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Politik

"Parlament darf nicht boykottiert werden"

1. März 2019

Die albanische Opposition möge die parlamentarische Arbeit wieder aufnehmen. Und: Eine einvernehmliche Grenzänderung zwischen Serbien und Kosovo könnte eine echte Lösung darstellen, meint Florian Hahn im DW-Interview.

Albanien Tirana - Protest der Opposition
Protest der Opposition in TiranaBild: picture-alliance/AP Photo/H. Pustina

Deutsche Welle: Herr Hahn, Sie haben vor einigen Tagen eine Erklärung über Albanien abgegeben, in der Sie kein Verständnis für den Schritt der Opposition zeigen, dass sie ihre Mandate abgegeben hat. Wie waren die Reaktionen, die Sie aus Albanien bekommen haben?

Florian Hahn: Ich habe Verständnis für  friedliche Demonstrationen, für friedlichen Protest, aber ich glaube, dass dort, wo die politische Auseinandersetzung in einer Demokratie ihren Hauptplatz hat und haben muss, im Parlament, zwischen den gewählten Vertretern des Landes, dass man genau diesen Raum eben nicht boykottieren darf. Gerade dort muss die Auseinandersetzung geführt werden.

Doch die Opposition behauptet, sie kann nicht ihre parlamentarische Rolle ausüben und sie will nicht der Regierung als Fassade dienen. Denn die Regierung möchte laut Opposition in allen unabhängigen Institutionen Einfluss nehmen. Stimmt diese Darstellung der Opposition mit ihrem Eindruck überein?

Ich kann mich gut an die Zeit erinnern, als die Demokratische Partei an der Regierung war und die Sozialisten das Parlament bestreikt haben. Das habe ich damals genauso kritisiert und für falsch gehalten. Es geht nicht darum, dass ich Demonstrationen verurteilen würde, oder dass man sich nicht gegen Regeln wehren sollte, die man für falsch hält. Aber das Parlament sollte als Kern des demokratischen Wesens in keinem Fall bestreikt oder boykottiert werden.

Florian Hahn, Europapolitischer Sprecher der CDU/CSU-BundestagsfraktionBild: CSU/ASP

Was soll die Opposition jetzt tun?

Das ist eine schwierige Situation: Es gibt für jemanden, der ein Mandat abgibt meistens einen entsprechenden Nachfolger. Und, wenn das so ist, wenn man vernünftig genug ist, dann sollte man die Mandate entsprechend nachbesetzen aus der eigenen Partei.

Aber wenn die Parteispitze das nicht will?  

Das war ein schwerer Fehler und eigentlich darf über ein Mandat nicht die Partei bestimmen, und das ist eine Frage darüber, wie man die Demokratie versteht: Schließlich sind es Menschen, die Volksvertreter, die gewählt wurden, und eigentlich darf nicht die Partei bestimmen, ob jemand ein Mandat zurückgibt oder nicht.

Sie also keine Empfehlung, wie man jetzt weiter vorgehen sollte?

Ich hatte die Empfehlung, das Parlament nicht zu boykottieren, und ich habe die Empfehlung möglichst diesen Weg zu verlassen, um wieder zu einem normalen auch parlamentarischen Miteinander oder auch Gegeneinander zu kommen, so wie es die Demokratie vorsieht.

Wären jetzt vielleicht Neuwahlen eine Lösung?

Was sollen die Parteien insgesamt lernen? Wenn man Neuwahlen so herbeischafft, wie es von der Verfassung so nicht vorgesehen ist - und es kommt zu einem Machtwechsel - was lernt die andere Partei in der Opposition daraus? Sie lernt, dass man durch Boykottieren des Systems und Abgabe der Mandate Neuwahlen erzwingen kann. Die Frage ist, wo will Albanien hin? Will Albanien ein stabiles demokratisches Land, ein Teil der EU werden? Dann ist es richtig, dass die Opposition sehr kritisch verschiedene Reformprozesse begleitet. Aber der Boykott ist sicherlich nicht dazu geeignet, Albanien auf dem Weg in die EU zu unterstützen.

Die CDU/CSU hat letztes Jahr einige Bedingungen für die Aufnahme der Beitrittsgespräche mit Albanien festgelegt. Hat Albanien Fortschritte erzielt?

Wir sehen in vielen Punkten zu wenig Bewegung, in anderen Punkten größere Bewegung oder Verbesserung, beispielsweise beim Prozess der Überprüfung der Richter. Aber natürlich ist die aktuelle Situation, vor allem auch der Boykott des Parlaments, ein gewaltiger Rückschritt.

Aber das hat ja die Opposition getan. Wie beurteilen Sie die Reformen der Regierung?

Wir betrachten Albanien als Ganzes. Je mehr wir wollen, dass Albanien ein Teil der Europäischen Union wird, desto größer wird unser Interesse, dass wir ein Albanien in der EU haben, das stabil ist und unsere demokratischen Werte teilt. Und hier gibt es zumindest viele Fragezeichen.

Die Außenministerin von Frankreich hat gesagt, dass die Zeit für weitere Erweiterungsrunden nicht reif ist und dass man die EU reformieren sollte, bevor es zu weiteren Erweiterungsrunden kommt. Ist das nicht ein bremsendes Signal Richtung Westbalkan?   

Ich weiß es nicht, was eine Außenministerin bei einem Gespräch, bei dem ich nicht dabei war, gesagt hat. Entscheidend wird aber der EU-Fortschrittsbericht sein. Dieser wird am 29. Mai veröffentlicht und wir werden auf der Grundlage dieses Fortschrittsberichts auch im Deutschen Parlament eine Entscheidung finden und natürlich auf der Grundlage der aktuellen Ereignisse, die auf dem Westbalkan stattfinden.

Denken Sie, dass die Proteste, die ja auch in anderen Ländern des Westbalkans stattfinden, eine Auswirkung auf die Normalisierungsbemühungen zwischen Serbien und Kosovo haben?

Wir haben natürlich ein hohes Interesse daran, dass es hier Fortschritte gibt. Wir sehen aber auch, dass es Akteure gibt, die großes Interesse haben, dass diese nicht positiv ausgehen. Wir wünschen uns, hier positive Fortschritte zu erreichen.

Positive Fortschritte heißt auch Grenzveränderungen?

Mit Grenzveränderungen sollte man sehr vorsichtig agieren, aber ich persönlich, und das ist meine ganz persönliche Meinung, finde, wenn sich zwei souveräne Staaten tatsächlich darüber einig sind, miteinander eine gemeinsame Grenze zu verändern und wenn man dies jeweils für sich und sein Land verantworten kann, dann finde ich, muss man das akzeptieren. Genauer gesagt, die Internationale Gemeinschaft muss das akzeptieren. 

Sie vertreten hier eine andere Meinung als viele ihrer Fraktionskollegen.

Das ist ja meine persönliche Meinung. Ich sage es nochmal: Wenn zwei souveräne Staaten miteinander die Lösung finden, die sie jeweils für ihr eigenes Land verantworten können, dann muss auch die Internationale Gemeinschaft das akzeptieren.

Und was wäre dann mit der sogenannten Pandora-Büchse?

Wir wollen natürlich, dass damit eine Souveränität und das gegenseitige Anerkennen der beiden Staaten verbunden ist. Wenn das damit verknüpft ist und weitere Länder mit der Grenzverschiebung einverstanden sind, dann soll man das nicht sofort ablehnen.

Florian Hahn (CSU) ist seit 2018 Europapolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sowie Vorsitzender der Arbeitsgruppe Angelegenheiten der Europäischen Union. 

Das Gespräch führte Anila Shuka

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