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Gute Vorsätze, schlechte Umsetzung

4. Januar 2017

Ab Neujahr ein bisschen abnehmen, etwas fitter werden? Warum das meist nicht funktioniert, weiß Bewegungstherapeut und Personal Trainer Arlow Pieniak. Ein Tipp: Immer schön ans Zähneputzen denken!

Deutschland dicker Bauch
Bild: picture alliance/blickwinkel/McPHOTO

Deutsche Welle: Herr Pieniak, Sie sind Bewegungstherapeut und Personal Trainer. Wie sehr leiden Sie gerade unter den guten Vorsätzen und inneren Schweinehunden Ihrer Klienten?

Arlow Pieniak: Die meisten Leute, die zu uns kommen, haben nicht so sehr das Schweinehund-Problem. Sie wollen vielmehr lernen, wie sie irgendein Problem in den Griff kriegen. Häufig sind das Schmerzen, oder sie wollen eben Gewicht verlieren, den Körper verändern, besser in ihrem Sport werden. Wir machen also kein Personal Training im Sinne eines persönlichen Motivationscoachs - wo man vermutlich mehr mit dem nur allzu bekannten Schweinehund zu tun hat - sondern wir helfen unseren Kunden, ihre Probleme zu erkennen, und von da an richtig damit umzugehen - auch ohne unsere Unterstützung.

Ganz generell ist das mit dem Schweinehund jedoch ein schwieriges Ding. Denn die meisten Leute sind nicht motiviert, wenn sie keinen Erfolg haben. Wer Erfolg hat, weil er weiß, was er machen muss, und es richtig macht, der hat normalerweise keine Motivationsprobleme mehr.

… und wie stehen Sie zu Vorsätzen?

Das Hauptproblem mit den Vorsätzen ist, dass sie häufig unspezifisch sind. Und das ist auch das Problem bei unseren Kunden, wenn sie mit so etwas zu uns kommen: "Ich wäre gern ein bisschen fitter". Das ist quasi das Worst-Case-Szenario, denn das funktioniert im Personal Training überhaupt nicht. Denn: Was ist denn bitte genau ein bisschen fitter?

IRRGLAUBE 1: "Dieses Jahr möchte ich fitter werden…"

Wir versuchen also, die Leute festzunageln. Das kann so etwas sein wie "Ich möchte in den ersten zwei Monaten vier Kilo abnehmen". Damit können wir arbeiten!

Arlow Pieniak ist Bewegungstherapeut und Personal Trainer in HamburgBild: Work it Training

Denn wenn das Ziel verbindlich und definiert ist, dann bricht man auch nicht mehr weg. Dann muss wirklich etwas passieren, damit unsere Kunden ihr Ziel nicht erreichen. Ein Jobwechsel oder eine Verletzung, zum Beispiel. 

Da sind wir auch schon beim Thema. Die Neujahrsdiät oder unsere vorbildlich geplante bessere Ernährungsweise im neuen Jahr funktioniert nicht. Oder führt zumindest nicht zum gewünschten Ergebnis.

Es gibt einen Satz, den viele Ärzte gerne benutzen und den Diätwillige sehr genau nehmen. "Sie müssen einfach weniger essen." So einfach ist es nicht. Denn so führt es dazu, dass wahnsinnig viele Leute, die Körperfett verlieren wollen, permanent in einer Hungersnot leben.

IRRGLAUBE 2: "Ab sofort esse ich einfach nur noch die Hälfte…"

Ein Beispiel: Eine Frau, die 2000 Kalorien braucht, aber nur 1400 zu sich nimmt, kann so kein Körperfett verlieren. Denn ihr Körper interpretiert das als Hungersnot. Die Folge: Er versucht, Energie einzusparen, indem er den Kreislauf reduziert. Die Frau ist permanent müde. Der Körper versucht, die Muskelmasse wahlweise klein zu halten. Das heißt, das Krafttraining funktioniert in diesem Moment nicht - oder aber der Körper reduziert sie: Die Frau wird schwach, das Gehirn wird nicht richtig versorgt. Sie wird gereizt, unkonzentriert oder vielleicht sogar depressiv, weil nicht genug Energie da ist, um das Gehirn richtig zu versorgen und der Körper gerade versucht, alle Energie beisammen zu halten.

Das einzige, was der Körper in diesem Zustand nicht macht: Fett verbrennen. Denn das spart sich unser Körper für besonders schlechte Zeiten auf. Deshalb ist das Vorhaben "Ich ess' ab sofort einfach weniger" die denkbar schlechteste Idee.

Ob eine Fastenkur das Richtige ist? Das sollte wohl überlegt sein. Bild: picture alliance / Bildagentur-online

Und wenn ich Ihnen jetzt noch mit einer Fastenkur als Neujahrsvorsatz daherkomme, schlagen Sie die Hände über dem Kopf zusammen?

Nein, überhaupt nicht. Das kommt auf die Zielsetzung an. Soll das dazu führen, dass Sie sich wieder gesund ernähren und die vielen Dinge, die sie in letzter Zeit gegessen haben, wettmachen? Das macht Sinn. Aber um Körperfett zu verlieren und leistungsfähig zu sein, ist das wahrscheinlich nicht ausreichend.

IRRGLAUBE 3: "Mit einer Fastenkur sind die Weihnachtspfunde schnell runter…"

Das Problem, das ich allerdings häufig sehe ist, dass wenn jemand irgendeine Diät dieser Art oder eine Fastenkur macht, dass diese auf jeden Fall zu wenig Kalorien hat. Häufig haben die Leute sich am Ende dann damit nämlich überhaupt keinen Gefallen getan. 

Ich hatte schon Kunden, die zwar zehn Kilo an Gewicht verloren haben, da aber überhaupt kein Fett dabei war. Und dann denkt man nur noch: "Oh mein Gott, was hast du getan?"

Das ist eine ganz schlechte Diät, bei der man wahrscheinlich viel mehr Muskelmasse verliert als Fett und so die Voraussetzungen für die nächste Diät noch schlechter sind. Denn unsere Muskeln produzieren Hormone, die wiederum wichtig sind für die Energiegewinnung aus Fett. Abgesehen davon, dass Muskeln selbst Fett verbrauchen und so weiter…

Und wie bekomme ich dann das schlechte Gewissen wieder weg, das ich mir über die Weihnachtstage mühsam angefuttert habe?

Ein bisschen kann ich Sie beruhigen. Denn was ich bei meinen Kunden beobachte, ist, dass sie zwar alle jammern, dass sie so viel gegessen habe, ihre Leistungsfähigkeit in der Weihnachtszeit aber oft so gut ist wie nie. "Du hast endlich mal genug gegessen!", sage ich ihnen dann.

Die Leute machen sich solche Sorgen, dass Gans, Rotkohl und die Käseplatte hinterher direkt auf die Hüfte gehen. Dabei wäre das eigentlich überhaupt nicht schlimm. Ich würde mir fast wünschen, dass sie das jeden Tag machen. Der Glühwein ist dagegen das viel größere Problem.

Och nee….?

Naja, die Sache ist, wenn man drei Wochen jeden Tag Alkohol trinkt, dann ist man fertig. Alkohol macht einfach müde und schwächt die Regeneration. Und wenn man das drei Wochen am Stück gemacht hat, ist man einfach in einer sehr schlechten Verfassung.

Okay, und wie komme ich dann nun endlich wirklich wieder in Form - ohne Fastenkur, Crashdiät und "etwas mehr Sport"?

Ein wichtiger Punkt ist - das klingt so vielleicht etwas kompliziert - ist es aber nicht: Den Insulinspiegel kontrollieren. Dafür ist es wichtig, zu wissen, dass man kein Fett verbrennt, so lange man Energie - also Kohlenhydrate - im Blut hat.

TIPP 1: Essen, und aufhören zu essen

Wann immer ich etwas esse, wird meine Fettverbrennung geblockt. Im Normalfall für zwei bis drei Stunden. Deshalb ist ein wichtiger Tipp, für jemanden der abnehmen möchte, seinem Körper eine Fettverbrennung überhaupt erst zu ermöglichen. Das macht man, indem man isst - und auch wieder aufhört. So machen die meisten Leute schon Fortschritte, ohne jedes Training.

Wie Zähneputzen und Vorsätze zusammenhängen? Tja, durchhalten und weiterlesen.Bild: picture-alliance/dpa/P. Seeger

Also auch kein Apfel als Zwischensnack…?

Als Nahrungsaufnahme zählt alles, bis auf Wasser und schwarzen Kaffee. Keine Light-Getränke, kein Tee, kein Kaugummi, und auch keinen Apfel….

Umso wichtiger ist allerdings, dass man seine Hauptmahlzeiten dementsprechend anpasst und dadurch noch genügend Energie bekommt - auch ohne Snacks.

TIPP 2: Ein paar Hampelmänner am Morgen, vertreiben Kummer und Sorgen

Die zweite einfache Sache ist, die jeder machen sollte, der Fettverbrennung zum Ziel hat: ein kleines Intervalltraining am Morgen. Das bringt den Fettstoffwechsel in Gang. Denn Fett gibt der Körper nur ungern ab, weil es für ihn mal ein Luxusgut war und er Energie aus Fett nur in Notsituationen nutzt. Das heißt, man muss den Körper in eine gefühlte Notsituation bringen. Ein Intervalltraining darf also nicht locker sein. Wenn Sie morgens Ihre 30,40,50 Hampelmänner machen, müssen Sie dabei an die Grenze Ihrer Auslastung gehen. Denn erst dann schaltet der Körper um auf Fettstoffwechsel. Das hält dann etwas länger als einen Tag an.

Das heißt, wenn Sie als mitteltrainierter Mann oder mitteltrainierte Frau an einem guten Tag 15 bis 20 Prozent Ihrer Energie aus Fett holen, können Sie an einem Tag mit morgendlichem Intervalltraining vielleicht 25 bis 30 Prozent Ihrer Energie aus Fett holen.

Okay, mit diesen Vorsätzen 2.0 lässt sich arbeiten. Eine Sache noch. Wie steht's um Ihre Vorhaben in 2017?

Ich habe mir für das Jahr ein paar Trainingsziele vorgenommen.  Ich möchte meine Kniebeuge von aktuell 145 Kilogramm auf 170 Kilogramm, also doppeltes Körpergewicht, bringen.

Die Betonung des Wortes Trainings ist übrigens auch noch ein wichtiger Punkt, wenn es um Vorsätze geht.  Die meisten Leute sagen "Ich geh' zum Sport" oder "Ich geh' zum Training". Damit meinen sie das gleiche.

Das ist ein Problem, weil das zwei unterschiedliche Sachen sind, die zwei unterschiedliche Wirkungen haben und von denen man Unterschiedliches erwartet.

Sport ist so etwas wie Fußballspielen, oder in den Fitnesskurs gehen. Er ist hauptsächlich dafür da, in Gesellschaft zu sein, oder die sportspezifischen Ziele zu erfüllen. Tore schießen zum Beispiel.

Training ist etwas völlig anderes. Das ist dafür da, den Körper, in irgendetwas - worin er nicht gut ist - besser zu machen.

Das Problem ist, wenn die Leute sagen, dass sie nun einen Sport machen, der Spaß machen und sie trainieren soll, es Probleme mit der Erwartungshaltung gibt. Denn Sport trainiert nur zufällig. Anfangs wird man vielleicht etwas schlanker und schneller, das ist aber nur ein zufälliges Nebenprodukt.

Training ist ausschließlich dafür da, den Körper so umzuformen wie man es gerne hätte. Das heißt, wenn jemand zum Sport geht und sagt, er hätte gerne Spaß und einen Trainingseffekt, dann wird er enttäuscht. Andersherum genauso: Wenn ich sage, ich trainiere jetzt, dann werde ich Effekte haben, aber die Frage, ob das Spaß macht, stellt sich gar nicht.

Bei uns im Studio machen wir oft die Erfahrung, dass die Übungen den Kunden keinen Spaß machen, aber dass die Leute auf ihrem Weg zum Ziel merken, dass sich das genau wie mit dem Zähneputzen verhält. Und genau das ist es - Training ist wie Zähneputzen, man muss es einfach machen.

Arlow Pieniak ist Bewegungstherapeut und Personal Trainer. In seinem Hamburger Studio WORK IT TRAINING geht es deshalb besonders um die richtigen Bewegungsabläufe, die viele von uns - sei es durch Beruf oder Alltagsgewohnheiten - verlernt haben. Darüber hat er auch kürzlich ein Buch geschrieben: "Typgerecht trainieren: Die perfekte Methode". 

Das Interview führte Hannah Fuchs.

Hannah Fuchs Multimedia-Reporterin und Redakteurin mit Fokus auf Technik, digitalen Themen und Psychologie.
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