"Firmen liefern nur Mindestinformationen"
10. Januar 2018Die Uni Hamburg hat mit zusammen mit dem Beratungsunternehmen Deloitte die Berichte der 30 Dax-Unternehmen unter dem Aspekt der Corporate Governance untersucht. Die Studie hat ein ernüchterndes Ergebnis gebracht. Zu viele Firmen nehmen es danach mit der Berichterstattung über ihre Unternehmensführung nicht genau genug. Die DW hat mit einem der Autoren der Studie gesprochen.
Herrn Professor Freidank, was prüfen Sie genau? Nach welchen Kriterien haben Sie die 30 DAX-Unternehmen untersucht?
Wir untersuchen die Corporate Governance. Das heißt, die Unternehmensführung durch den Vorstand und die Unternehmensüberwachung durch den Aufsichtsrat.
Sie überprüfen nur das Berichtswesen, verifizieren aber nicht die jeweiligen Angaben. Ist das richtig?
Das ist richtig. Wir müssen uns auf das verlassen, was die Unternehmen publizieren. Dazu gibt es gewisse gesetzliche Regelungen, die Ermessenspielräume zu lassen. Die Crux dabei ist, dass der Gesetzgeber die Informationen, die gesetzlich zu bringen sind, nicht mit einer Prüfungspflicht durch den Abschlussprüfer versehen hat. Das heißt also, die Unternehmen können da eigentlich machen, was sie wollen. Und das ist auch die große Schwierigkeit für die Ratingagenturen und die Adressaten, die an diesen Informationen interessiert sind, beurteilen zu können: Ist das überhaupt richtig? Trifft das zu, was die Leute machen?
Ist ihrer Erfahrung nach die Corporate Governance aus Sicht der Unternehmen nur so eine Modeerscheinung nach dem Motto: "Wir achten jetzt mal da drauf, weil gerade jede Zeitung darüber schreibt?" Oder ist die Wichtigkeit der Corporate Governance inzwischen angekommen?
Die ist angekommen. Die ist auch gesetzlich angekommen durch die EU. Durch die Richtlinien der EU haben wir schon seit über zehn Jahren eine Pflicht zur Erstellung einer Erklärung zur Unternehmensführung. Da müssen die minimalen Inhalte der Corporate Governance publiziert werden. Für große, börsennotierte Gesellschaften ist das vorgeschrieben. Und insofern ist nicht zu verstehen, dass die meisten Unternehmen da nur mit gebremstem Schaum herangehen, sie also nicht die maximalen Informationen liefern sondern nur die Mindestinformation. Und einige bleiben sogar unterhalb dieser Mindestanforderungen. Und das sehen wir als besonders problematisch an, weil der Kapitalmarkt dann unzureichend über Führung und Überwachung der Unternehmen unterrichtet wird.
Viele Unternehmen sind selbst ja auch wieder investiert in andere Unternehmen. Es gibt mit unter sogar undurchsichtige Verflechtungen. Kann man den Corporate Governance dann überhaupt noch richtig kontrollieren oder beurteilen?
Ja, aber selbst verständlich. Denn die Aufsichtsräte und die Vorstände sind zu einer unabhängigen Tätigkeit verpflichtet und müssen auch unabhängige Informationen über Unternehmensverflechtungen und auch Unternehmenszusammenschlüsse liefern. Ein Aufsichtsrat muss erklären, wenn er befangen ist und das muss dann auch publiziert werden. Also, das ist eigentlich alles vorgesehen. Nur gemacht wird es nicht.
Was bringt Sie, als jemand, der sich die Unternehmensführung genau anschaut, eigentlich am ehesten und verlässlichsten auf die Palme?
Am verlässlichsten bringt mich auf die Palme, dass zukünftige Informationen über Führung und Überwachung, die wichtig sind für Investoren, nicht in den Vordergrund gestellt werden. Es sind immer nur die finanziellen Kennzahlen, die eine Rolle spielen. Also das Jahresergebnis, der Bilanzgewinn, ganz bestimmte Bilanzkennzahlen - aber nicht diese weichen Faktoren, die dann für die Zukunft, für die Nachhaltigkeit des Unternehmens eine ganz große Rolle spielen. Wie ist beispielsweise der Aufsichtsrat zusammengesetzt? Mit welchen Personen? Mit welcher Qualifikation ist auch der Vorstand zusammengesetzt? Alles das wird nicht nach draußen transportiert und ist dabei doch ganz wichtig etwa für Investorenentscheidungen.
Wenn Sie sich etwas wünschen könnten von der Politik: Was muss Ihrer Ansicht nach geschehen, um ihre Arbeit zu erleichtern auf der einen Seite und die Corporate Governance in Unternehmen auf der anderen Seite nach vorne zu bringen?
Wir brauchen eine grundsätzliche Reform des Paragraph 289 im Handelsgesetz. Daran arbeiten wir auch und werden unsere Vorschläge zu einer Erweiterung des Corporate-Governance-Reporting jetzt im Februar auch dem Bundesministerium der Justiz präsentieren und hoffen, dass die bei der Aktionärsrichtlinie in der Reform berücksichtigt werden. Wir sehen ein großes Defizit in den Verpflichtungen, diese Informationen an den Kapitalmarkt zu bringen.
Carl-Christian Freidank ist Professor für Controlling am Institut für Wirtschaftsprüfung und Steuerwesen der Universität Hamburg.
Die Fragen stellte Dirk Kaufmann.