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Gesellschaft

Flüchtlingsunterkünfte: Kein Ort für Kinder

Melina Grundmann
23. September 2019

Die Hälfte aller Asylsuchenden in Deutschland sind Kinder. Doch diese bleiben meist unter dem Radar. Kinderrechtsorganisationen fordern einen stärkeren Fokus auf den Schutz und die Rechte von geflüchteten Kindern.

Symbolbild: Familiennachzug
Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Ein grauer, eingezäunter Gebäudekomplex aus Beton, am Rande einer abgelegenen Straße im Nordwesten von Berlin. Gegenüber gräbt ein Bagger Löcher auf dem Gelände einer Großbaustelle. Im Hinterhof spielen ein paar Kinder auf neu angelegten Spielflächen. 

Die Anlage ist eine "Modulare Unterkunft für Flüchtlinge" - eine sogenannte "MUF". Hier in der Wartenberger Straße wohnen knapp 400 Geflüchtete, fast die Hälfte davon sind Kinder und Jugendliche. Die Belegung ist beispielhaft für die derzeitigen deutschlandweiten Verhältnisse: Von 100.000 Asylanträgen, die im ersten Halbjahr 2019 gestellt wurden, sind 50.000 von Kindern - die meisten von ihnen sind unter vier Jahre alt.

Die Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete in der Wartenberger Straße in BerlinBild: DW/M. Grundmann

"Kinder, die gemeinsam mit ihren Familien fliehen, bleiben - im Gegensatz zu unbegleiteten Minderjährigen - in der Gesellschaft oft unter dem Radar", sagt Jörg Fegert, Kinder- und Jugendpsychiater an der Uniklinik in Ulm. "Das muss dringend geändert werden. Denn diese Kinder wachsen oft in beengten Verhältnissen auf, oft auch in einer Atmosphäre, die geprägt ist von Gewalt und Aggression, von Trauma und Depression."

Deutsche Kinderrechtsorganisationen schlagen deswegen schon lange Alarm: "Wir brauchen einen stärkeren Fokus auf die Sicherung von Rechten und dem Schutz von geflüchteten Kindern", sagt Susanna Krüger von Save the Children. Die Organisation setzt sich weltweit für Kinderrechte ein. In Deutschland habe sich in den letzten Jahren zwar einiges getan, doch noch lange nicht genug.

Kinderschutzkonzept schwer zu kontrollieren

So wurden bereits 2016 Kinderschutzkonzepte erarbeitet, die das Kindeswohl in Unterkünften sicherstellen sollen. Doch es ist schwer zu kontrollieren, ob die Maßnahmen auch umgesetzt werden. 

Darüber hinaus fehlen nach wie vor Ressourcen. Vor allem in ländlicheren Regionen mangelt es oft an Strukturen - die Flüchtlingsheime sind zu weit außerhalb und haben teilweise eine schlechte Anbindung an Kindergärten und Schulen. Doch gerade ein geregelter Alltag, in dem ein Kind in die Kindertagesstätte oder zur Schule gehen kann, sorgen für Stabilität und Perspektiven.

Nicht jede Unterkunft für geflüchtete Menschen hat solche Spielmöglichkeiten wie die im Nordwesten von BerlinBild: DW/J. Matta

Durch mangelnden Wohnraum, vor allem in den Städten, sind viele Familien gezwungen, länger in den Unterkünften zu bleiben als sie wollen. Die 16-jährige Wania aus Pakistan wohnt mit sechs anderen Familienmitgliedern seit fast zwei Jahren in der Wartenberger Straße. Auch wenn sie das Gemeinschaftsleben schätzt, würde sie lieber in einer Wohnung in der Stadt wohnen. "Ich brauche 40 Minuten zur Schule, das ist schon wirklich weit", sagt sie. 

Kindgerechtes Leben in Flüchtlingsunterkünften schwierig

Katharina Meinck leitet die Unterkunft in der Wartenberger Straße. Sie ist zufrieden mit den Standards, die hier umgesetzt werden. Für knapp 200 Kinder stehen hier zwei Spielzimmer und ein Außenbereich mit Spielplatz zur Verfügung, außerdem gibt es viele Projekte und Ausflugsmöglichkeiten ."Ja, es könnten noch mehr Spielräume sein", gibt Meinck zu, "aber wir sind auf einem guten Weg". 

Kinderschutzfachkraft Julia Matte (links) und Heimleiterin Katharina Meinck (rechts) Bild: DW/M. Grundmann

Meinck arbeitet eng zusammen mit einer Kinderschutzfachkraft - ebenfalls Teil des Kinderschutzkonzepts. Sie setzen sich zum Beispiel in Fällen von häuslicher Gewalt dafür ein, zwischen den Eltern und dem Jugendamt zu vermitteln. Oder die Eltern anzusprechen, wenn ihnen auffällt, dass ein Kind sich auffällig verhält oder Zeichen von Verwahrlosung aufweist.

Doch Maßnahmen hin oder her, Bewohner und Betreuerinnen sind sich einig: Unterkünfte sind kein geeigneter Ort zum Leben, kein geeigneter Ort für Kinder zum Aufwachsen.

Einer der zwei Spielräume für die Kinder in der Wartenberger StraßeBild: DW/M. Grundmann

Mohammed Alee aus dem Irak wohnt jetzt seit anderthalb Jahren in der Berliner Gemeinschaftsunterkunft in der Wartenberger Straße, vorher war er in einer Erstaufnahmeeinrichtung: "Das hier ist dagegen wie ein Fünfsternehotel. Trotzdem, eine eigene Wohnung ersetzt das Heim nicht". Er selbst hat zwei erwachsene Töchter. "Ich bin froh, dass sie nicht im Heim aufwachsen mussten", sagt er.

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