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Flugzeug, Auto, Bus und Bahn: Verkehrslärm schadet Europa

24. Juni 2025

Mehr als 100 Millionen Menschen sind laut einem neuen EU-Bericht erhöhten Verkehrsgeräuschen ausgesetzt. Diese beeinträchtigen die Gesundheit, die Umwelt und auch die Wirtschaft. Was hilft?

Eine British Airways Boeing 787-9 landet am Flughafen Heathrow, die Maschine fliegt in nahem Abstand über die Dächer einer Häuserreihe
Einflugschneise: Eine Boeing fliegt über eine Häuserreihe in der Nähe des Londoner Flughafens Heathrow. Der Fluglärm für die Bewohner ist extremBild: Steve Parsons/empics/picture alliance

Mehr als 20 Prozent der Bevölkerung in Europa ist laut einem heute veröffentlichten Bericht der Europäischen Umweltagentur (EEA) gesundheitsschädlichem Verkehrslärm durch Straßen, Schienen und Flugzeuge ausgesetzt.

Langfristige Belastung durch Verkehrslärm wird mit einer Reihe von Gesundheitsproblemen in Verbindung gebracht, darunter Herz-Kreislauf-Erkrankungen, psychische Erkrankungen, Diabetes und vorzeitiger Tod.

Kinder und Jugendliche gelten als besonders anfällig für die weitreichenden Auswirkungen. Dazu gehören auch schlechtere Leistungen in der Schule und Gewichtszunahme.

Etwa 112 Millionen Menschen in 31 europäischen Ländern leben mit dauerhaftem Verkehrslärm, der den in der europäischen Lärmrichtlinie festgelegten Grenzwert von 55 dB überschreitet. Das entspricht dem Lärm in einer Wohnstraße oder einem normalen Gespräch.

Verkehrslärm Tag und Nacht: Die Autobahn A 40 geht mitten durch die Essener Innenstadt Bild: Rupert Oberhäuser/picture alliance

Die Zahl der betroffenen Europäer steigt sogar auf über 30 Prozent, wenn die noch strengeren Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation für sichere Schallpegel verwendet werden.

Gefahren für die Gesundheit 

"Lärmbelästigung wird oft übersehen und lediglich als alltägliche Belästigung angesehen", sagte Leena Ylä-Mononen, Exekutivdirektorin der EUA. Sie fordert deshalb: "Alle EU-Mitgliedsstaaten müssen das Problem dringend angehen, wenn wir bei unserem Null-Schadstoff-Ziel für die Reduzierung der Lärmbelästigung bis 2030 Fortschritte erzielen wollen."

Hauptproblem sind dabei Schäden durch den Straßenverkehr, insbesondere in dicht besiedelten städtischen Gebieten. Laut Bericht sind davon schätzungsweise 92 Millionen Menschen in Europa betroffen.

Nur ein Drittel der Bevölkerung in den untersuchten Städten hat Zugang zu ruhigen Grünflächen im Umkreis von 400 Metern um ihre Wohnung. Dabei belegen zahlreiche Studien die gesundheitlichen Vorteile von Zeit in der Natur.

Sirenen und Stau: Auf dem mittleren Ring in München staut sich der Berufsverkehr und ein Rettungswagen steckt festBild: Matthias Balk/dpa/picture alliance

Verkehrslärm ist laut Bericht nach der Luftverschmutzung und temperaturbedingten Faktoren die drittgrößte umweltbedingte Gesundheitsgefahr in Europa. Europaweit führt er jährlich zu einem Verlust von 1,3 Millionen gesunden Lebensjahren. Der Bericht kommt auf diese Zahl, indem die durch vorzeitige Todesfälle verlorenen Lebensjahre mit denen in schlechtem Gesundheitszustand verbrachten Jahre zusammengerechnet werden.

Umgebungslärm und die daraus resultierenden Schlafstörungen können sowohl physische als auch psychische Stressreaktionen auslösen. Diese stehen in Zusammenhang mit Stoffwechselerkrankungen, Stress und Angstzuständen und gehen mit Krankheiten und kognitiven Beeinträchtigungen einher.

Der Bericht zeigt, dass Millionen von Europäern aufgrund übermäßigen Lärms unter Schlafstörungen leiden. Damit verbunden sind jährlich 66.000  vorzeitige Todesfälle sowie Zehntausende Fälle von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-Diabetes. Dabei weisen neue Forschungsergebnisse auf einen möglichen Zusammenhang mit Depressionen und Demenz hin.

Von zu viel Lärm sind auch viele jungen Menschen in Europa betroffen. Die Autoren geben an, dass Verkehrslärm bei einer halben Million Kindern Leseschwierigkeiten und bei 63.000 Kindern Verhaltensstörungen verursacht. Der Bericht stellt außerdem einen Zusammenhang mit dem Übergewicht von mehr als einer Viertelmillion junger Menschen her.

Auch Tiere leiden unter Lärm

Nicht nur Menschen leiden unter dem Lärm. Auch die Tierwelt wird gestört. Fast ein Drittel der am stärksten gefährdeten und wertvollsten Naturschutzgebiete Europas sind durch Verkehrslärm gefährdet.

Und in europäischen Gewässern beeinträchtigt der Lärm von Schifffahrt, Offshore-Bauarbeiten und Meeresforschung zahllose Meerestiere. Viele Arten, wie Wale und Delfine, kommunizieren unter Wasser über lange Strecken mit Schall. Zu viel Lärm kann ihr Überleben gefährden.

Studien haben ergeben, dass alle Tierarten ihr Verhalten als Reaktion auf hohe Lärmpegel ändern. Vögel wie Kohlmeisen singen in Städten in Europa, Japan und Großbritannien höher als ihre Artgenossen auf dem Land.

Auch bei Insekten, Heuschrecken und Fröschen in der Nähe von Autobahnen wurden Stimmveränderungen beobachtet. Lärmbelästigung kann bei Tieren die Paarung und die Aufzucht des Nachwuchses stören und die Ortung von Beutetieren erschweren.

Tiere wie Kohlmeisen haben ihren Gesang an die städtische Lärmbelastung angepasst, aber auch sie sind gestresstBild: Eckhard Stengel/IMAGO

Lärm trifft verarmte Bevölkerung stärker

Die gesundheitlichen Auswirkungen der Lärmbelästigung kosten die europäische Wirtschaft jährlich 95,6 Milliarden Dollar (82,43 Milliarden Euro) durch Produktivitätsverluste.

Der Bericht konzentrierte sich zwar auf Europa, doch extremen Lärm gibt es in allen Großstädten weltweit, von London über Dhaka bis Algier. 

In New York sind 90 Prozent der Menschen, die Verkehrsmittel nutzen, Lärm ausgesetzt, der die Sicherheitsgrenzwerte überschreitet und zu dauerhaften Hörschäden führen kann. 

Weltweit leben ärmere Bevölkerungsgruppen häufiger in der Nähe von Industrieanlagen, Mülldeponien oder Hauptverkehrsadern. Sie sind mehr Lärm ausgesetzt als wohlhabendere Einwohner derselben Stadt. 

Idylle: In diesem begrünten Wohngebiet leiden Anwohner dank Geschwindigkeitsbegrenzung wohl kaum unter LärmbelästigungBild: Wolfram Steinberg/picture alliance

Experten empfehlen eine Verringerung des Verkehrsaufkommens und Geschwindigkeitsbegrenzungen. Auch die Förderung des öffentlichen Nahverkehrs, mehr leise Elektrofahrzeuge und Radwege könnten helfen.

Der EUA-Bericht fordert Maßnahmen sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene. Empfohlen werden ein besserer Zugang zu ruhigen und grünen Flächen in Städten sowie Maßnahmen wie die Verwendung lärmarmer Reifen. Auch die regelmäßige Wartung der Schienen zur Glättung der Gleise und die Optimierung der Start- und Landemuster von Flugzeugen sind gute Maßnahmen. 

Die EU will bis 2030 die Zahl der Menschen, die chronisch von Verkehrslärm betroffen sind, um mindestens ein Drittel vermindern. Dafür sind laut Bericht neue, zusätzliche Maßnahmen und Gesetze nötig. 

Der Artikel wurde aus dem Englischen übersetzt von Anke Rasper.