Griechenland: Flüchtlinge unerwünscht?
4. April 2018"Mensch, es kommen so viele hierher…", sagt Ilias etwas missmutig. Gemeint sind die Flüchtlinge nebenan, im Camp von Elaionas. Nicht weit von den Touristenströmen im Herzen Athens werden hier mehr als 1.500 Neuankömmlinge in Container-Unterkünften untergebracht. Es sind vor allem jene, die als "besonders schutzbedürftig" eingestuft werden - alleinerziehende Mütter, Minderjährige oder Menschen mit Behinderungen und schweren Gesundheitsproblemen, die auf ihre Weiterreise in Richtung Mitteleuropa warten. Ilias, der eigentlich anders heißt und seinen wahren Namen nicht nennen will, arbeitet in einer Transportfirma neben dem Camp. Es herrscht reger Betrieb, alle paar Minuten wird ein Lastwagen be- oder entladen, der Mittvierziger führt Protokoll. Auf engen, schlecht asphaltierten Straßen sind die schwerfälligen Fahrzeuge in der Nachbarschaft unterwegs, dazwischen bewegen sich die Flüchtlinge, wenn sie ihr Camp verlassen oder wieder aufsuchen. "Oft laufen Kinder mit, wir haben ständig Angst, dass ein Unfall passiert", klagt Ilias.
Das einzige Café im trostlosen Stadtteil Elaionas führt Jannis zusammen mit seiner jungen Mitarbeiterin Marina. Bei ihm sind Flüchtlinge willkommen - vor allem, wenn Fußball im Fernsehen läuft. "Wenn Real oder Barcelona in der Champions-League spielen, ist die Hütte voll und die Stimmung richtig gut", schwärmt der Wirt. Zwischenfälle gibt es kaum, es geht ruhig und geordnet zu: "Allein schon deshalb, weil NGO-Mitarbeiter die Flüchtlinge begleiten und auch die Bezahlung regeln", fügt er hinzu. Die fußballbegeisterten Gäste stammen aus Syrien, Afghanistan oder Bangladesch. Ob in letzter Zeit mehr Flüchtlinge von den griechischen Inseln in Elaionas ankommen? "Schwer zu sagen. Natürlich sieht man oft neue Gesichter hier, aber dafür verlassen andere das Camp und vermutlich auch das Land in Richtung Nordeuropa", erläutert Jannis.
Das Dilemma mit den Asylsuchenden
Seit 2016 werden Flüchtlingscamps auf dem griechischen Festland eröffnet - nicht nur in Elaionas, sondern vor allem im Norden Griechenlands. Die Frage, ob und wie viele Asylsuchende dahin gebracht werden, wird zum Politikum. Denn: Solange diese Menschen in überfüllten Auffanglagern auf den ostägäischen Inseln verharren, wo sie zuvor auf dem Seeweg über die Türkei angekommen waren, wird die griechische Regierung zur Zielscheibe internationaler Kritik. Sollten sie allerdings auf das Festland weiterziehen, würden sie nach einem abgelehnten Asylantrag nicht mehr von der Türkei zurückgenommen. Die einzige Ausnahme: "Besonders Schutzbedürftige" - vor allem Minderjährige - dürfen weiterziehen, auch wenn die Behörden noch nicht über ihren Asylantrag entschieden haben. Ex-Einwanderungsminister Jannis Mouzalas hat oft erklärt, dass nicht zu viele Menschen aufs Festland kommen, damit das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei nicht gefährdet wird. Für seine restriktive Politik hat Mouzalas Kritik in der regierenden Linkspartei Syriza ernten müssen. Anfang März musste er aus gesundheitlichen Gründen sein Amt aufgeben. Für Aufsehen sorgte neulich ein Bericht der Berliner Tageszeitung "Die Welt", in dem behauptet wird, dass die griechische Regierung zuletzt zu viele Asylsuchende aufs Festland bringt, zu wenige zurück in die Türkei abschiebt und zudem auch viele Menschen als "besonders Schutzbedürftige" einstuft.
David Esdras, Chef der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Griechenland, die für die Flüchtlingscamps auf dem Festland formal zuständig ist, will diese Kritik nicht gelten lassen. "Unsere Freunde in Europa müssen verstehen, dass jeder Asylantrag ein Einzelfall ist und eine sorgfältige Prüfung nach den Kriterien der Genfer Konvention verdient", sagt Esdras im Gespräch mit der DW. Es könne doch nicht sein, dass etwa Menschen aus Pakistan oder Afghanistan grundsätzlich vom Asyl ausgeschlossen werden, nur damit es mal schneller läuft, fügt er hinzu. Dass Asylsuchende ein besonderes Schutzbedürfnis vortäuschen, damit sie aus den überfüllten Lagern auf den Inseln wegkommen, glaubt Esdras nicht: "Neuankömmlinge mit Gesundheitsproblemen findet man heute kaum noch auf dem Festland. Die meisten Schutzbedürftigen sind alleinerziehende Mütter oder kleine Kinder - und da kann man wenig vortäuschen."
Bearbeitungsstau in zweiter Instanz
Wahr sei allerdings, dass Asylanträge etwas schneller bearbeitet werden könnten, sagt Esdras. In erster Instanz würden Entscheidungen im vorgesehenen Zeitrahmen fallen, doch bei Rechtsmitteln der zweiten Instanz komme es immer noch zu Verzögerungen. Der neue Einwanderungsminister Dimitris Vitsas verspricht Besserung: Die aus Verwaltungsrichtern bestehenden "Prüfungskommissionen" für eine Berufung im Asylverfahren sollen von derzeit 12 auf 20 aufgestockt werden, erklärte der als gemäßigt geltende Syriza-Politiker Ende März.
Nach Auffassung der Gewerkschaften sind Verzögerungen allerdings nicht zuletzt auf Personalmangel zurückzuführen. Ende 2017 wurden mehr als 100 Angestellte der griechischen Asylbehörde entlassen, da ihr befristeter Vertrag abgelaufen war. Erst drei Monate später durfte die Behörde neue Mitarbeiter einstellen. Viele von ihnen, so die Gewerkschaften, seien mit der Materie gar nicht vertraut und müssten erst einmal eine Schulung besuchen.