Flüchtling Fazloula: Hoffen auf Olympia
29. September 2020Saeid Fazloula wirkt hin- und hergerissen, als die DW ihn am Telefon erreicht. Hin- und hergerissen zwischen Euphorie und Misstrauen. Tags zuvor hat er über seine Managerin erfahren, dass es nun doch mit der Teilnahme an den Olympischen Spielen in Tokio im kommenden Sommer klappen könnte. "Ich sehe mich bei Olympia", sagt er voller Freude. Das erschien jedoch lange unrealistisch. Fazloula, ein erfolgreicher Rennkanute, war aus seinem Heimatland Iran geflohen, weil er um sein Leben bangen musste. Sein Vergehen: Er hatte 2015 am Rande der Weltmeisterschaften in Italien vor dem Mailänder Dom posiert, ein Selfie gemacht, und es in sozialen Netzwerken geteilt. Nach seiner Rückkehr wurde ihm deshalb die Abkehr vom Islam unterstellt, worauf im Iran die Todesstrafe steht. Sämtliche Dementis blieben ungehört, weshalb der damals 23-Jährige über die Balkanroute nach Deutschland floh.
Fünf schwere Jahre
Hier ist er inzwischen gut integriert, arbeitet als Fitness-Trainer und geht bei einem Karlsruher Verein seinem Sport nach. Er tut dies weiter mit Hingabe und Erfolg, doch sein Traum von Olympia, so schien es lange Zeit, sollte sich nicht erfüllen. "Die letzten fünf Jahre waren schwer für mich, sehr schwer", sagt Fazloula im Telefonat in seiner Mittagspause. "Für mich geht es nur um Olympia."
Schuld am Dilemma ist die komplizierte Sportpolitik. Für das Internationale Olympische Komitee (IOC) galt Saeid Fazloula lange nicht als Kandidat für das internationale Flüchtlingsteam. Voraussetzung dafür ist die Anerkennung als Flüchtling, die der Internationale Kanuverband (ICF) Fazloula verweigerte.
In den Mühlen der Sportpolitik
Ein Start für den Deutschen Kanu-Verband (DKV) kommt nicht infrage, weil Fazloula über keinen deutschen Pass verfügt, dazu müsste er sechs statt bisher fünf Jahre in Deutschland sein. Dazu wäre die Qualifikation für das sehr erfolgreiche DKV-Olympiateam auch sportlich für ihn kaum machbar. Und es nochmal mit seinem Heimatland zu versuchen, ist auch keine Option: "Die versuchen seit Januar alles, um mich rumzukriegen. Der Verband hat mir versprochen, alles im Iran zu regeln. Aber Sie haben ja gesehen, was mit dem Ringer Navid Afkari passiert ist". Afkari war im Mitte September wegen angeblichen Mordes am Rande einer Demonstration trotz internationaler Proteste hingerichtet worden.
Der Ball liegt beim IOC
Möglicherweise aber hat eine jüngst im Ersten Deutschen Fernsehen ausgestrahlte Sendung Bewegung in den Fall gebracht. Denn nun lenkte der Weltverband ICF ein. Er will jetzt doch eine Teilnahme Fazloulas an den Spielen über das Flüchtlingsteam unterstützen. "Ich habe in den letzten Wochen hinter den Kulissen intensiv für meine Position und die des deutschen Verbandes geworben, dass man die Regeln auch anders interpretieren kann", sagte DKV-Präsident Thomas Konietzko, der auch Vizepräsident des Weltverbands ist, dem Ersten Deutschen Fernsehen: "Letztlich ist mir eine Mehrheit des Boards gefolgt, und wir haben uns jetzt entschieden, dass wir einen Start von Saeid im Flüchtlingsteam beim IOC unterstützen werden." Das habe das Internationale Olympische Komitee bereits schriftlich, nun liegt die Entscheidung also in Lausanne.
Saeid Fazloulas anfänglicher Überschwang ist in unserem Gespräch längst der Vorsicht gewichen. "Sicher ist das mit dem Olympia-Start noch lange nicht", sagt er. "Es ist schon so viel passiert in den letzten fünf Jahren. Ich konnte mich bisher nur auf mein Team bei 'Rheinbrüder Karlsruhe' verlassen, die haben mich auch in der schweren Zeit immer unterstützt. Ich will mich nicht zu früh freuen. Jetzt kam die positive Nachricht, aber genauso schnell könnte wieder eine negative kommen".