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Fleischatlas: Hohe Kosten für Billigfleisch

6. Januar 2021

Fleisch ist im Supermarkt billig, doch die Schäden für Klima, Tiere, Gesundheit und Bauern sind immens. Experten fordern eine Wende, der Fleischatlas zeigt die Fakten.

Aktivisten von Greenpeace protestieren vor dem Bundeskanzleramt in Berlin gegen die Fleischindustrie auf den Plakaten steht: Billigfleisch stoppen, Billigfleisch ist ein krankes System
Bild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

"Die industrielle Fleischproduktion ist nicht nur für prekäre Arbeitsbedingungen verantwortlich, sondern vertreibt Menschen von ihrem Land, befeuert Waldrodungen, Pestizideinsätze und Biodiversitätsverluste – und ist einer der wesentlichen Treiber der Klimakrise", so Barbara Unmüßig von der Heinrich-Böll-Stiftung bei der Vorstellung des Fleischatlas' 2021 in Berlin.

Auf 50 Seiten skizzieren darin Experten die Trends und Folgen der globalen Fleischproduktion für die Gesundheit von Mensch und Umwelt. Herausgeben wird der Atlas von der parteinahen Stiftung von Bündnis 90/Die Grünen zusammen mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der internationalen Monatszeitung "Le Monde diplomatique". 

Killerkeime aus der Tiermast

So führt zum Beispiel die dauerhafte Zugabe von Antibiotika in den Tierfabriken zu immer mehr resistenten Keimen. Dies bedroht die Wirksamkeit von Antibiotika in der Humanmedizin und gefährdet Menschenleben - auch die von Vegetariern und Veganern.

Auch die Rodung von Wäldern für Futtermittel bedroht die Gesundheit von Menschen. Wildtiere verlieren ihre Lebensräume, damit wird der Kontakt zu Menschen enger und das begünstigt die Übertragung von Viren und die Entstehung von Pandemien. 

Deutsche Schlüsselrolle in der Fleischindustrie

"Die Politik muss dem gesellschaftlichen Wunsch nach dem Umbau der Tierhaltung Rechnung tragen", fordert Olaf Bandt, Vorsitzender des Umweltverbandes BUND. "Dies erfordert eine weitreichende politische Neuausrichtung der Agrarpolitik, aber die Agrarwende wird ohne eine Ernährungswende nicht zu schaffen sein."

Deutschland habe bei der Erzeugung von Schweinefleisch und Milch mit einem Marktanteil von mehr als 20 Prozent in der EU eine Schlüsselfunktion inne, sagt Bandt. "Riesige Mengen an Fleisch werden exportiert. Diese Abhängigkeit vom Weltmarkt schadet der Umwelt, den Tieren und den bäuerlichen Betrieben. Auf immer weniger Höfen leben immer mehr Tiere, dadurch wird die Verschmutzung des Grundwassers in diesen Regionen weiter verschärft", beschreibt Bandt das Dilemma für Bauern und Umwelt.

Fleisch frisst Regenwald

Der globale Fleischbedarf steigt durch das weltweite Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum - für Klima und Umwelt ein großes Problem. 1960 lebten auf der Erde drei Milliarden Menschen, der Fleischverzehr lag laut Fleischatlas bei rund 70 Millionen Tonnen und damit im globalen Durchschnitt bei 23 Kilogramm pro Person im Jahr.

2018 lebten bereits mehr als doppelt so viele Menschen auf der Erde: 7,6 Milliarden Menschen. Der Fleischverzehr war mit rund 350 Millionen Tonnen sieben Mal so hoch und lag im globalen Durchschnitt bei 46 Kilogramm pro Person und Jahr.

Ein zentrales Problem ist der immense Flächenverbrauch für die Fleischproduktion. Laut Umweltbundesamt werden derzeit 71 Prozent der globalen Ackerfläche für Viehfutter gebraucht. Das sind vier mal mehr als für direkt angebaute Lebensmittel (18 Prozent), andere Rohstoffe (sieben Prozent) und Energiepflanzen wie etwa Mais für Biogas (vier Prozent).

Der Druck auf das global verfügbare Ackerland wächst mit steigendem Fleischbedarf. Darum werden weitere riesige Waldflächen vor allem für den Futteranbau von Soja gerodet, wie etwa in Brasilien. "Beim Soja landen heute 90 Prozent im Futtertrog", so Unmüßig.  

Um die Weltbevölkerung gut zu ernähren, keine Regenwälder mehr für Futter und Tierzucht abzuholzen und zugleich wieder Flächen für Aufforstungen zu haben, fordern Experten ein Umdenken hin zu einer Ernährung mit weniger Fleisch und mehr pflanzlicher Kost, die deutlich weniger Ackerflächen benötigt.

Ein neues Menü für die Welt

Weltweit führende Wissenschaftler wie Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) empfehlen im "Report für Gesundes Leben auf einem gesunden Planeten" eine Umstellung der Ernährung auf durchschnittlich 16 Kilogramm Fleisch und 33 Kilogramm Milchprodukte pro Person und Jahr. Indien und viele afrikanische Länder zeigen mit ihrer traditionellen Ernährungsweise, dass dies geht. In Nord- und Südamerika sowie in Europa wird dagegen derzeit bis zu sieben Mal mehr Fleisch konsumiert.

Im Fleischatlas zeigen die Autoren nicht nur die internationalen Auswirkungen der mächtigen Fleischindustrie, sie verdeutlichen auch die Zusammenhänge zwischen ihr und der globalen Chemieindustrie. So dominieren einerseits die großen Fleisch- und Nahrungsmittelkonzerne zunehmend den Markt vom Futtermittelanbau, Transport, Schlachtung und Vermarkung und gefährden damit die Existenz von Bauern und kleineren Schlachtereien.

Aufgezeigt wird auch, wie für den Futtermittelanbau hochgefährliche und teils verbotene Gifte von den großen Chemiekonzernen exportiert und in vielen Regionen gespritzt werden. Zu den Produzenten und Exporteuren solcher Chemikalien zählen unter anderem Bayer Crop Science, BASF, Syngenta aus Europa sowie Corteva und FMS aus den USA. Durch den Einsatz der Pestizide gibt es mehrere tausend Tote, sagt Unmüßig, aus diesem Grund "muss die Bundesregierung alles dafür tun, dass die deutschen Konzerne diese in der EU verbotenen Gifte nicht mehr exportieren", ergänzt Bandt.

Zudem wäre das geplante EU-Mercosur-Abkommen sehr schlecht für Lateinamerika und den Amazonas, warnt Unmüßig. "Beim Abbau der Zölle werden so noch mehr Pestizde nach Lateinamerika geliefert und auch noch mehr Regenwald wird für Sojaanbau und Fleischproduktion abgeholzt", so Unmüßig.

Der gesellschaftliche Wunsch nach einer klima- und umweltfreundlichen sowie artgerechten Tierhaltung erfordere eine weitreichende politische Neuausrichtung der Agrarpolitik, betonen die Experten. Der Umbau müsse sowohl beim Konsum als auch bei der Produktion ansetzen und bedürfe einer umfassenden politischen Strategie. "Eine echte Fleischwende ist bisher nicht eingeleitet", resümiert Barbara Unmüßig von der Heinrich-Böll-Stiftung.

Was essen wir in Zukunft?

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