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Politik

Flüchtlinge: "In Albanien kann man gut leben"

19. November 2017

Die meisten Flüchtlinge, die in Albanien ankommen, wollen weiter nach Westeuropa. Doch die Matwa-Brüder aus Syrien fühlen sich im kleinen Balkan-Land wohl. Lindita Arapi hat sie in Tirana besucht.

Albanien Flüchtlinge
Der junge Mohamed vor dem Restaurant seiner Familie in Tirana Bild: DW/L. Arapi

Mohamed Matwa hätte niemals gedacht, dass er eines Tages in Albanien leben würde. Der 29-jährige Syrer, der in der Nähe von Damaskus aufgewachsen ist, träumte davon, Psychologe zu werden - in seinem Heimatland. Doch als der Krieg ausbrach, musste er sein Studium abbrechen. Später floh er in den Libanon. Seine Odyssee als Flüchtling wäre ziellos weitergeganen, wenn sein älterer Bruder, Husam Matwa, nicht schon vor Jahren beschlossen hätte, als Geschäftsmann nach Albanien zu gehen. Husam hat inzwischen auch den albanischen Pass. Er beantragte eine Familienzusammenführung und brachte die Eltern und zwei Brüder nach Tirana.

Dort arbeitet der junge Mohamed im neu eröffneten Restaurant des älteren Bruders. "Mein Leben hat sich in eine Richtung verändert, die ich mir vorher nicht vorgestellt hatte - aber ich bin zufrieden", sagt Mohamed, der inzwischen seit etwa zwei Jahren in Albanien lebt. Eine Zeit lang hatte er noch darüber nachgedacht, nach Deutschland weiterzureisen, zu einem anderen Bruder: "Doch als ich von den Schwierigkeiten hörte, die die Flüchtlinge dort hatten, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es hier dennoch besser ist." 

Husam Matwa hat seine jüngeren Brüder nach Albanien gebracht Bild: DW/L. Arapi

"Zwei Heimatländer: Syrien und Albanien"

Schwierigkeiten hat er in Albanien nur mit der Sprache, nicht aber mit den Menschen: "Die Albaner sind freundlich, hilfsbereit, wie in Syrien. Sogar das Wetter ist ähnlich."

Ob Albanien seine letzte Station ist, kann Mohamed im Moment nicht sagen. Eines steht für ihn fest: Weiter in Richtung Norden will er nicht mehr. "Ich bleibe erst einmal hier, aber wenn der Krieg in Syrien zu Ende geht, werde ich zurückgehen. Ich weiß aber schon jetzt: Ich werde immer zwei Heimatländer haben, Syrien und Albanien."

Auch der andere Bruder, Ali Matwa, arbeitet im Restaurant der Familie in Tirana. Er ist der Hausmeister. Vor zwei Jahren war er als Flüchtling in Istanbul - eine Erfahrung, die er "nicht wiederholen" wolle. Den syrischen Flüchtlingen in Deutschland möchte er sagen, dass es auch andere "gute Länder" gebe. "Auch in Albanien kann man gut leben", sagt Ali Matwa.

Nur die albanische Braut fehlt noch

Die drei Matwa-Brüder scheinen in Albanien zufrieden zu sein. Was ihnen noch fehlt? "Wir brauchen jetzt eine gute albanische Braut für den kleinen Mohamed", erzählt der älteste Bruder, Husam Matwa, und lächelt verschmitzt.

Auch die religiöse Toleranz im mehrheitlich muslimischen Albanien ist einer der Gründe für die Zufriedenheit der Brüder: "Hier leben Muslime und Christen gut miteinander, wie bei uns früher", meint Ali Matwa. "Jetzt ist das bei uns nicht mehr so, aber hier wirst du nicht schief angesehen, weil du ein Muslim oder ein Christ bist."

Ali Matwa: "In Albanien leben Muslime und Christen gut miteinander" Bild: DW/L. Arapi

Trotzdem sind die Matwa-Brüder eher ein Einzelfall: Albanien zählt nicht zu den beliebten Zielen der Flüchtlinge. Es ist eines der ärmsten Länder Europas, viele Albaner verlassen ihre Heimat, um in Westeuropa eine bessere Zukunft zu suchen. Zwar kamen in diesem Jahr Hunderte Flüchtlinge in der albanischen Grenzregion mit Griechenland an, doch nur 164 haben in Albanien einen Asylantrag gestellt: Eine Zahl, die selbst für das kleine Balkanland keine große Herausforderung sein dürfte.

Neue Hoffnung in Albanien 

Stolz erzählt die Direktorin der Asylbehörde im Innenministerium, Alma Mele, dass Albanien ein großes Herz habe für all jene, die Schutz suchten. Eine Änderung des Asylgesetzes ermöglichte eine bessere Aufnahme der Flüchtlinge. "Sie kommen aus verschiedenen Kulturen und Religionen. Deshalb achten wir auf ihre kulturellen Besonderheiten, auf ihre Bräuche, und versuchen, diese schon bei der Aufnahme und in der Wartezeit zu berücksichtigen." Alma Mele erzählt, dass einige der Flüchtlinge in sozialen Medien über ihre positiven Erfahrungen in Albanien geschrieben haben. Darunter könnten aber auch jene sein, die zwar im Land als Asylbewerber registriert waren, aber dann weitergezogen sind, fügt sie hinzu.

Alma Mele: "Ein Herz für Schutzsuchende" Bild: DW/A. Topi

Nicht nur Albanien, sondern auch seine Nachbarn auf dem Balkan sind Transitländer, bestätigt der UNHCR-Direktor für Albanien, Pablo Zapata: "Die Flüchtlinge gehen weiter nach Nordeuropa, wo sie Netzwerke der Familien aufsuchen, um Hilfe zu bekommen." Um ihr Ziel zu erreichen, suchen sie in Albanien und Griechenland Menschenschmuggler auf, die mit der Not der Flüchtlinge "Millionen machen". Erst vor kurzem ist eine große nordgriechische Schmugglerbande aufgeflogen. Auch die albanische Polizei im Süden meldete die Verhaftung mehrerer solcher Gruppen in den letzten Monaten.

Mohamed und Ali Matwa hatten Glück: Sie brauchen keine Hilfe von Menschenschmugglern. Ihr ältester Bruder Husam Matwa weiß, dass dieser Fall untypisch ist, weil viele Flüchtlinge hohe Summen bezahlen, um in den reichen Norden zu kommen. "Uns hat aber dieses Land, Albanien, Hoffnung gebracht", sagt er. "Es mag sein, dass Albanien arm ist und nicht so reich wie Deutschland. Aber es ist reich an Menschlichkeit." 

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