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Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt

Bettina Marx23. Oktober 2014

Die Zahl der Flüchtlinge in Deutschland steigt unaufhaltsam. Städte und Gemeinden fühlen sich überfordert und verlangen Hilfe. Im Kanzleramt in Berlin suchten Vertreter von Bund und Ländern nach Lösungen.

Flüchtlinge in einer Notunterkunft zur Erstaufnahme Foto: DPA
Bild: picture-alliance/dpa/Marc Müller

Drei Stunden lang diskutierte Kanzleramtsminister Peter Altmaier mit den Vertretern der Bundesländer in Berlin. Konkrete Ergebnisse konnte er danach nicht verkünden. Er zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass man bis zum Treffen der Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin am 11. Dezember entscheidungsfähige Grundlagen erarbeiten werde. "Wir wollen uns den Herausforderungen stellen, wie es sich für ein Land wie Deutschland gehört", erklärte Altmaier. Das Gespräch im Kanzleramt sei konstruktiv verlaufen und er sei froh, dass es gelungen sei, das Thema aus dem parteipolitischen Streit herauszuhalten.

Der Chef der brandenburgischen Staatskanzlei, Albrecht Gerber, ergänzte, es gehe um "die humane und menschenwürdige Unterbringung und Integration von Menschen, die aus schwerem Elend und aus Kriegsgebieten zu uns kommen." Es sei klar, dass ein Land wie Deutschland verpflichtet sei, diese Menschen unterzubringen und zu integrieren. Nun sollen Arbeitsgruppen Lösungsvorschläge erarbeiten. Die Länder hätten ihre Erwartungen vorgetragen, dass es zu einer Entlastung von Ländern und Kommunen kommen müsse, unterstrich der Innenminister von Thüringen, Jörg Geibert. Dies sei auf Verständnis gestoßen.

Städte und Länder rufen um Hilfe

Die Länder und Gemeinden sehen sich seit Beginn des Jahres einer Flut von Flüchtlingen, Asylbewerbern und Migranten gegenüber. Viele Städte wissen nicht, wie sie die Neuankömmlinge unterbringen und versorgen sollen. In zahlreichen Städten wurden Notunterkünfte eingerichtet, mitunter wurden Flüchtlinge sogar in Zelten untergebracht.

Drangvolle Enge in einer Notunterkunft in BruchsalBild: picture-alliance/dpa/Uli Deck

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius regte an, dass der Bund künftig die Kosten für die Gesundheitsversorgung der Flüchtlinge übernehmen solle. Derzeit müssten die Kommunen den Flüchtlingen Krankenscheine ausstellen, wenn sie zum Arzt müssten. Sie sollten stattdessen in die gesetzliche Krankenkasse aufgenommen werden. Der sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU) forderte, dass der Bund die Kosten für lange Asylverfahren übernehmen müsse. CDU/CSU und SPD hätten im Koalitionsvertrag versprochen, dass Asylverfahren nicht länger als drei Monate dauern sollten. "Da liegt es nahe zu sagen: ab dem vierten Monat übernimmt der Bund auch die Kosten für Unterbringung und Verpflegung", sagte Ulbig der "Freien Presse" aus Chemnitz. Ähnlich äußerten sich auch die Ministerpräsidenten von Rheinlandp-Pfalz und Bayern, Malu Dreyer (SPD) und Horst Seehofer (CSU).

Steigende Zahl von Asylbewerben

Die Zahl der Asylsuchenden ist in diesem Jahr sprunghaft angestiegen. In den ersten neun Monaten wurden bereits mehr als 130.000 Asylanträge gestellt. Das ist ein Zuwachs von 57 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Obwohl das Personal beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aufgestockt wurde, dauern die Asylverfahren im Schnitt sieben Monate, oft aber auch viel länger. In dieser Zeit müssen die Flüchtlinge untergebracht und versorgt werden. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, verlangte ein Bund-Länder-Programm, das den Kommunen helfe, dauerhafte zusätzliche Unterkünfte zu bauen und zu finanzieren. Der Bund müsse die Länder beim Bau der dringend benötigten Erstaufnahme-Einrichtungen unterstützen, sagte er im Deutschlandfunk. Altmaier erklärte, er habe mit den Vertretern der Länder über die Möglichkeit gesprochen, leerstehende Kasernen der Bundeswehr und Liegenschaften der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben zu nutzen, um Flüchtlinge unterzubringen.

Kritik aus der Opposition

Linke und Grüne kritisierten den Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt als unzureichend. Die Innenexpertin der Linkspartei Ulla Jelpke forderte ein neues Aufnahmekonzept, das auf frühzeitige Integration statt auf Abschreckung setze. Es reiche nicht aus, lediglich die Kosten des bestehenden Aufnahmesystems zwischen Bund, Ländern und Kommunen neu zu verteilen, sagte sie. Die Grünen verlangen, dass der Bund eine Soforthilfe in Höhe von einer Milliarde Euro zur Verfügung stellt. "Die Probleme in der deutschen Flüchtlingspolitik löst die Bundesregierung nicht durch Mini-Treffen auf Staatskanzleiebene", sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt.

Das Zentrum für Asylbewerber in München ist ausgelastetBild: Reuters/Michaela Rehle

Kritik gibt es aber auch an Ländern und Kommunen selbst. Die Migrationsexpertin Christine Langenfeld sagte der Süddeutschen Zeitung, Länder und Kommunen hätten sich besser auf die Flüchtlinge einstellen können. Der Bürgerkrieg in Syrien dauere ja schon lange. "Es war zu erwarten, dass mehr Flüchtlinge kommen". Überraschend hoch seien allerdings die Zahlen aus Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina gewesen. Die Einstufung dieser Staaten als sichere Herkunftsländer werde Länder und Kommunen entlasten.

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