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Fischsterben vor Volos: Eine Stadt in Ausnahmezustand

Kaki Bali (aus Athen)
2. September 2024

Nach Überschwemmungen, Hitzewelle und Waldbränden erlebt Griechenland nun die nächste Umweltkatastrophe - Massen angeschwemmter toter Fische in der Bucht von Volos. Auch die Ursachen dieses Unglücks sind menschengemacht.

Zwei Moped-Fahrer schauen auf sehr viele tote Fische im Wasser an einer Hafenpromenade
Tote Fische an der Hafenpromenade von Volos in MittelostgriechenlandBild: SAKIS MITROLIDIS/AFP

Überschwemmungen, Hitzewelle, Waldbrände und Wassermangel auf den Ägäis-Inseln - Griechenland kämpft besonders in diesem Jahr mit vielen Natur- und Umweltkatastrophen. Nun kommt eine weitere hinzu: Seit dem 26. August wurden in der mittelgriechischen Hafenstadt Volos und ihrer Umgebung mehr als hundert Tonnen toter Süßwasserfische angeschwemmt - über einen kleinen Fluss in der Bucht Pagasitikos in der Nähe des Hafens. Die örtlichen Behörden riefen bis Ende September den Notstand aus. Derzeit läuft in der Hafenstadt die Beseitigung der toten Fische auf Hochtouren.

Die angeschwemmten Fische stammen aus dem Karla-See, rund 20 Kilometer nördlich der Hafenstadt Volos, einer der größten Seen Griechenlands. Er wurde 1962 vollständig trockengelegt, um landwirtschaftliche Anbaufläche zu gewinnen, von 2010 bis 2018 aber wieder teilweise renaturiert. Nach den sintflutartigen Überschwemmungen durch das Sturmtief Daniel im September 2023 weitete sich seine Fläche binnen weniger Tage wieder bis zur ursprünglichen Größe von rund 180 Quadratkilometern aus. In den nachfolgenden Monaten fanden Fische im Karla-See reichlich Nahrung und vermehrten sich enorm.

Tote Fische im Fluss Xirios nahe der Hafenstadt Volos am 28.08.2024Bild: Sakis MitrolidisAFP/Getty Images

Dann kam der heißeste griechische Sommer seit Menschengedenken. Über Monate hinweg fiel kein Tropfen Regen. Infolgedessen sank der Wasserspiegel des Sees zu schnell und zu stark, viele Fische erstickten. Vorherige erste Berichte, denen zufolge die Fische beim Eintritt ins Meer an den Schwankungen des Salzgehalts starben, erwiesen sich als falsch - sie waren bereits tot, als sie ins Meer gespült wurden.

Behörden reagierten nicht rechtzeitig

Es ist nur das massivste, aber nicht das erste Fischsterben in der Gegend. Daher hätten Behörden die Entwicklung im Karla-See eigentlich überwachen und das sich anbahnende Fischsterben beobachten müssen. Sie hätten rechtzeitig Netze im Fluss Xirios auslegen müssen, um die toten Fische einzusammeln und zu entsorgen. Stattdessen gelangten die Fische ins Meer.

Mittlerweile wurden im Hafen von Volos und an den umliegenden Stränden mehr als hundert Tonnen verendeter Fische eingesammelt. Mit gecharterten Fischtrawlern und Baggern versuchen die lokalen Behörden, die Kadaver zu beseitigen. Die Fische werden in Behältern gesammelt und zu einer Spezialanlage in der benachbarten Stadt Larissa transportiert, wo sie verbrannt werden können.

Ein Bagger schaufelt tote Fische aus dem Fluss Xirios nahe der Hafenstadt Volos am 29.08.2024Bild: Vaggelis Kousioras/AP Photo/picture alliance

Daneben gibt es jedoch auch Unmengen toter Fische, die gemischt sind mit Sand, Algen und Müll. Dafür sucht die Stadt Volos derzeit nach einem Ort für eine Sondermülldeponie. In Frage käme ein stillgelegter Steinbruch in der Gemeinde Rigas Feraios nördlich von Volos. Noch ist aber unklar, was die Auswirkungen auf die lokale Umwelt sein werden, wenn dort massenweise toter Fisch lagert.

Schwerer Schlag für den Tourismus in Volos

Die Bilder der angeschwemmten toten Fische gingen um die Welt. Der Gestank entlang der Strandpromenade war sowohl für Bewohner als auch für Besucher unerträglich. Viele fuhren nach Beginn der Katastrophe ab - ein Schlag für die lokale Wirtschaft, die stark vom Tourismus abhängig ist. Für Hoteliers in der Gegend ist die Situation schwierig, für die berühmten Tsipouradika von Volos - Fischrestaurants mit lokalen Spezialitäten auf kleinen Tellern - sogar katastrophal. Zwar besteht nach Angaben des Gesundheitsministeriums keine Gefahr für die öffentliche Gesundheit. Dennoch bleiben Gäste derzeit aus, denn kaum einer will in der Nähe des jetzigen Horrors speisen.

Laut der örtlichen Handelskammer sind die Handelsaktivitäten entlang der Strandpromenade von Volos in den vergangenen Tagen um rund 80 Prozent eingebrochen. Es sei, so deren Vertreter, "eine unglaubliche ökologische und ökonomische Katastrophe".

Männer keschern tote Fische aus dem Hafenbecken der Stadt Volos am 28.08.2024Bild: SAKIS MITROLIDIS/AFP

Die Regierung hat für die kommenden Tage eine Reihe von Unterstützungsmaßnahmen für die betroffenen Unternehmen angekündigt. Das ist jedoch die übliche Reaktion griechischer Regierungen nach jeder Katastrophe - statt Prävention zu betreiben, werden Entschädigungen vergeben. Sie fallen oft mickrig aus.

Wer ist Schuld?

Die Suche nach den Verantwortlichen der Katastrophe hat bereits begonnen, bevor alle verendeten Fische beseitigt sind. Der Bürgermeister von Volos, Achilleas Beos, warf dem Gouverneur der Region Thessalien in Ostmittelgriechenland, der Hafenbehörde in Volos und den zuständigen Ministerien vor, ihre Aufgabe nicht erfüllt zu haben. "Sie haben das Offensichtliche nicht getan, nämlich ein Schutznetz anzubringen", sagte er. Der Oberste Gerichtshof Griechenlands hat eine dringende Untersuchung angeordnet. Es müsse geklärt werden, wer die strafrechtliche Verantwortung für die Situation trage. Dabei gehe es nicht nur um die vergangenen Tage, sondern auch um mutmaßliche Versäumnisse der vergangenen Monate.

Tote Fische im Hafenbecken der Stadt Volos am 28.08.2024Bild: Sakis MitrolidisAFP/Getty Images

Darüber hinaus warten die Behörden auf die Ergebnisse der von der Staatsanwaltschaft angeordneten Analysen, um festzustellen, ob die Todesursache der Fische nur Erstickung oder möglicherweise auch der rücksichtslose Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden in der Gegend um den Karla-See war. In diesem Fall wären die Auswirkungen des Fischsterbens auf die Fauna und Flora der relativ geschlossenen Pagasitikos-Bucht schlimmer.

Immer wieder die gleichen Fehler

Bis 1962 erstreckte sich der Karla-See in der Nähe der Nordhänge des Berges Pelion, nördlich von Volos. Karla war das zweitgrößte Feuchtgebiet Griechenlands. Die Notwendigkeit, neues Ackerland zu sichern, veranlasste den griechischen Staat zu der Entscheidung, den See trockenzulegen. Die Entwässerung dauerte eineinhalb Jahre. Es galt als eines der wichtigsten Projekte für die Entwicklung der griechischen Landwirtschaft, da 80.000 Hektar Ackerland für Landwirte gesichert wurden. Doch schnell ereignete sich in der Region eine große ökologische Katastrophe. Der Grundwasserspiegel sank stark, die Verschmutzung in der Pagasitikos-Bucht nahm zu, Phytoplankton-Blüten traten in der Bucht auf.

Angesichts der ökologischen Katastrophen von einst und heute schrieb Antonis Kokkinakis, Professor für Land- und Forstwirtschaft an der Aristoteles-Universität Thessaloniki, auf Facebook, dass der griechische Staat nicht aus den eigenen Fehlern lerne. "Die Natur spricht zu uns, aber wir hören nicht zu oder wollen nicht zuhören", so Kokkinakis.