Rückkehr nach Ankunft
28. Oktober 2015Bürokratische Umsetzungen rechtskräftiger Entscheidungen sind manchmal ziemlich uneffektiv. Wird ein Asylantrag abgelehnt, teilt die Behörde zeitnah mit, an welchem Tag sie Beamte vorbeischickt, um den abgelehnten Asylbewerber zwangsweise in ein Flugzeug zu setzen und auszufliegen. So die gängige Praxis. Auffällig häufig trafen Ausländerbehörde und Polizei niemanden mehr zum festgesetzten Termin an. Er oder sie waren einfach untergetaucht. Erfahrungen dieser Art waren der Regelfall. Heute bleibt der Tag der unfreiwilligen Abschiebung offen. Seitdem verlassen auffällig viele aus eigenen Stücken das Land, bevor Beamte vor der Tür stehen. Dafür gibt es Gründe.
Ein Stempel mit abschreckender Wirkung
80 bis 90 Prozent der abgelehnten Asylbewerber gehen inzwischen freiwillig in ihre Herkunftsländer zurück, bestätigt eine Sprecherin des nordrhein-westfälischen Innenministeriums gegenüber der Deutschen Welle. Vor allem Antragsteller aus den Westbalkanländern wägen inzwischen die Vor- und Nachteile ihres Verhaltens in Anbetracht eines aussichtslosen Asylbegehrens ab. Riskieren sie die Abschiebung, handeln sie sich einen Stempel im Reisepass ein, der sie für eine weitere Einreise nach Deutschland sperrt.
Gehen Albaner, Kosovaren oder Bosnier freiwillig, bleibt ihnen dieser Eintrag mit Folgen erspart. Die Wiedereinreisesperre nach vollzogener Abschiebung, so Gerd Lienig von der Rückkehrberatungsstelle in Stuttgart, ist der wichtigste Grund für die Heimreise. Allein in der baden-württembergischen Landeshauptstadt haben fast 250 Flüchtlinge Deutschland wieder verlassen. Tendenz steigend. Weit überwiegend Richtung Südosteuropa. Denn wer aus den Westbalkanländern kommt, hat keine Chance auf Asyl.
Förderprogramme als Rückkehranreiz
Derzeit sind nach Berechnungen der Bundesregierung rund 200.000 Personen ausreisepflichtig. Abschiebungen aber sind teuer. Ein Beispiel der europäischen Grenzschutzagentur Frontex belegt das: Ein Charterflug von Hamburg ins kosovarische Pristina im Juli kostete fast 100.000 Euro. Für nur 97 Rückkehrer, die allerdings von 89 Beamten begleitet wurden. Angesichts eines solchen personellen, logistischen und finanziellen Aufwands versuchen Bund, Länder und Gemeinden die Freiwilligkeit zu fördern.
Ein solches Programm wird inzwischen von der Internationalen Organisation für Migration, kurz IOM, angeboten. Konkret bietet das Rückkehrförderprogramm REAG/GARP, das vom Bund, den Ländern und der EU finanziert wird, finanzielle Beihilfen für Flugtickets, Fahrkarten und etwas Starthilfe am Heimatort.
Maximal kann eine Familie 900 Euro Zuschüsse erhalten, die Höhe richtet sich nach dem Zielland. Flüchtlinge aus visumfreien Ländern des Westbalkans haben darauf allerdings keinen Anspruch. Zwischen Januar und September haben rund 22.400 Flüchtlinge das Programm genutzt. Aus den Bundesländern wird sogar berichtet, dass die freiwillige Rückkehrquote bis zum Vierfachen über dem der Abschiebungen liegt.
Sozialhilfe bis Monatsende plus Umzug mit Hausrat
Die Entscheidung für eine freiwillige Rückkehr fällt bei den Betroffenen überwiegend vor der offiziellen Asylentscheidung, berichtet Michael Loritz, Dezernent für Flüchtlingsfragen im südwestdeutschen Landkreis Ortenau. Denn wer sich erst nach einer abschlägigen Asylentscheidung bei ihm meldet, der hat jegliche Ansprüche auf Hilfen für die Heimreise verwirkt, sagte er gegenüber der DW.
Der Ortenau-Kreis - 412.000 Einwohner - zählt pro Woche rund 250 neue Flüchtlinge zu den schon angekommenen knapp 2.500. Um den Weg zurück für diese leichter zu machen, hat sich der Landkreis etwas einfallen lassen. Die Sozialhilfe wird für jeden, der wieder geht, bis Monatsende bezahlt. Bislang wurde in Ortenau tagesgenau abgerechnet. Und: Der Hausrat wird kostenlos in die Heimat nachgeliefert.
Zusammen mit der Option, irgendwann wieder nach Deutschland einreisen zu können, was bei Abschiebung verwirkt ist, gibt den letzten Ausschlag zum Weg zurück, so Loritz. Die Menschen sind sehr gut informiert und kennen die Diskussionen in Deutschland über die Leistungsfähigkeit der Flüchtlingsbetreuung im großen Stil, so der Flüchtlingsdezernent.