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Flugverbot über Russland für den Westen: China profitiert

Arthur Sullivan
4. September 2024

Russland hat nach den Sanktionen des Westens vielen europäischen Fluggesellschaften die Nutzung seines Luftraums untersagt. Dadurch konnten chinesische Fluggesellschaften Marktanteile gewinnen.

Airbus A320neo für chinesische Fluggesellschaften
China möchte seine Marktposition im Luftverkehr ausbauenBild: Jens Büttner/dpa/picture alliance

Einige westliche Fluggesellschaften haben entschieden, ihre Flüge nach China in diesem Sommer zu streichen. British Airways hat vor kurzem die Flüge zwischen London und Peking eingestellt, vorher hatte Virgin Atlantic beschlossen, die Strecke London-Shanghai aufzugeben, und auch Qantas bedient nicht mehr die Strecke zwischen Sydney und Shanghai.

Einer der Hauptgründe sei das russische Luftraumverbot und die zusätzlichen Kosten, die den Fluggesellschaften dadurch entstehen, heißt es von Luftfahrtinsidern. Nachdem die westlichen Staaten Moskau nach der Invasion in die Ukraine mit Sanktionen belegt hatten, untersagte Russland praktisch allen europäischen und nordamerikanischen Fluggesellschaften das Überfliegen seines Luftraums.

Chinesische Fluggesellschaften sind von dem Verbot nicht betroffen. So konnten sie westlichen Wettbewerbern Marktanteile abnehmen, in einer Zeit, in der sie sowieso schon versuchen, international zu expandieren.

Das schleppende Wirtschaftswachstum nach der Pandemie in China erschwert jedoch nach wie vor den erhofften Aufschwung im Luftverkehr. Zudem haben die geopolitischen Spannungen zwischen China und den Vereinigten Staaten bei einigen Fluggesellschaften zu einer Neuausrichtung geführt.

Die großen chinesischen Airlines haben bei internationalen Flügen etwa 90 Prozent des Niveaus vom Vor-Coronajahr 2019 erreicht, westliche Airlines erst 60 ProzentBild: Zhao Zishuo/Xinhua/IMAGO

Umfliegen von Russland ist teuer

Das Verbot des russischen Luftraums bereitet jedoch besonderes Kopfzerbrechen. John Grant, Chefanalyst des Reisedatendienstes Official Airline Guides (OAG), sagte, dass Reisen nach China für viele westliche Fluggesellschaften als "Sweet Spot der Luftfahrt" gelten, da man innerhalb von 24 Stunden hin- und zurückfliegen kann.

"Flüge nach Peking und Shanghai waren früher eine perfekte Auslastung eines Flugzeugs", sagte er der DW. "Das Verbot hat die Hin- und Rückreise nach Peking um etwa fünfeinhalb Stunden verlängert, und das ist eine echte Herausforderung".

Diese zusätzlichen Stunden in der Luft bedeuten erhebliche zusätzliche Treibstoff- und Personalkosten sowie ein potenziell kostspieliges Jonglieren mit Zeitnischen auf stark frequentierten Flughäfen.

Qantas Entscheidung hängt nicht an Russlands Verbot

Das Verbot für einige Airlines, den russischen Luftraum zu überfliegen, hat jedoch keine Auswirkungen auf die australische Fluggesellschaft Qantas. Aber auch sie hat im Juli bekannt gegeben, ihre Verbindung zwischen Sydney und Shanghai einzustellen.

Yi Gao, außerordentlicher Professor an der School of Aviation and Transportation Technology der Purdue University, weist darauf hin, dass Qantas schon immer nur in "begrenztem Umfang" Flüge nach China angeboten hat, und hält es für nicht korrekt, die jüngste Reduzierung der Flüge westlicher Fluggesellschaften nach China als "weit verbreitet" anzusehen.

Der zunehmende Wettbewerb durch inländische chinesische Fluggesellschaften spiele aber eine immer größere Rolle bei den Entscheidungen westlicher Fluggesellschaften, sagte er der DW. "Chinesische Fluggesellschaften haben einen Kostenvorteil, so dass sie wettbewerbsfähigere Flugpreise auf Strecken von und nach chinesischen Städten anbieten können." Niedrigere Löhne und geringere Gebühren an chinesischen Flughäfen ermöglichen den chinesischen Airlines günstige Angebote zu machen. 

Brendan Sobie, ein in Singapur ansässiger Luftfahrtanalyst, meint, dass der verstärkte Wettbewerb wahrscheinlich die Entscheidung von Qantas beeinflusst habe. "Sie haben Mühe, mit den chinesischen Fluggesellschaften zu konkurrieren", sagte er der DW.

Die australische Fluglinie Qantas begründete die Einstellung der Sydney-Shanghai-Flüge im Juli mit halbleeren Flugzeugen und der geringen Nachfrage nach China-ReisenBild: Mark Baker/AP/picture alliance

Chinesische Luftfahrt wieder auf Expansionskurs

Vor der Pandemie seien chinesische Fluggesellschaften schnell expandiert, so der Experte, "weil chinesische Fluggesellschaften eine strategische Expansion auf dem internationalen Markt anstrebten". Dieser Trend würde nun wieder aufleben, da sich die chinesische Nachfrage nach Reisen nach Jahren der COVID-19-Beschränkungen allmählich erholt.

"Viele würden gerne das Problem mit dem russischen Luftraum dafür verantwortlich machen", so Sobie. "Das ist sicherlich ein Faktor für ausländische Fluggesellschaften, aber ich denke, dieser Trend wäre auch ohne das russische Verbot zu beobachten gewesen."

Chinesische Fluggesellschaften haben die Zahl der Flüge in europäische Städte wie London, Budapest, Istanbul, Mailand und Madrid seit 2019 sogar erhöht. Die internationale Kapazität der chinesischen Fluggesellschaften - mit Ausnahme der nordamerikanischen und indischen Märkte - liege nun wieder auf dem Niveau von 2019, sagt Sobie.

Die Pandemie hat Chinas Ambitionen im Luftverkehr zweifellos einen Schlag versetzt. Nur wenige Monate vor dem Ausbruch des Virus wurde der internationale Flughafen Peking Daxing mit großem Tamtam eröffnet. "Ziel war es, in Peking Daxing und dann in Shanghai ein Drehkreuz zu errichten, wo internationale Passagiere mit inländischen Passagieren verbunden werden können oder sogar internationale Passagiere mit anderen internationalen zusammengeführt werden können", so John Grant. "Aber die Pandemie hat das alles zunichte gemacht."

Bei der Lufthansa war die geringe Rentabilität von China-Flügen eine von mehreren Ursachen für ein schwaches erstes Halbjahr.Bild: Sven Hoppe/dpa/picture alliance

Weltweit geben Chinas Auslandsreisende seit Jahren am meisten Geld für internationalen Tourismus und für Flüge aus. Die strengen Pandemie-Regelungen des Landes schränkten jedoch den Reiseverkehr innerhalb des Landes und über die Landesgrenzen bis 2023 stark ein.

Die internationalen Kapazitäten der chinesischen Fluggesellschaften und ihre Vorteile auf dem Markt für chinesische Reisende - in Kombination mit dem Druck auf westliche Fluggesellschaften - bedeuten, dass sie immer noch in der Lage sind, Marktanteile zu erobern.

Flugverkehr zwischen den USA und China noch eingeschränkt

Während sich die Wege chinesischer Fluggesellschaften nach Europa öffnen, florieren die Verbindungen zum nordamerikanischen Markt nicht. Das liegt zum einen an der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit und zum anderen an den bestehenden geopolitischen Spannungen zwischen China und den USA.

Seit die Pandemie zu den strengen Grenzkontrollen Pekings geführt hat, ist der Reiseverkehr zwischen den USA und China zusammengebrochen. China möchte die Zahl der Flüge zwischen den beiden Ländern wieder erhöhen, derzeitig macht das Flugaufkommen aber nur 15 Prozent der Flüge im Vergleich zu 2019 aus.

Washington zögert, die Zahl der Flüge zu erhöhen, zumal die Marktbedingungen darauf hindeuten, dass chinesische Fluggesellschaften derzeit stärker davon profitieren würden als US-amerikanische - was in Zeiten intensiver Rivalität nicht wünschenswert ist.

Die Nachfrage nach Flügen zwischen China und dem Westen erholt sich seit dem Ende der Corona-Pandemie nur schleppend. Im Juli gab es 23 Prozent weniger Flüge aus China als im gleichen Monat des Jahres 2019, so Daten des Luftfahrtanalytik Unternehmes Cirium.Bild: Tyrone Siu/REUTERS

"Die US-Fluggesellschaften wie United, Delta und American haben aus den gleichen Gründen wie die europäischen Fluggesellschaften absolut kein Interesse daran, noch mehr Flüge nach China durchzuführen", so Grant.

Obwohl sich Luftfahrtexperten einig sind, dass sowohl das Reiseverhalten nach der Pandemie als auch geopolitische Fragen die Beziehungen zwischen westlichen Fluggesellschaften und China verändern, wird der Markt für die größten Akteure immer wichtig bleiben.

Grant glaubt, dass globale Fluggesellschaften wie Lufthansa, Air France oder British Airways langfristig Peking in ihrem Netzwerk haben müssen. "Mit der Zeit werden sie alle wieder in diesen Markt zurückkehren wollen. Es ist immer noch ein großer Markt. Er wird nur nicht das sein, was alle erwartet haben."

Übersetzt aus dem Englischen.

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