Mehrere deutsche Unternehmerinitiativen machen der Politik Druck für mehr Klimaschutz und geloben, selbst besser zu werden. Ist das nur Greenwashing oder steckt ehrliche Absicht dahinter?
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Als an diesem Freitag das Klima-Kabinett der Bundesregierung tagte und die Schüler fürs Klima in Streik traten, schlossen auch rund 2500 Unternehmer ihre Betriebe, Büros, Läden und Online-Shops und gaben ihren Mitarbeitern für die Demos frei. Die Initiative "Entrepreneurs for Future" (EFF) versteht sich als Gruppe von Unternehmen, die heute schon mit ihren Produkten und Dienstleistungen aktiv zum Klimaschutz beitragen. Sie fordern eine wirksame und planbar steigende CO2-Bepreisung für alle Sektoren, eine beschleunigte Energie-, Agrar- und Mobilitätswende, eine echte Kreislaufwirtschaft, die Abschaffung klimaschädlicher Subventionen, ein ambitioniertes Klimaschutzgesetz und einen Innovationsfonds.
Unter den Unterzeichnern finden sich Fahrradhersteller, Biobauern und Erneuerbare-Energie-Produzenten. Die Initiatoren kommen zwar aus der Ökobranche, aber es können sich alle aktiven Unternehmer, Gründer und Freiberufler anschließen, die sich mit der Bewegung identifizieren. Um möglichst auch "ungewöhnliche Akteure ins Boot zu holen", suchen die regionalen EFF-Gruppen Verbündete bei den Industrie- und Handelskammern und anderen Netzwerken.
In zwei Jahren klimaneutral werden
Etwa bei den "Leaders for climate action". Mehr als 100 deutsche Digitalunternehmer haben Ende August einen "Green Pledge" unterzeichnet. Das Versprechen gilt sowohl auf persönlicher als auch auf unternehmerischer Ebene. Die Chefs von Telekom, Zalando, Flixbus, Mister Spex, dem Wagniskapitalgeber Earlybird und viele andere verpflichten sich, den CO2-Fußabdruck zu berechnen und innerhalb der nächsten zwei Jahre schrittweise zu verkleinern. Die Digitalisierung soll dabei helfen. Was sich nicht reduzieren lässt, soll durch zertifizierte Ausgleichsmaßnahmen vollständig kompensiert werden.
Diese Umsetzung werde geprüft, damit man sich nicht bloß einfach ein grünes Image verschaffen kann, versichert Doreen Rietentiet von der Agentur DWR eco als Sprecherin der Initiative. "Wenn sie die Versprechen nicht erfüllen, etwa die Inlandsflüge einzustellen, würden sie auch ihre Glaubwürdigkeit gegenüber ihren Mitarbeitern verlieren". Das Problem, meint Rietentiet, seien ohnehin die DAX-Konzerne, die das meiste CO2 in die Luft pusteten. Deren Ausstoß ist 2018 entweder nur geringfügig gesunken oder sogar kräftig gestiegen: Die Effizienzanstrengungen wurden vom Wirtschaftswachstum aufgefressen. "Deshalb fordern wir einen Preis für das Klimagas."
Klimaschutz zum neuen Geschäftsmodell machen
Aber das verlangen inzwischen sogar Konzerne aus der Auto,- Bau-, Chemie- und Metallindustrie. Die Stiftung 2 Grad hat am 9. September ein Positionspapier vorgelegt, in das die Expertise von über 30 Großunternehmen eingeflossen ist. Es sind laut Sabine Nallinger, Vorständin der Stiftung, die Teile der Wirtschaft, die vor enormen Herausforderungen stünden und Milliarden investieren müssten, um das Ruder herumzureißen. Aufgeschlüsselt nach den Sektoren Gebäude, Verkehr und Industrie, führen sie Maßnahmen auf, die die Sanierungsquote des Bestands erhöhen, die Elektromobilität anschieben, die Schiene stärken und innovativen Technologien in der industriellen Produktion zum Erfolg verhelfen sollen. Von der öffentlichen Hand erwarten die Unternehmen, dass sie Anreize schafft und mit gutem Beispiel vorangeht. "Klimaschutz muss schnell zum Geschäftsmodell werden", sagt Nallinger.
Die Stiftung 2 Grad ist die älteste deutsche Wirtschaftsinitiative gegen die Erderwärmung: Sie wurde von den Vorstandsvorsitzenden und Inhabern einer Reihe namhafter Unternehmen ins Leben gerufen und kann sich gut Gehör bei der Politik verschaffen. Sie pflegt auch den Kontakt zur Wissenschaft, zu Nichtregierungsorganisationen und den eher mittelständisch geprägten Initiativen wie EFF und den "Leaders for climate action".
Vorreiter ihrer Branche
Das persönliche Engagement der Firmenchefs ist Voraussetzung für die Mitgliedschaft, so Sabine Nallinger. Die Förderer würden einer Einzelprüfung unterzogen: "Wir schauen uns das Unternehmen und die Personen an und vergleichen mit den Unternehmen der gleichen Branche." Der Kreuzfahrtanbieter Aida wurde zum Beispiel aufgenommen, weil er als erster vom Schweröl als Treibstoff wegzukommen versuche: "Aida mischt gerade die Schifffahrtsbranche auf." Auch ein eher für seinen Preiskrieg auf Kosten der Bauern bekannter Discounter gehört zu den "2 Grad"-Förderern. Aldi Süd wirtschaftet nach eigenen Angaben bereits klimaneutral: An den Filialen werden Photovoltaikanlagen und Elektro-Ladesäulen installiert, die Läden und die Logistik wurden auf Energieeffizienz getrimmt. Man kompensiere das Rest-CO2 und dränge auch die Lieferanten dazu, die Emissionen zu erfassen.
"Grundsätzlich ist es gut, dass Unternehmen bei solchen Initiativen mitmachen. Sie stellen sich öffentlich dar und werden dadurch angreifbar: Man wird sie an ihren eigenen Kriterien messen", sagt Susanne Blazejewski, die an der Alanus Hochschule über nachhaltige Organisations- und Arbeitsplatzgestaltung forscht. "Das hat neben der CO2-Senkung auch andere Effekte: innerhalb der Organisation auf das Thema aufmerksam machen, die Mitarbeiter ins Boot holen". Selbst knallharte Ökopioniere könnten immer noch besser werden, so die Expertin. Aber gerade bei Unternehmen, die bisher nur wenig nachhaltig wirtschaften, würden firmenintern positive Effekte ausgelöst. Susanne Blazejewski: "Es sind kleine Bausteine, an die man andocken kann. Wenn Aldi Ladesäulen aufstellt, werden die Mitarbeitenden vielleicht auch bald Dienst-Bikes und Bioessen in der Kantine einfordern."
Wer sich beim Klimaschutz bewegen muss
Am 20. September will die Bundesregierung ihre Klimapolitik konkretisieren, um die eigenen Ziele doch noch zu erreichen. "Es muss jetzt Schluss sein mit Pillepalle", sagt die Kanzlerin. Hält sie Wort?
Extremwetter
In den vergangenen 50 Jahren hat sich die Zahl extremer Wetterereignisse in Deutschland mehr als verdoppelt. Trotzdem hinkt die Bundesregierung bei den selbst gesetzten Klimaschutzzielen hinterher. Ende 2016 hatte sie den "Klimaschutzplan 2050" beschlossen. Nun soll ein "Klimakabinett" am 20. September weitere Maßnahmen verabschieden, damit die Ziele doch noch erreicht werden.
Bild: picture-alliance/dpa/A. Weigel
Verursacher des Klimawandels
Gase, die zum großen Teil durch menschliche Aktivitäten entstehen, verursachen den Treibhauseffekt. Dazu zählen Methan, Lachgas und Kohlendioxid (CO2). Letzteres macht fast 90 Prozent der Treibhausgas-Emissionen aus. Zwischen 1990 und 2017 sind diese Emissionen um gut ein Viertel auf knapp 905 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente gesunken. Noch in weiter Ferne ist das Ziel für 2030: minus 55 Prozent.
Bild: picture-alliance/dpa/Geisler-Fotopress
Wer sich wie viel bewegen muss
Die Energiewirtschaft hat 2016 mit knapp 38 Prozent den größten Anteil an den deutschen Treibhausgas-Emissionen. Davon entstehen vier Fünftel beim Verbrennen von Braun- und Steinkohle, um Strom und Wärme zu produzieren. Bis spätestens 2038 will Deutschland komplett auf Kohle verzichten. 2017 trugen erneuerbare Energien rund ein Drittel zur deutschen Stromerzeugung bei.
Erneuerbare Energien weiter ausbauen
Der Klimaschutzplan sieht vor, die Emissionen im Energiesektor bis 2030 um bis zu 62 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Wie? Durch den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien, eine höhere Energieeffizienz und die Reduzierung fossiler Energiequellen.
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Industrie als zweitgrößter Klimasünder
Die Industrie stößt über 20 Prozent der deutschen Treibhausgase aus - vor allem bei der Herstellung von Eisen und Stahl, bei mineralischen Produkten (Zement) und Grundchemikalien. Zwei Drittel der Emissionen des Sektors entstehen durch die Nutzung von Energie, der Rest bei industriellen Produktionsprozessen. In den vergangenen 15 Jahren wurde der Ausstoß von Treibhausgasen nur leicht reduziert.
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Pläne für die Industrie
Bis 2030 soll die Industrie nur noch halb so viele Emissionen ausstoßen wie 1990, so der Klimaschutzplan. Unternehmen sollen weniger Energie verbrauchen und mehr in effizientere Produktionsprozesse investieren. Auch Abwärme soll besser genutzt werden. Weitere Einsparmöglichkeiten hofft man durch Forschungsprogramme zu entdecken.
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Grund für Autoscham
Der Verkehr verursacht knapp 18 Prozent der deutschen Treibhausgase. 2016 lagen die absoluten Emissionen im Verkehrssektor sogar über denen des Jahres 1990. Über 60 Prozent der Emissionen kommen von PKW und gut 30 Prozent von Nutzfahrzeugen. Dagegen tragen der Luftverkehr, die Küsten- und Binnenschifffahrt, Motorräder jeweils weniger als zwei Prozent zu den Emissionen im Verkehrssektor bei.
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Es bleibt dabei: Fliegen besser vermeiden
Wer jetzt meint, Fliegen sei ja nicht so schlimm, der irrt. Neben dem Ausstoß von CO2 entstehen bei der Verbrennung von Kerosin Substanzen wie Stickoxide, Aerosole und Wasserdampf, die in luftiger Höhe durch den nur langsamen Abbau stärker wirken als am Boden und so den Treibhauseffekt entsprechend vergrößern.
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Elektromobilität und Co.
Bis 2030 sollen die Verkehrsemissionen um rund 40 Prozent gegenüber 1990 gemindert werden - durch Digitalisierung, energieeffizientere Fahrzeuge sowie alternative Antriebe und Kraftstoffe. Außerdem sollen der öffentliche Nahverkehr, die Bahn, Car-Sharing-Modelle, Fahrradfahrer und Fußgänger gefördert werden. Eine bessere Planung soll Verkehr vermindern.
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Warmes Wohnen treibt die Temperaturen
Private Haushalte verursachen zehn Prozent der deutschen Treibhausgas-Emissionen. Sie entstehen, wenn Energieträger verbrannt werden, um Wärme zu produzieren. Seit 1990 sind diese Emissionen um mehr als 30 Prozent gesunken. Würden auch indirekte Emissionen (etwa aus der Strom- und Wärmeproduktion für Haushalte) berücksichtigt, wäre der Anteil an den Gesamtemissionen mehr als doppelt so hoch.
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Einsparpotenziale beim Wohnen
Bis 2030 sollen die privaten Haushalte um zwei Drittel weniger Emissionen ausstoßen als 1990. Erreicht werden soll das vor allem durch energiesparende Neubauten, Sanierung von Altbauten und die schrittweise Abkehr von fossilen Heizungssystemen.
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Treibhausgase der Bauern
Die Landwirtschaft verursachte 2016 knapp acht Prozent der Gesamtemissionen. Vor allem das extrem klimawirksame Methan (CH4 ) und Lachgas (N2O) sind hier das Problem, weniger CO2. Diese Gase werden von Kühen beim Wiederkäuen ausgestoßen sowie durch stickstoffhaltige Düngemittel und Tierhaltung verursacht. Immerhin: Der Ausstoß von Treibhausgasen ist seit 1990 um über 20 Prozent gesunken.
Bild: picture-alliance/dpa/M. Scholz
Ganz ohne Treibhausgase geht es nicht
Bis 2030 sollen in der Landwirtschaft rund ein Drittel weniger Treibhausgase ausgestoßen werden als 1990. Viele Emissionen entstehen durch natürliche Prozesse und lassen sich nicht völlig vermeiden. Die Biolandwirtschaft soll ausgebaut werden. Sie verzichtet auf mineralische Dünger und chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel, was den CO2-Ausstoß senkt.
Bild: picture-alliance/dpa
Nur ein kleiner Posten
Die Emissionen von Gewerbe, Handel und Dienstleistungen betragen vier Prozent der Gesamtemissionen und sind seit 1990 um mehr als 50 Prozent gesunken. Ein Großteil der Emissionen ensteht durch das Erwärmen beziehungsweise Kühlen von Gebäuden. Auch hier muss also gehandelt werden.
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Vorbild: Müll
Nur sehr gering ist der Anteil der Abfallwirtschaft inklusive der Abwasserbehandlung an den Gesamtemissionen in Deutschland. Und in dieser Branche ist viel passiert: Seit 1990 sind die Emissionen hier um fast drei Viertel gesunken, das ist der stärkste Rückgang aller Sektoren. Künftig soll noch mehr recycelt werden und Abfälle effektiver zur Erzeugung von Strom und Wärme benutzt werden.
Bild: picture-alliance/dpa/J. Wolf
Wälder als CO2-Speicher
In Wäldern wird CO2 gespeichert und nicht ausgestoßen. 2016 sanken die Gesamtemissionen dadurch um 14,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Bei intensiv betriebener Land- und Forstwirtschaft wird gespeichertes CO2 jedoch wieder freigesetzt. Heute speichern die landwirtschaftlichen Böden in Deutschland weniger als halb so viele Treibhausgase wie noch 1990.
Bild: DW/P. Große
Drastische Maßnahmen nötig
Ein großes Thema beim Klimaschutz: Wie kann man CO2-Emissionen teurer machen, damit sich ihre Vermeidung lohnt? Im Gespräch sind eine CO2-Steuer und die Ausweitung des Emissionshandels auf die Bereiche Verkehr und Wohnen. Eine Steuer ließe sich schneller umsetzen, allerdings weiß man nicht genug darüber, wie sie wirkt. Beim Emissionshandel dagegen kann eine Obergrenze für CO2 festgelegt werden.