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Flugzeugabsturz in Russland: Was ist bekannt?

Jennifer Pahlke
23. August 2023

Das Privatflugzeug des Chefs der Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, ist abgestürzt. Noch ist vieles unklar. Die DW hat zusammengetragen, was bisher über den Absturz bekannt ist.

Russland | Jewgeni Prigoschin | mutmaßliches Flugzeugunglück in der Region Twer
Das Bild zeigt die Absturzstelle des russischen Privatjets, in dem auch Jewgeni Prigoschin gewesen sein sollBild: Ostorozhno Novosti/Handout/REUTERS

In der Nähe des Dorfes Kuschenkino in der russischen Region Twer ist ein Privatjet abgestürzt, der nach offiziellen Angaben dem Chef der russischen Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, gehört. Nach Angaben des russischen Katastrophenschutzministeriums befanden sich zehn Menschen an Bord, darunter drei Besatzungsmitglieder. Das Flugzeug war auf dem Weg von Moskau nach St. Petersburg. 

Russische Ermittler bestätigten vier Tage nach dem Absturz, dass Prigoschin an Bord des Fluges gewesen und eines der Todesopfer sei. Das hätten DNA-Tests ergeben.

Informationen, die in den russischen Telegramkanälen kursieren und der Wagner-Gruppe zugeordnet werden können, teilen mit, dass auch Prigoschins rechte Hand Dmitry Utkin an Bord des Flugzeugs gewesen und ums Leben gekommen sein soll.   

Noch gibt es keine offizielle Erklärung, wie es zu dem Absturz kommen konnte. Der der Wagnergruppe nahestehende Telegram-Kanal Grey Zone behauptet, Prigoschins Flugzeug sei durch die russische Luftabwehr abgeschossen worden. Belastbare Beweise hierfür gibt es hierfür jedoch nicht. Der zur russischen Polizei gehörende Telegram-Kanal Baza meldete lediglich unter Berufung auf die Internetseite flightradar24.com, dass das Flugzeug vor dem Absturz nicht in den Sinkflug übergegangen sei - es verschwand vom Radar, als es an Höhe gewann. 

Ein zweites Privatflugzeug, welches ebenfalls Prigoschin gehört und einige Zeit nach dem abgestürzten Flugzeug in Moskau gestartet war, sei direkt nach dem Absturz umgedreht und mittlerweile wieder in Moskau gelandet. 

Aus Afrika zurück nach Russland? 

Am 21. August hatte Jewgeni Prigoschin sich erstmals seit dem Wagner-Aufstand Ende Juni wieder per Videoansprache auf seinem Telegramkanal zu Wort gemeldet. Dabei sprach er davon, Russland auf allen Kontinenten größer und Afrika freier machen zu wollen. Prigoschin steht in diesem Video in Tarnkleidung in einer Wüste und hält ein Gewehr in der Hand. In der Ferne sind bewaffnete Männer und ein Pickup zu sehen. Es ließ sich nicht eindeutig verifizieren, ob das Video wirklich in Afrika gedreht wurde. Einige Beiträge in Wagner-nahen Telegramkanälen legen diesen Schluss jedoch nahe. Auch der russische Journalist Andrej Sacharow bestätigte, dass Prigoschin am Tage des Absturzes tatsächlich aus Afrika nach Russland geflogen sein soll.  

Wenige Tage vor dem Flugzeugabsturz meldete sich Prigoschin per Videobotschaft zu Wort - erstmals seit dem Wagner-AufstandBild: PMC Wagner/Telegram/REUTERS

Zunächst hatte es einige Zeit lang Verwirrung darüber gegeben, ob Prigoschin sich tatsächlich in dem abgestürzten Privatjet befunden hatte. Dass er auf der Passagierliste des abgestürzten Privatjets stand, musste nicht automatisch bedeuten, dass er auch wirklich an Bord war. Der Wagner-Chef ist dafür bekannt, dass er mehrere Doppelgänger hat, die sogar offizielle Ausweisdokumente mit demselben Namen und Geburtsdatum wie Prigoschin selbst besitzen. 

Auch ist es ist nicht das erste Mal, dass Prigoschin bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen sein soll. Ähnliches wurde bereits 2019 berichtet, als er angeblich im Kongo abstürzte. Damals waren zwar zwei russische Staatsbürger getötet worden, Prigoschin aber war nicht darunter.   

Welche Reaktionen gibt es aus Russland? 

Das Untersuchungskomitee der Russischen Föderation hat nach dem Flugzeugabsturz ein Ermittlungsverfahren zur Ursache des Absturzes eröffnet. "Alle Versionen des Vorfalls", heißt es "werden in Betracht gezogen, einschließlich Pilotenfehler, technisches Versagen und externe Einflüsse". 

Einige russische Journalisten gaben mit Verweis auf ihre Quellen schon früh am Absurzabend in ihren sozialen Medien an, dass Prigoschin sich tatsächlich an Bord des Flugzeugs befunden habe und unter den Toten sei. Auch das unabhängige St. Petersburger Medium "Fontanka" berichtete darüber. Mehrere Kriegsblogger, Propagandisten und Anhänger Prigoschins äußerten, sie seien "geschockt und könnten es einfach nicht glauben".  

Währenddessen ist Russlands Präsident Wladimir Putin auf einem Besuch in Kursk, wo er zum 80. Jahrestag der dortigen Schlacht gegen nationalsozialistische Truppen im Zweiten Weltkrieg live im Fernsehen Orden an Veteranen verteilte.  

In einer Fernsehansprache nach dem Aufstand hatte Wladimir Putin der Gruppe Wagner öffentlich Verrat vorgeworfenBild: via REUTERS

Kann es kein Unfall gewesen sein? 

Es ist durchaus möglich, dass der Absturz kein einfacher Unfall war. Prigoschin begann seine Karriere nach fast zehn Jahren im Gefängnis als Putins Koch. Später wurde er als Putins "Liebling" für den Kreml in der ganzen Welt eingesetzt, um militärisch-politische Aufgaben zu erfüllen, den russischen Einfluss mit Waffen zu sichern und zu vergrößern. In Syrien, mehreren afrikanischen Staaten und der Ukraine war seine Söldnertruppe Wagner aktiv.  

Prigoschin war für Putin und den Kreml sogar so wichtig, dass er über dem russischen Gesetz stand. Er rekrutierte russische Gefangene für seine Söldnertruppe in der Ukraine. Nur wurde Prigoschin so mächtig, dass er dem Kreml mehr als unbequem wurde. Er begann, den russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu und die russische Taktik im Krieg gegen die Ukraine provokant, öffentlich und vor allem laut zu kritisieren. Das Ganze gipfelte dann schließlich in einer Meuterei, bei der er mit Tausenden seiner Soldaten in einem sogenannten "Marsch für Gerechtigkeit" Richtung Moskau zog.   

Wagner-Kämpfer während ihres Aufstandes in Rostow am DonBild: AFP via Getty Images

Öffentlich hat Wladmir Putin ihm zwar verziehen und versprochen, auf eine Strafverfolgung zu verzichten, jedoch wurde Prigoschin zusammen mit seinen Wagner-Söldnern in Exil nach Belarus geschickt. Für viele war es unvorstellbar, dass er nach so einem offensichtlichen Machtkampf mit Putin ungestraft davon kommen könne. Es wäre durchaus möglich, dass der Flugzeugabsturz - auf den Tag genau zwei Monate nach Beginn seines Aufstandes - nicht ein Unfall war.  

Jennifer Pahlke Korrespondentin