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Folter in Usbekistan

9. August 2004

Human Rights Watch wirft der Regierung fehlende Reformwilligkeit vor

Bonn, 8.8.2004, DW-RADIO / Russisch

Folter seitens der Rechtsschutzorgane ist in vielen Staaten Zentralasiens ein dringendes Problem. Ein besonders unhaltbarer Fall von Folter ist vor kurzem in Usbekistan bekannt geworden. Dort werden Inhaftierte gezwungen, Geständnisse zu unterschreiben, denen zufolge sie angeblich an Terrorismus beteiligt waren. Das sagte der Deutschen Welle der Vorsitzende des Ortsverbandes der Gesellschaft für Menschenrechte "Esgulik" in Taschkent, Rechtsanwalt Ruchuttdin Kamilow. Allein aus seiner Tätigkeit als Anwalt konnte er sieben Fälle nennen, in denen in den letzten Monaten Geständnisse erzwungen wurden. Leider, so der Menschenrechter, seien Selbstbezichtigungen von Menschen vor Gericht in jüngster Zeit üblich geworden. Darüber, wie die usbekischen Rechtsschutzorgane bei Gefangenen Geständnisse erzwingen, berichtet Natalja Buschujewa:

Die Vertreterin von Human Rights Watch in Usbekistan, Allison Gill, sagte der Deutschen Welle, dass seit den Anschlägen im März in Usbekistan Verhaftungen zugenommen hätten und Gefangene gefoltert würden:

"Wir haben zahlreiche Beschwerden erhalten, wonach Menschen, die wegen jenen Ereignissen festgenommen wurden, gefoltert werden. Hier wird systematisch gefoltert, von der Festnahme bis zur Entlassung aus dem Gefängnis. Das ist ein äußerst dringendes Problem."

Hier ein typisches Beispiel: Der Unternehmer Bachodyr Karimow wird beschuldigt, an den Terroranschlägen im April dieses Jahres beteiligt gewesen zu sein. Seine Firma ist auf den Verkauf von Lebensmitteln spezialisiert und verfügt über Filialen in mehreren usbekischen Städten. Sein Vater Utkir Karimow sagte, die Ermittler würden unter Einsatz von Folter und Drohungen Bachodyr zwingen, ein Geständnis zu unterschreiben, wonach er angeblich Aluminiumpulver an Terroristen verkauft habe:

"Mein Sohn Bachodyr hat unter Zwang geschrieben. Welches Recht haben sie, meinen Sohn zu verhöhnen? Wo ist die Gerechtigkeit?"

Utkir Karimow zufolge wurde am 29. März seine gesamte Familie von 30 bewaffneten Mitarbeitern der Miliz von zuhause abgeholt, darunter auch fünf kleine Enkel und ein schwangere Schwiegertochter. Sie wurden schnell wieder freigelassen. In Untersuchungshaft blieb nur Bachodyr Karimow. Zu diesem Fall sagte die Vertreterin von Human Rights Watch in Usbekistan, Allison Gill, bei der eine Beschwerde des Vaters des Festgenommenen eingegangen ist, folgendes:

"Der Mann wurde Ende März festgenommen. Erstens wurde sehr lange kein Anwalt zu ihm gelassen. Er war praktisch mehr zwei Monate ohne Anwalt. Das ist sehr schrecklich. Wenn man keinen eigenen Anwalt hat, fällt es sehr leicht, einen Menschen zu foltern, da es auch keine Zeugen gibt. Zweitens weiß ich, dass seine Schuld nicht bewiesen ist."

Im Rahmen der Ermittlungen in diesem Fall wurde auch der Chauffeur der Firma, Dschamolittdin Rassakow, festgenommen, der drei Monate hinter Gittern saß. Der Deutschen Welle ist es gelungen, sich mit ihm kurz nach dessen Freilassung zu treffen. Dschamolittdin Rassakow sagte in dem Interview, dass er aufgrund der brutalen Folter falsche Aussagen zu Lasten von Bachodyr Karimow unterschieben habe, dem Beteiligung an den Terroranschlägen vorgeworfen wird:

"Mitarbeiter der Miliz forderten von mir falsche Aussagen. Sie folterten mich. Sie schlugen mit Knüppeln auf die Knie und auf Stellen unterhalb der Gürtellinie. Sie setzten Stromschläge ein. Sie warnten mich, dass, falls ich die Aussagen, wonach Bachodyr das Aluminiumpulver besorgt habe, nicht unterschreiben würde, ich 20 Jahre oder sogar bis ans Ende meines Lebens im Gefängnis sitzen würde, und dass, wenn ich unterschreiben würde, ich entlassen würde. Ich wurde so gequält, dass ich gezwungen war, all dies zu unterschreiben."

Dschamolittdin Rassakow sagte, Mitarbeiter der Miliz hätten ihm in seine Tasche Patronen untergeschoben. Das sei dann auch der Grund für die Festnahme gewesen:

"Sie wollten es so darstellen, als hätte man die Patronen tatsächlich bei mir gefunden. Ich wurde gefoltert. Aber ich wollte eine solche Schuld nicht auf mich nehmen. Ich hatte meinen Ausweis bei mir, aber sie wollten, dass ich unterschreibe, dass ich keinen Ausweis dabei hatte. So wurde die Sache niedergeschrieben."

Der Leiter der Ermittlungsabteilung des usbekischen Innenministeriums, Alischer Scharafuttdinow, lehnte eine Stellungnahme dazu gegenüber der Deutschen Welle ab.

Anfang vergangenen Jahres wurde eine Kommission der usbekischen Regierung gebildet, die ein staatliches Programm zur Bekämpfung von Folter erarbeiten sollte. Der Vertreterin von Human Rights Watch in Usbekistan, Allison Gill, zufolge ist das Programm ineffektiv, und zwar aus folgendem Grund:

"Die Reformen, die unternommen werden, sind sehr kleine Schritte. Hier sind große Schritte notwendig. Hier braucht man konkrete und umfassende Reformen. Bekanntlich war schon vor fast zwei Jahren der UN-Berichterstatter für Folter hier. Sein Bericht über Usbekistan enthält 22 konkrete Empfehlungen. Leider wurde seitdem keine einzige Empfehlung umgesetzt. Die Regierung erarbeitete ein staatliches Programm zur Folter-Bekämpfung, in dem die Empfehlungen des UN-Berichterstatters für Folter, Theo van Boven, nicht einmal erwähnt werden. Und das, obwohl der UN-Berichterstatter eine entscheidende Stimme in Folter-Fragen weltweit hat. Aber leider ist der Staat der Ansicht, dass es nicht notwendig ist, seine Empfehlungen umzusetzen." (MO)