Flüchtlinge und Arbeitsmarkt
1. März 2016Es müsste hier doch eigentlich was geben für ihn. Taseer Jokadar steht in der 4000-Quadratmeter-Messehalle des Berliner Estrel-Hotels inmitten von Ständen. Es ist eine Jobbörse für geflüchtete Menschen. Jokadar kommt aus Damaskus in Syrien und hat Maschinenbau studiert. "Ich habe mich auf erneuerbare Energien spezialisiert", sagt er und schaut wieder auf den Plan, auf dem die rund 200 Firmen verzeichnet sind, die einen Stand haben. Reinigungs- und Pflegedienste, Sicherheitsunternehmen, Hotel- und Cateringfirmen. Die meisten bieten Praktika an.
"Es ist nicht so einfach für mich, einen guten Job zu finden, weil ich keine Berufserfahrung habe", meint der junge Syrer. Das Angebot in der Halle ist auch nicht wirklich üppig für ihn. Jokadars Finger verharrt über einem Eintrag. Standnummer A 14. "Ich schau mal zur DB Logistics, vielleicht gibt es dort was", sagt er und verschwindet in der Menge.
Zur Jobbörse im Berliner Süden kommen an diesem Tag um die 5000 Menschen, die aus ihren Heimatländern geflohen sind. Wie Jokadar sind es vor allem Syrer, aber auch viele Iraker und Iraner, die versuchen, irgendwie an Arbeit zu kommen. Die Halle schwirrt von den vielen Stimmen. Am Stand der Berliner Dependance einer großen Pharmafirma verteilt Martin Rimkus Formulare. Seine Firma hat ein Programm für Berufseinsteiger aufgelegt. Aber davon kommen wenige zu ihm. "Ich bin erstaunt, mit welchen Qualifikationen die Leute hier auftreten", sagt Rimkus. Es sind Interessenten mit Uni-Abschlüssen, erfahrene Apotheker, die ihn ansprechen. Menschen wie Fawad Alikhan, der in Pakistan als Vertriebsleiter für Diagnoseinstrumente gearbeitet hat. "Ich will endlich an meiner Karriere weiterarbeiten!" Der 33-Jährige im grauen Anzug zieht für Rimkus eine Kopie seines Lebenslaufs aus einer Klarsichthülle. Für die Praktika bei Rimkus ist er überqualifiziert.
Trügerische Hoffnung für den Arbeitsmarkt
Die deutschen Unternehmen müssen sich freuen über soviel Einsatzbereitschaft. Seit Jahren klagen sie über den Mangel an Fachkräften, den Bevölkerungsrückgang, die Überalterung der Gesellschaft. Jetzt kommen junge Menschen zu Tausenden ins Land. Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) dämpft die damit verbundenen Hoffnungen. "Diese Menschen kommen ja nicht hierher, um die Probleme des deutschen Arbeitsmarktes zu lösen", stellt er erst Mal klar. Er sieht die Qualifikation der Flüchtenden recht nüchtern. Der Eindruck von der Jobbörse ist in dieser Hinsicht offenbar irreführend. "In der Summe haben die Flüchtenden kaum Schul-, oder Berufsbildung, die wenigsten sind Akademiker." Hüther nennt eine Studie des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), die zeige, dass "62 Prozent der Flüchtlinge bisher in ihrem Leben weder ein Studium noch eine Berufsausbildung begonnen oder abgeschlossen haben".
Hüther hat weiterhin untersucht, auf welche Bereiche sich Geflüchtete verteilen, die einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgehen. Die Daten besagen, so der Wirtschaftsforscher, dass die meisten in Helferberufen unterkommen und nur sieben Prozent der Geflüchteten in akademischen Expertenberufen arbeiten. "Die Flüchtlinge ersetzen keine gesteuerte Zuwanderungspolitik", sagt er.
Hüthers Auswertung der Zahlen hat einen politischen Hintergrund. In der Wirtschaft macht man sich langsam Sorgen, dass die Diskussion des Flüchtlingsthemas den Weg für eine geregelte Arbeitsmigration erschwert. Die vielen Asylbewerber lösen in Teilen der Bevölkerung Ängste vor einem Verdrängungswettbewerb auf dem Arbeitsmarkt aus, das macht die Politiker vorsichtig bei einer Liberalisierung der Arbeitskräftemigration. "Der Bundesinnenminister war ja schon immer gegen ein Zuwanderungsgesetz und jetzt ist er erst recht dagegen", klagt Michael Hüther und wiederholt sein Mantra von der gesteuerten Zuwanderungspolitik.
Eine Sache der Ehre
Die Asylbewerber sind zwar nicht wegen der Arbeitsplätze nach Deutschland gekommen, aber sie würden natürlich auch gerne eine Arbeit haben. Das Bedürfnis danach ist groß, das vermittelt der Andrang bei der Jobbörse in dem Berliner Kongresszentrum deutlich. Die Stimmung ist gut, die vielen Angebote vermitteln das Gefühl, dass es mit der Karriere konkret weiter gehen könnte. Am meisten ist vor den Ständen der Bildungsunternehmen los. Berufsqualifikation, Studium an der Fernuniversität, Sprachkurse werden vorgestellt.
Jusuf al Khateb aus Aleppo hat sich gerade mit einer Vertreterin der Humboldt-Universität zu Berlin über Sprachkurse unterhalten. "Ohne Sprachkenntnisse ist es fast unmöglich, einen Job zu bekommen", sagt der ehemalige Unternehmer. Seinen alten Job - in Aleppo hatte der Syrer ein Büro für die Erledigung des Papierkrams für Bauvorhaben - gibt es so in Deutschland nicht. Auch ein Studium hat er nicht. Es ist es nicht leicht, etwas Passendes zu finden. Aber so wie die letzten Monate kann es für ihn auch nicht weitergehen. "Das beleidigt wirklich meinen Stolz, dass ich von der öffentlichen Hand ausgehalten werde", meint Al Khateb und geht zum nächsten Stand.