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PolitikAsien

Flugzeugabschuss von 2020 nicht aufgearbeitet

13. Januar 2022

176 Menschen starben durch den Abschuss einer Passagiermaschine vor Teheran. Die Angehörigen fordern weiterhin juristische Konsequenzen.

Iran | Gedenken an Abschuss von Passagierflugzeug | Flug 752
Gedenktafel zum Flugzeugunglück auf einem Teheraner FriedhofBild: Morteza Nikoubazl/NurPhoto/picture alliance

Am 8. Januar 2020 wurde ein ukrainisches Verkehrsflugzeug kurz nach dem Start vom Teheraner Flughafen von der iranischen Luftabwehr abgeschossen: Aufgrund einer Panne in der militärischen Kommunikations- und Befehlskette, wie es später hieß. Alle 176 Menschen an Bord kamen ums Leben, darunter 147 iranische Staatsangehörige. 

Das Militär hatte seine Verantwortung für die Tragödie zunächst über mehrere Tage abgestritten. Die Sicherheitslage war angespannt: In der Nacht auf den 3. Januar hatten die USA den wichtigsten iranischen General für die Koordinierung pro-iranischer Milizen in den Nachbarstaaten, Kassem Soleimani, mit einer Drohne in Bagdad getötet. Der Iran reagierte mit einem Raketenangriff auf US-Ziele im Irak und erwartete seinerseits einen möglichen Angriff der USA. Die Boeing 737-800 wurde nach Angaben des Militärs mit einem amerikanischen Marschflugkörper verwechselt

Gerichtliche Aufarbeitung nur vorgetäuscht?

Ein Militärtribunal, das im November 2021 die Arbeit aufnahm, soll im Auftrag von über hundert Klägern klären, wer für den Abschuss verantwortlich war und warum die Aufklärung der Hintergründe behindert wurde. "Niemand wurde bislang verurteilt, alle Beschuldigten sind auf freiem Fuß", teilte der Anwalt Mahmoud Aalizade Tabatabaie am 9. Januar in einem Statement in sozialen Netzwerken mit. Tabatabaie vertritt die Angehörigen in einem Verfahren vor dem Tribunal gegen zehn iranische Militärangehörige. Viele Hinterbliebene betrachten das Militärtribunal allerdings als vorgetäuschte Veranstaltung, die nicht einer echten Aufarbeitung dienen soll. 

​​​​Hinterbliebene fordern lückenlose AufklärungBild: Chris Young/The Canadian Press via AP/picture alliance

Ein prominenter Vater von zwei Passagieren der Unglücksmaschine, Mohsen Assadi Lari, warf den iranischen Revolutionsgarden in einem Interview vom vergangenen Samstag mit dem Nachrichtenportal Ensaf News vor, das Passagierflugzeug mit seinen Passagieren und Besatzungsmitgliedern als eine Art Schutzschild benutzt zu haben, um die USA von einem befürchteten Luftschlag auf Militäreinrichtungen am Teheraner Flughafen abzuhalten. 

Revolutionsgarden unter Druck

Assadi Lari, ehemals Leiter für internationale Zusammenarbeit im iranischen Gesundheitsministerium, hatte vor wenigen Tagen gemeinsam mit seiner Frau eine Beschwerde gegen drei  hochrangige iranische Militärs im Zusammenhang mit dem Abschuss der Passagiermaschine eingereicht, darunter gegen Hossein Salami, den Nachfolger des ermordeten Generals Soleimani als Kommandeur der Revolutionsgarden. Letztere drückten auf ihrer Webseite Sepah News der Familie von Assadi Lari "und den Angehörigen der anderen Märtyrer" ihr Beileid aus und versicherten, keine Mühen zu sparen, um das Leid der Betroffenen lindern zu helfen.

"Für die Hinterbliebene sind viele Fragen noch offen", sagt der Teheraner Anwalt Saeid Dehghan im Gespräch mit der DW. "Nicht nur die Hinterbliebenen, sondern viele andere Iraner bezweifeln, dass die Maschine versehentlich abgeschossen wurde. Die Behörden sind nicht bereit, alle Fakten auf den Tisch zu legen und die ganze Wahrheit ans Licht zu bringen. Eine unabhängige internationale Untersuchung lassen sie auch nicht zu." 

Zu den offenen Fragen gehören: Warum war der Luftraum über Teheran damals nicht gesperrt? Warum wurde 25 Sekunden nach der ersten Rakete eine zweite abgefeuert, die erst den Absturz des Flugzeugs herbeigeführt hat?  

Blockade auf internationaler Ebene 

Ein kanadisches Gericht hatte den Abschuss im Mai 2021 als "Terrorakt" bezeichnet. 138 Passagiere waren auf dem Weg nach Kanada; 63 von ihnen waren Iraner mit kanadischer Staatsbürgerschaft, andere studierten in dem nordamerikanischen Land. Die Familien von sechs Opfern mit kanadischer Staatsbürgerschaft haben den Iran vor einem kanadischen Zivilgericht verklagt. Am 3. Januar sprachen dessen Richter den Familien mehr als 107 Millionen kanadische Dollar als Entschädigung zu. Laut ihrem Anwalt soll für die Zahlung iranisches Vermögen in Kanada und in anderen Ländern herangezogen werden. 

Unterdessen teilten die Ukraine, Kanada, Schweden und Großbritannien in einem Statement am 6. Januar mit, ihre gemeinsamen Bemühungen als sogenannte Koordinierungsgruppe, um in Verhandlungen mit Teheran eine Regelung von Entschädigungsfragen zu erzielen, seien "nutzlos" und würden eingestellt. Staatsangehörige dieser vier Länder waren neben Iranern an Bord der Maschine. Die Gruppe werde nun versuchen, im "Einklang mit dem Völkerrecht" die Angelegenheit zu regeln. 

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