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Flüchtlingshilfe wird immer teurer

Sabine Kinkartz, Berlin29. Oktober 2015

Jeden Tag kommen tausende Flüchtlinge in Deutschland an. Städte und Gemeinden ächzen und machen eine drastische Rechnung auf: 2016 könnte die Versorgung 16 Milliarden Euro kosten.

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Bild: picture-alliance/dpa/Oliver Mehlis

Mit Geld kennen sie sich aus, die Bürgermeister und Landräte in Deutschland. Zu ihren wichtigsten Aufgaben gehört es, den Haushalt für ihre Stadt, Gemeinde oder den Landkreis aufzustellen und zu verwalten. Eine in den letzten Jahren zunehmend unerfreuliche Aufgabe, denn die Kommunen sind in der Regel nicht besonders gut bei Kasse. Manche lebten zuletzt sprichwörtlich von der Hand in den Mund und konnten sich nur mit regelmäßig neu aufgenommenen Krediten über Wasser halten.

Die Versorgung und Integration der Flüchtlinge ist für Städte und Gemeinden daher nicht nur eine organisatorische, sondern auch eine finanzielle Herausforderung. Stefan Skora, Präsident des Sächsischen Städte- und Gemeindetages und Oberbürgermeister von Hoyerswerda formuliert es so: "Die Bürgermeisterkollegen schwanken zwischen Tatendrang und Resignation." Skora selbst fühlt sich der Resignation inzwischen deutlich näher. Die vielzitierte Aussage der Bundeskanzlerin "Wir schaffen das" vergleicht er mit der inzwischen widerlegten Aussage "Die Rente ist sicher" eines früheren Arbeitsministers.

Am Tropf der Länder

Was Skora zweifeln lässt, ist nicht nur die schwierige Suche nach immer weiteren winterfesten Quartieren für die Flüchtlinge, sondern auch die Kostenrechnung der kommunalen Verbände. Sowohl der Deutsche Städte- und Gemeindebund als auch der Deutsche Städtetag machen immer drastischere Rechnungen auf. Während für das laufende Jahr Gesamtkosten von zehn bis zwölf Milliarden Euro angenommen werden, rechnet der Städtetag im jüngsten Gemeindefinanzbericht für 2016 mit sieben bis 16 Milliarden Euro, abhängig von den für das kommende Jahr zu erwartenden Flüchtlingszahlen.

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Eine zugegebenermaßen breite Spanne, die den Finanzdezernenten und Kämmerern der Kommunen jedoch schon jetzt den Schweiß auf die Stirn treibt. Denn der Bund hat bislang lediglich eine monatliche Kopfpauschale von 670 Euro pro Flüchtling zugesagt, die allein die Kosten für Unterkunft und Versorgung abdecken soll und das auch nur bis zum Abschluss des Asylverfahrens. Aufgrund der föderalen Struktur in Deutschland zahlt der Bund das Geld an die Länder, die zugesagt haben, es an die Kommunen weiterzuleiten. Eine ausdrückliche Verpflichtung besteht indes nicht und die Länder handhaben die Kostenbeteiligung derzeit höchst unterschiedlich.

Steigende Kosten

Dazu kommt, dass die Versorgung der Flüchtlinge immer teurer wird. "Wir leben in einer Marktwirtschaft", stellt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg fest. Container kosteten heute 40 bis 50 Prozent mehr als noch vor einem halben Jahr. Auch die Mieten für leer stehende Hallen, Häuser oder Grundstücke seien explodiert. Der sächsische Städte- und Gemeindetag hat errechnet, dass die Versorgung der Flüchtlinge durch den Kostenanstieg von durchschnittlich 6.440 Euro pro Kopf im Jahr 2014 auf absehbar 10.552 Euro in diesem Jahr hochgeschnellt ist. Der Städtetag geht in seinem Gemeindefinanzbericht davon aus, dass die vom Bund zugesagte Kopfpauschale bei weitem nicht ausreichen wird und stellt für 2016 einen zusätzlichen Finanzierungsbedarf von drei bis 5,5 Milliarden Euro fest.

Wenn die Nachfrage das Angebot übersteigt, dann geht der Preis nach obenBild: picture-alliance/dpa/J. Carstensen

Noch nicht geklärt ist auch, wer für die Integrationskosten der Menschen aufkommen soll, deren Asylantrag bewilligt wird. Mit Abschluss des Asylverfahrens stellt der Bund seine Zahlung ein. Bei der Bereitstellung von Wohnraum, der Zahlung von Sozialhilfe für arbeitsunfähige Flüchtlinge und die Kinderbetreuung in Kindertagesstätten wären Städte und Gemeinden dann auf sich gestellt. Das sei nicht zu leisten, heißt es beim Deutschen Städtetag. "Wir brauchen einen Maßnahmenkatalog mit einem Integrationsgesetz", fordert Gerd Landsberg. "Da müssen die Mehrkosten, die wir haben und auch in Zukunft haben werden von der Gesamtgesellschaft, also von Bund und Ländern getragen werden."

Schwarze Null in Gefahr?

Eine Aufgabe, die auch dem Bundesfinanzminister Kopfzerbrechen bereitet. Fünf Milliarden Euro hat der Bund in diesem Jahr auf die Seite gelegt, um Ländern und Kommunen unter die Arme zu greifen. Das Geld wird im kommenden Jahr in Abschlagszahlungen in die Länderhaushalte überwiesen. Sollte mehr Geld nötig sein, dann könnte es durchaus sein, dass der Bund neue Schulden machen und sich von der "schwarzen Null" im Haushalt verabschieden müsste.

Wolfgang Schäuble hat das bislang kategorisch ausgeschlossen und setzt bislang auf Kürzungen im Bundeshaushalt, um Mehrkosten zu kompensieren. Der Etat für 2016 wird derzeit in den Ausschüssen des Bundestags beraten, am 27. November steht die Abstimmung im Parlament an. Zuvor werden sich in der kommenden Woche die Steuerschätzer zusammensetzen, um die absehbaren Einnahmen zu errechnen. Am 5. November wird das Ergebnis vorliegen und vom Bundesfinanzminister in Berlin präsentiert werden. Ein Termin, an dem sich Schäuble sicherlich eine ganze Menge Fragen wird stellen lassen müssen.

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