 40 Jahre alt.

Junge Durchstarter an der Koalitionsspitze

Da ist zum Beispiel die 32 Jahre alte Katri Kulmuni. Sie wurde mit 28 Jahren ins finnische Parlament gewählt und ist seit September Chefin der Zentrumspartei. Ihren Posten als Wirtschaftsministerin wird sie bald gegen das Amt der Finanzministerin eintauschen.

Ebenfalls 32 Jahre alt ist die Linken-Parteichefin und Bildungsministerin Li Andersson. Nur zwei Jahre älter ist Maria Ohisalo, Vorsitzende der Grünen und Innenministerin.

Katri Kulmuni (Zentrum) und Sanna Marin (Sozialdemokraten) bei einer Talkshow in HelsinkiBild: Reuters/Lehtikuva

Insgesamt 47 Prozent der finnischen Parlamentarier sind Frauen. Damit liegt das Land weit über dem europäischen Durchschnitt - der liegt bei 29 Prozent. Das ergab eine Studie des Rats der Gemeinden und Regionen Europas.

Ein Grund für die hohe Frauenquote in der finnischen Politik: Seit über hundert Jahren dürfen Frauen in Finnland gleichberechtigt wählen und gewählt werden. Miina Sillanpää, früher Fabrikarbeiterin und Haushaltshilfe, war die erste Frau, die 1926 ein Ministeramt übernahm. Zum Vergleich: In Deutschland wurde Elisabeth Schwarzhaupt erst über 30 Jahre später zur ersten Bundesministerin gewählt.

Neben dem früh eingeführten Frauenwahlrecht hat Terhi Heinilä noch eine andere Theorie, weshalb gerade jetzt so viele junge Politikerinnen die Geschicke des Landes leiten. "Als diese Frauen noch Kinder waren, bekam Finnland mit Tarja Halonen seine erste weibliche Staatspräsidentin." Das war im Jahr 2000. "Junge Mädchen haben gesehen: Frauen können erfolgreiche Politikerinnen sein."

Viele Finnen sind stolz auf ihre junge, weibliche Führungsriege. Aber: "Noch jubeln wir: Schaut, wie fortschrittlich wir sind", sagte die finnische Politologin Sini Korpinen der DW. "Aber ich denke, dass gerade dadurch ein hoher Erfolgsdruck auf den Parteichefinnen lastet." 

Gegenwind von rechts

Gegenwind bekommt die Regierung vor allem von der rechtspopulistischen Partei "Die Finnen". Bei den Parlamentswahlen im April wurden die Rechtspopulisten mit 17,5 Prozent der Stimmen erstmals zweitstärkste Kraft. "Seit ihrem Erfolg sind Hassreden gegen Minderheiten und Frauen normal geworden", sagt Korpinen. Die Politikanalytikerin hat in den letzten Jahren einen deutlichen Anstieg der Frauenfeindlichkeit im Land beobachtet.

"Jetzt ist es an der Zeit, nach vorne zu schauen und das Vertrauen der Finnen zu bekommen", sagte Sanna Marin nach ihrer Wahl in Helsinki. Sie will vor allem den Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit und Gleichberechtigung weiter vorantreiben.

Für die Sozialdemokratin spielt die Frage nach ihrem Geschlecht oder Alter dabei keine Rolle. "Ich habe nie über mein Alter und Geschlecht nachgedacht", so Sanna Marin. "Ich denke an die Gründe, die mich in die Politik gebracht haben."

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