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Flüchtlinge: Upahl und der Protest gegen die Unterkunft

Anne Höhn
1. Februar 2023

Eine kleine norddeutsche Gemeinde soll ein Containerdorf für Geflüchtete bekommen. Gegner des Projektes sagen, das sei eine zu hohe Belastung. Wie soll es weitergehen?

Protest gegen geplante Flüchtlingsunterkunft in Upahl - auf einem Holzschild steht "Angst um Upahl"
Kein Willkommensgruß - Schild am Ortseingang von UpahlBild: Jens Büttner/dpa/picture alliance

In grellem Rot beschriftete Holzbretter begrüßen jeden, der nach Upahl hineinfährt. "Upahl sagt Nein" und "Wo bleiben wir?" steht auf zwei der Schilder am Eingang der kleinen Gemeinde in Mecklenburg-Vorpommern im Norden Deutschlands. 

Das "Nein", es gilt einer geplanten Unterkunft für 400 geflüchtete Menschen, die in der 1600-Einwohner Gemeinde entstehen soll. Biegt man ab in Richtung der Fläche, auf der das Container-Dorf errichtet werden soll, dann stellt sich die Frage: Wer ist das "Wir"? 

Denn es ist kaum ein Mensch zu sehen in Upahl an diesem Januar-Morgen. Still liegen Industriebauten links und rechts der Straße, eine Gummifabrik, eine Großmolkerei, ein Markt für gebrauchte Traktoren, dazwischen ein Feld von Solarpaneelen.  

Erste Erdarbeiten in Upahl: hier soll das Containerdorf entstehenBild: Bernd Wüstneck/dpa/picture alliance

In einer Bäckerei schließlich sind einige Upahler anzutreffen. "Wir wissen ja, dass die wo hinmüssen", sagt die Verkäuferin, wenn man nach den Geflüchteten fragt. "Aber warum denn alle hier? Wie sollen wir das schaffen?" Ein Kunde nickt bekräftigend. Die Frau will ihren Namen lieber nicht nennen.  

Fragt man im Ort weiter herum, reagieren die Leute verhalten, wenn es um die Pläne für die Unterkunft geht. So richtig äußern will sich zu dem Thema niemand, die Skepsis Journalisten gegenüber ist spürbar.  

Tumulte vor dem Kreistag 

Erst vor ein paar Tagen hatte Upahl deutschlandweit für Schlagzeilen gesorgt. Als der Kreistag im benachbarten Grevesmühlen über das Containerdorf für Upahl diskutierte, demonstrierten vor dem Sitzungssaal laut Polizei rund 700 Menschen. Die meisten seien friedlich geblieben. Eine Gruppe, darunter bekannte Rechtsextreme aus der Region, habe allerdings versucht, in den Sitzungssaal einzudringen, einige hätten Pyrotechnik geworfen. Am Ende schirmten 120 Beamte das Gebäude ab, sagte eine Polizeisprecherin. 

"Ja, das ging ja wieder durch alle Medien", sagt die Frau am Bahnschalter in Grevesmühlen und schiebt geduldig einen ausgedruckten Bus-Fahrplan herüber, gefolgt von einem höflichen Kopfnicken in Richtung Ausgang. Hier fährt der Bus ab in Richtung der Kreisstadt Wismar, einer Hafenstadt an der Ostsee. 

Landrat in Nordwestmecklenburg: Tino Schomann Bild: Norman Seitz

Dort hat Tino Schomann sein Büro. Er ist Landrat des Landkreises Nordwestmecklenburg, trägt die Entscheidung für das Container-Dorf mit und vertritt sie vor der Bevölkerung. Seit dem Protest vergangene Woche klopfen mehr Medienvertreter als sonst an. Zwischen mehreren Politik- und Presseterminen findet Schomann aber die Zeit, zurückzurufen.  

Viel Platz, wenig Ressourcen  

"Ich verstehe die Ängste der Leute", sagt er. Aber eine Alternative gebe es nicht: "Ich bekomme pro Monat an die 20 bis 30 Asylbewerber zugewiesen. Wir bringen die Menschen in Turnhallen unter", erklärt er.  

Asylsuchende werden in Deutschland über einen bestimmten Schlüssel im Land in Erstaufnahmeeinrichtungen verteilt. Dort wird über ihren Status entschieden, was teilweise bis zu zwei Jahre dauern kann. Zwei Jahre, in denen die Menschen nirgendwo anders hinkönnen, aber neue trotzdem hinzukommen. 

Tino Schomann sagt, er brauche, um die Situation wieder unter Kontrolle zu bringen, weniger Menschen, die seinem Landkreis zugeteilt würden. Und dass diejenigen, die eine Ablehnung erhalten haben, auch abgeschoben werden müssten, um wieder Raum zu schaffen. 

Nicht nur Schomann hat sich zu Wort gemeldet, auch andere Landkreise betonen, sie seien an ihrer Belastungsgrenze. "Ich habe den Eindruck, dass sowohl unter Bürgern als auch unter Kollegen der Rücklauf kam: "Zum Glück hat es mal einer ausgesprochen." Der Bund müsse endlich die Lage erkennen, "es hilft uns kein Geld, wir brauchen die Ressourcen und die Möglichkeiten die an die Kommunen übertragende Aufgabe erfüllen zu können." 

Wohin mit den Menschen?  

"Die Leute sind aktuell mit ganz vielen Krisen belastet – Energiekrise, Inflation, Krieg", resümiert der Grünen Politiker René Fuhrwerk, der die Situation ebenfalls von Wismar aus im Blick behält. "Das verursacht Ängste und dann sucht man sich ein Ventil und dann sind es oft die Geflüchteten", resümiert er, auch wenn sie nicht die Ursache seien. 

Er plädiert für "Solidarität und Menschenwürde" für die Geflüchteten. Und sieht eine gewaltige Herausforderung: "Seit 2015 ist die Belastung sukzessive gestiegen. Gleichzeitig hat man keinen neuen bezahlbaren Wohnraum geschaffen. Und jetzt ist langsam alles belegt", erklärt Fuhrwerk. "Der Krieg in der Ukraine legt das jetzt nur offen." 

Kein Kompromiss in Sicht 

Zurück in Upahl. An einem Zaun entlang der Hauptstraße hängen Zettel, laminiert, damit sie im Regen nicht aufweichen und mit jeweils einem Wort bedruckt. In einer langen Reihe bilden sie Sätze: "Wo sind die Kitaplätze? Wo ist die medizinische Versorgungsmöglichkeit? Wo ist die passende Infrastruktur?" und zuletzt "Wir wollen das nicht".  

Protest-Zettel an einem Zaun in der Gemeinde UpahlBild: Anne Höhn/DW

Der nächste Supermarkt liegt 20 Minuten mit dem Bus entfernt, die nächste Arztpraxis ist ebenfalls nicht direkt im Ort. Upahl ist im Vergleich zu anderen deutschen Gemeinden dieser Größe nicht gut angebunden. Die Angst, abgehängt zu werden, sie ist hier spürbar. Dass jahrzehntelang zu wenig in Infrastruktur investiert wurde - die Wut darüber wird hier von manchen vermischt mit der Angst vor Veränderung, die der Zuzug von 400 Menschen bei einigen auslöst. Dass bekannte Rechtsextreme aus der Region die Ängste weiter anheizen, um Boden zu gewinnen, tut sein Übriges. 

Aktuell sieht es danach aus, dass die Upahler das Container-Dorf bekommen - trotz aller Proteste. Für die kommenden Wochen sind Gesprächsrunden in Wismar und Umgebung geplant. Auch mit dem Ziel, die Bewohner darauf einzustimmen, dass die Unterkunft gebaut wird. Wegen der Erfahrungen der vergangenen Woche werden die Veranstaltungen unter Polizeischutz stattfinden. 

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