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Woher kommen Lampudesas verzweifelte Flüchtlinge?

Philipp Sandner4. Oktober 2013

Viele der Flüchtlinge, die bei einem Bootsunglück vor Italiens Küste ums Leben kamen, stammen aus Eritrea und Somalia. Warum begeben sich Menschen aus diesen Ländern immer wieder sehenden Auges in diese Lebensgefahr?

Flüchtlinge vor Lampedusa REUTERS/Italian Coast Guard/Handout via Reuters
Immer wieder stranden Flüchtlinge aus Afrika vor LampedusaBild: REUTERS

Die bis zu 300 Toten vor der Küste Italiens sind ein trauriger Höhepunkt der Flüchtlingskrise im Mittelmeerraum. Doch neu ist diese Krise nicht. Viele der Todesopfer der jüngsten Katastrophe stammen aus Eritrea und Somalia. Bereits seit Jahren treten Menschen vom Horn von Afrika diese gefährliche Reise nach Europa an.

Der Eritreer Abba Musse ist katholischer Priester und leitet die Flüchtlingshilfsorganisation Agency Abesha in Rom. "Die Diktatur in Eritrea bezeichnen viele als das Nordkorea Afrikas", erzählt er, um die Verzweiflung seiner Landsleute begreifbar zu machen. Das Regime unter Präsident Isayas Afewerki gewähre den Menschen keinerlei Freiheiten - weder Presse-, Religions-, noch Versammlungsfreiheit. Organisationen wie Amnesty International werfen Eritreas Regierung willkürliche Festnahmen politischer Gegner und andere systematische Menschenrechtsverletzungen vor.

Während in Eritrea ein brutaler Diktator seine Landsleute in die lebensgefährliche Flucht treibt, ist es in Somalia die große Unsicherheit. Nach langen Jahren des Bürgerkriegs hat Somalia seit 2012 zwar wieder einen gewählten Präsidenten. Doch die islamistische Al-Shabaab-Miliz überzieht immer noch weite Teile des Landes mit Terror. "Die Konsequenz des langen Krieges sind auch soziale und wirtschaftliche Probleme", sagt Musse. "Viele Menschen haben keine Arbeit und keine Lebensgrundlage." Dazu komme der Klimawandel, der die Trockenheit in der Region verschärft habe.

Die Al-Shabab-Miliz überzieht Somalia seit Jahren mit TerrorBild: picture-alliance/AP

Flucht auf verschlungenen Wegen

Bevor sie die Reise über das Mittelmeer antreten, landen viele der Flüchtlinge in Libyen. Einige von ihnen erzählten Musse, dass sie auch dort verfolgt und diskriminiert würden - wegen ihrer dunklen Hautfarbe und einige auch wegen ihres christlichen Glaubens. In Libyen könnten und wollten die Flüchtlinge daher nicht bleiben. Wenn die Flüchtlinge am Mittelmeer ankämen, seien sie meist mittellos, sagt Michael Hippler vom katholischen Hilfswerk Misereor. Sie müssten dann erstmal Geld verdienen, um die Schleuser zu bezahlen. "Weil die einheimische Bevölkerung ihre Notlage kennt, werden viele dieser Menschen dann auch noch ausgebeutet", sagt Hippler.

Menschenrechtler halten ihn für einen der brutalsten Dikatoren der Welt: Eritreas Präsident Isayas AfewerkiBild: picture-alliance/dpa

Flüchtlingsströme gar nicht erst entstehen zu lassen, sondern den Menschen in ihrer Heimat zu helfen, lautet eine oft erhobene Forderung in Europa. Doch im Fall Eritreas und Somalias ist diese gut gemeinte Idee kaum umsetzbar, wie Hippler erläutert. Die neue Regierung in Mogadishu sei nicht stark genug, um ihre Hoheit ohne internationale Hilfe zu verteidigen. Doch die internationalen afrikanischen Truppen stießen bisweilen auf Ablehnung bei der Bevölkerung. Ohnehin habe die Geschichte erwiesen, dass militärische Einsätze oft wenig Besserung brächten. Auch die politischen Verhältnisse in Eritrea sind von außen kaum zu beeinflussen.

Auch Entwicklungszusammenarbeit mit dem repressiven Eritrea und dem instabilen Somalia ist schwierig. Deutschland und andere Geberländer engagierten sich dort stärker, wo sie bessere Voraussetzungen und verlässlichere Partner vorfänden, etwa in Äthiopien oder Kenia, sagt Hippler.

Europa muss die Tür öffnen

Wo die Hilfe vor Ort versagt, solle Deutschland auf einem anderen Weg helfen, fordert Hippler. "Deutschland und Europa müssen über eine neue Migrationsgesetzgebung nachdenken." Die reine Abwehrhaltung gegenüber Flüchtlingen schade dem Aufbau am Horn von Afrika noch auf eine andere Weise: "Die Überweisungen von Migranten aus Kanada, USA, Europa sind aktuell die größte Einnahmequelle für Somalia", erklärt Hippler. Afrikaner, die sich in Deutschland integrierten, könnten eben auch ihre Angehörigen in der Heimat unterstützen.

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Die Beauftragte der Europäischen Kommission für Innere Angelegenheiten, Cecilia Malmström, sprach sich am Donnerstag dafür aus, das Engagement gegen die Schleuser zu verstärken, die die Not der Menschen ausnutzten. Europas restriktive Einwanderungspolitik spiele aber genau diesen Kriminellen in die Hände, sagt Abba Musse. Statt zu versuchen, die Grenzen zu verriegeln, sollten die europäischen Länder Asylsuchenden die Tür öffnen, damit sie auf legalem Weg einwandern könnten, fordert er. "Wenn Europa seine Türen schließt, öffnen die Schleuser ein Fenster für die Flüchtlinge."

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