1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Flüchtlinge: Von der Leyen geht an die Grenze

3. März 2020

Die Kommissionschefin und andere EU-Spitzenpolitiker besuchen den griechisch-türkischen Grenzposten, der exemplarisch für die Zuspitzung der Lage der Flüchtlinge steht. Von der Leyen sichert den Griechen rasche Hilfe zu.

Türkisch-griechische Grenze - Ursula Von der Leyen
Bild: picture-aliance/dpa/AP/Greek Prime Minister's Office/D. Papamitsos

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan droht der Europäischen Union mit einem Massenandrang von Flüchtlingen. Die Folgen sind schon jetzt deutlich - vor allem für EU-Mitglied Griechenland, das direkter Nachbar der Türkei ist. An der Landgrenze zwischen beiden Staaten harren nach UN-Angaben 13.000 Migranten aus - unter widrigen Umständen, denn es ist kalt in der Region.

Als Zeichen der Solidarität mit Griechenland ist EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstagmittag in den Nordosten des Mitgliedsstaats gereist. Beim Grenzposten Orestiada hat sie sich gemeinsam mit EU-Ratschef Charles Michel und dem Präsidenten des Europaparlaments, David Sassoli, ein Bild von der Situation gemacht.

EU sagt Griechenland finanzielle Unterstützung zu

Die Europäische Union stellt Griechenland zur Bewältigung der angespannten Lage an seinen EU-Außengrenzen bis zu 700 Millionen Euro zur Verfügung. Das sagte von der Leyen bei ihrem Besuch an der griechisch-türkischen Grenze. 350 Millionen Euro seien sofort verfügbar. Weitere 350 Millionen könnten angefordert werden. Das Geld solle für das Migrationsmanagement und den Aufbau und das Betreiben der nötigen Infrastruktur genutzt werden. Sie sei fest entschlossen, den griechischen Behörden jede nötige operative Unterstützung zukommen zu lassen. Die griechischen Sorgen seien europäische Sorgen, betonte von der Leyen: "Diese Grenze ist nicht nur eine griechische Grenze, es ist auch eine europäische Grenze."

Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis machte klar, dass sein Land an der bisherigen harten Linie gegen Migranten festhalten werde. "Wir sind solidarisch, wir haben Hunderttausende beherbergt. Aber unsere Nachricht ist klar: Kommt nicht illegal nach Griechenland, versucht es nicht." Die aktuelle Lage bezeichnete er als Bedrohung für sein Land und die gesamte EU.

Die griechische 37.000-Einwohner-Gemeinde Orestiada an der Grenze zur Türkei steht gerade wie kein zweiter Ort für die Zuspitzung der Lage. Tausende Migranten aus Syrien, Afghanistan und anderen Ländern haben sich auf türkischer Seite hierher auf den Weg gemacht. Grund: Präsident Erdogan hatte am Sonnabend verkündet, die Türkei habe für Flüchtlinge die Grenzen zur EU geöffnet.

Blendgranaten und Tränengas

Viele wollen weiterziehen, versuchten auch schon, illegal die Grenze zu übertreten. Griechische Sicherheitskräfte setzten mehrfach Blendgranaten und Tränengas ein, um den Ansturm zu beenden.

Migranten bei Orestiada: 13.000, die bei Kälte ausharrenBild: picture-alliance/dpa/Xinhua/D. Tosidis

Die Türkei hat seit Beginn des Bürgerkriegs im Nachbarland Syrien rund 3,6 Millionen Flüchtlinge aufgenommen. Dazu kommen viele Migranten und Flüchtlinge aus Afghanistan und anderen Ländern. In einem Flüchtlingspakt mit der EU hatte die Türkei 2016 eigentlich zugesagt, gegen illegale Migration vorzugehen. Im Gegenzug nimmt die EU regulär Syrer aus der Türkei auf. Die Regierung in Ankara erhält zudem finanzielle Unterstützung für die Versorgung der Flüchtlinge im Land.

Vor dem Bundeskanzleramt in Berlin demonstrierten derweil am Abend Tausende Menschen dafür, die EU-Grenzen für Migranten zu öffnen. Die Polizei schätzte die Teilnehmerzahl auf 3500, die Veranstalter der "Seebrücke Berlin" auf rund 8000. Die Organisatoren erklärten auf Facebook, es gehe ihnen darum, "ein Zeichen gegen die Abschottungspolitik der EU und für die Öffnung der Grenzen zu setzen". In Hamburg und anderen Städten gab es ähnliche Kundgebungen.

Die Spitzen der EU-Institutionen wollten am Dienstag auch mit dem griechischen Regierungschef Kyriakos Mitsotakis zusammentreffen. "Wir wollen Griechenland besuchen, weil es ein Land ist, das derzeit unter enormem Druck steht ", sagte Parlamentspräsident Sassoli vor der Abreise. Es sei wichtig, sich vor Ort ein Bild zu machen, und Griechenland Hilfe zuzusichern. Weil dieser Staat an der EU-Außengrenze liege, betreffe das jedes Mitglied der Europäischen Union. Auch von der Leyen hatte von einer "europäischen Herausforderung " gesprochen. Priorität sei, Griechenland jede nötige Unterstützung zu geben.

Eskalation in Nordsyrien als Auslöser

Parallel versuchen der EU-Außenbeauftragte Josep Borell und Krisenkommissar Janez Lenarcic auf türkischer Seite die Krise zu entschärfen. Sie reisen nach Ankara und wollen dort mit Regierungsvertretern Gespräche "über die anhaltende Eskalation in der nordwestsyrischen Provinz Idlib, die humanitären Folgen für die Zivilbevölkerung vor Ort sowie über die Situation der syrischen Flüchtlinge in der Türkei führen".

Tränengaseinsatz an der griechisch-türkischen Grenze: Maßnahmen gegen illegale ÜbertritteBild: picture-alliance/dpa/XinHua

Die Eskalation in Nordsyrien gilt als Auslöser für die aktuelle Krise, da Tausende Menschen versuchen, aus den Kampfgebieten dort in die Türkei zu fliehen. Die EU-Kommission teilte mit, dass der zweitägige Besuch von Borrell und Lenarcic im Vorfeld eines Treffens der Außenminister der EU-Mitgliedsstaaten stattfindet, dass am Donnerstag beginnt. Lenarcic will demnach auch Flüchtlingseinrichtungen in Gaziantep im Südosten der Türkei besuchen, das nahe der syrischen Grenze liegt.

Auch die EU-Innenminister kommen wegen der angespannten Situation zu einem Sondertreffen zusammen, das am Mittwoch stattfinden soll. Ein Thema in der Runde könnten auch von Amnesty International erhobene Vorwürfe sein. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation werden Helfer von Flüchtlingen und Asylsuchenden in Europa zunehmend strafrechtlich verfolgt. Von "unbegründeten Strafverfahren, Einschüchterungen und Verleumdungskampagnen" ist die Rede.

Schikane gegen Flüchtlingshelfer?

Amnesty hat dazu Fälle aus der Zeit von 2017 bis 2019 in acht europäischen Ländern untersucht: Kroatien, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Malta, Spanien und die Schweiz. Dort gerieten Helfer immer wieder in das Visier von Polizei und Staatsanwaltschaften.

Amnesty-Generalsekretär Beeko: "Drohende Haft, weil sie Menschenrechte verteidigen"Bild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

So stünden Teile der Besatzung des Rettungsschiffs "Iuventa 10" zu Unrecht in Italien vor Gericht. Den Betroffenen drohten fünf bis 20 Jahre Haft, "weil sie die Menschenrechte von schutzsuchenden Kindern, Frauen und Männern verteidigen", sagte der Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, Markus Beeko.

Die Menschenrechtsorganisation forderte die EU-Kommission auf, humanitäre Hilfe für Schutzsuchende ausdrücklich zu erlauben und zu schützen. Eine EU-Richtlinie erlaube es bislang Staaten, Menschen für ihre Hilfeleistungen zu bestrafen - ursprünglich, um so Schleuser strafrechtlich belangen zu können.

AR/sti (dpa,afp, kna)

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen